Die Energiewende als Chance für die Region?

Heute diskutiert und denkt man bei Energiefragen meist in nationalen und globalen Dimensionen. Es wird debattiert über die Energiestrategie 2050, nationale Lenkungsabgaben und das Weltklima. Wir stellen uns Fragen, die weit über unseren persönlichen Horizont hinausreichen: Wie lange reichen die Ölvorräte oder wird es 2100 noch Gletscher in den Alpen geben?



Die Energiewende bringt hoffnungsvolle Perspektiven für die Region. (Bild: Daniel Luther)
Die Energiewende bringt hoffnungsvolle Perspektiven für die Region. (Bild: Daniel Luther)

Dabei verliert man die möglicherweise die wichtigste Sicht aus den Augen. Die Sicht auf jenen Teil der Welt, in dem wir leben und Einfluss nehmen. Ich persönlich wage dafür ab und zu noch das Wort Heimat, doch in diesem Zusammenhang passt der nüchterne Begriff Region wahrscheinlich besser. Gemeint sind damit Handlungsräume wie Familie, Haus, Quartier, Gemeinde, Firma, Schule oder Verein.

Energiewende?


Was immer man unter dem allgegenwärtigen Begriff «Energiewende» versteht, er bedeutet Veränderungen. Diese machen uns naturgemäss Angst. Doch mehr und mehr Menschen erkennen auch die Chancen, die das Thema Energie für sie bereit hält. Es verspricht neue Berufs- und Verdienstmöglichkeiten für den Einzelnen und lohnende Perspektiven für die Region.

Entscheidenden Anteil daran hat die enorme technische Entwicklung: Bei gleicher Leistung verbrauchen Geräte und Prozesse immer weniger Energie und diese Energie kann mit immer mehr Verfahren aus einheimischen Ressourcen vor Ort erzeugt werden. Technisch stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Ära: der Energieunabhängigkeit. Sie bietet vor Kurzem noch undenkbare Chancen zur Regionalentwicklung. Doch diese aufregende Sicht muss zuerst entdeckt und erarbeitet werden.

Eine neue Sicht entwickeln


Um als Bürger, Unternehmen oder Gemeinde die Chancen der «Energiewende» zu nutzen, braucht es vor allem Information. Auch hier profitieren wir von modernen Entwicklungen. Einerseits wird weltweit intensiv über Energiefragen geforscht, anderseits sind die Resultate so zugänglich wie nie zuvor, wenn man weiss, wonach man sucht.

Mit den Hochschulen Rapperswil und Wädenswil beschäftigen sich gleich zwei Denkfabriken in nächster Nachbarschaft mit der Thematik Energiezukunft. Etliche Mitarbeiter und Studierende leben mit uns in der Region. Diese Nähe könnte sich als unverhoffter Segen erweisen. Das Toggenburg nutzt diesen regionalen Vorzug bewusst und hat seine Zukunft als «Energietal» bereits medienwirksam in die Finger genommen.

Weniger verbrauchen und mehr produzieren


Ein Beispiel für den praktischen Nutzen dieser Nähe ist die Semesterarbeit von Alice Hefti aus Ennenda, die in Wädenswil bei Professor Jürg Rohrer aus Niederurnen studiert. Er leitet dort die Fachstelle Erneuerbare Energien. Am Beispiel von Glarus Nord trug Alice Hefti alle verfügbaren Daten zusammen, um die aktuelle Energiesituation verständlich zu machen. Sie zeigt auf den ersten Blick die starke Abhängigkeit von importierten Energieträgern wie Öl, Gas und Benzin. Im zweiten Schritt ermittelt Hefti die Potenziale für die Produktion von Energie vor Ort und die Verringerung des Verbrauchs durch erhöhte Energieeffizienz und verbesserte Infrastruktur.

Im Fall Glarus Nord bietet effizientere Energienutzung (Gebäudesanierung, moderne Infrastruktur) rund vier Mal mehr Potenzial als die mögliche Eigenproduktion. Alice Hefti empfiehlt mögliche Einsparungen als Produktion von nicht verbrauchter Energie zu betrachten. Die Einsicht, dass die nicht verbrauchten Kilowattstunden die günstigste und umweltschonendste Energieform sind, soll bewusst in die Energiepolitik der Gemeinde einfliessen.

Anfangen vor der Haustür: Energieallianzen


Im Glarnerland und im Linthgebiet formieren sich aus der Bevölkerung heraus Gruppen, denen es darum geht, ihren Mitbürgern und den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik neue Wege vor Augen zu führen. Mit Informationen und überzeugenden Beispielen vor Ort. Ihre engagierten Mitglieder wissen, dass es für eine echte Energiewende mehr brauchen wird als staatlich verordnete Programme und moralische Appelle.

Für eine unabhängige Informations- und Überzeugungsarbeit wurde 2009 die Energieallianz Glarus gegründet. Auch das Forum Lebendiges Linthgebiet (FLL) hat den cleveren Umgang mit Energie als entscheidende Standortqualität erkannt. Als Konsequenz wurde die Arbeitsgruppe «Energiewende» ins Leben gerufen, die schon nach kurzer Zeit eng mit den gleichgesinnten Glarnern zusammenarbeitet.

An der FLL-Jahresversammlung am 24. April in Benken wird die «Energiewende» ein zentrales Thema sein. Ein erstes Lebenszeichen der Arbeitsgruppe ist der «Energieberater», eine kommentierte Link-Sammlung zu Energiethemen unter www. energieallianz-glarus.ch.