Die ehemalige Fabrikantenvilla in Ziegelbrücke macht nicht den Anschein, als ob sich hier ein Herzstück der Glarner Informatiklandschaft befände. Trotzdem ist es so. Von hier aus steuert Christoph Marti das Kooperationsprojekt Glarus Hoch 3 und erbringt dabei die IT-Dienstleistungen für zahlreiche Glarner Gemeinden. Darüber hinaus zeichnet er im Rahmen von «GL2011: Drei starke Gemeinden – ein wettbewerbsfähiger Kanton» für die Leitung des Teilprojekts «Ablauforganisation und Informatik» verantwortlich. Ein knochentrockener Titel für ein derart zentrales Ressort. Denn dieser Bereich hat einen massgeblichen Einfluss darauf, wie die künftigen Gemeinden funktionieren und ob der epochale Glarner Gemeindereformprozess sein Sparziel erreicht.
Informatik folgt nach Organisation
Christoph Marti erklärt, warum: «Sehr oft packt man Informatikfragen von der technischen Seite her an. Man evaluiert Geräte – PCs, Server etc. –, sucht nach geeigneter Software und baut darauf die Lösungen für organisatorische Herausforderungen auf. Wir machen es umgekehrt: Wir möchten zunächst die Abläufe erarbeitet haben und dann die passende IT-Infrastruktur evaluieren.» Marti und sein Projektteam möchten wissen: Wer macht was, wann und wie? Wenn die Gemeinden diese Fragen geklärt haben, kann die passende Standard-Software evaluiert und eingeführt werden.
Lösungen sind entscheidend
Wieso sind Ablauforganisation und Informatik für die finanziellen Folgen des Gemeindestrukturprojektes so zentral? «Die Qualität und Ausgestaltung der jeweiligen Abläufe hat unmittelbare Auswirkungen auf die Informatiklösungen und deren Kosten», erklärt Marti. «Entscheiden sich die drei Gemeinden beispielsweise für gleiche oder vergleichbare Verwaltungsorganisationen, so können wir eine einheitliche Informatik- und IT-Struktur mit einem einzigen Rechenzentrum für alle drei Gemeinden aufbauen. Das wäre effizient und kostengünstig. Arbeitet jede Gemeinde für sich allein und mit unterschiedlichen Ansätzen, so würden dezentrale Lösungen nötig – mit dem entsprechenden Kostenplus.» Tönt logisch – und fordert die Gemeinden. Denn diese müssen sich bereits frühzeitig einig werden, ob sie gemeinsame oder individuelle Lösungen anstreben und wie die Rahmenbedingungen lauten.
Gemeindeautonomie wichtig
Christoph Marti lässt keinen Zweifel, dass er und sein Team einheitliche Lösungen für alle drei Gemeinden bevorzugen. Nun wird aber beim Projekt GL2011 stets betont, dass der Kanton über autonome und verschiedenartige Gemeinden verfügen werde. Gilt das nicht auch für die Informatik? Christoph Marti unterstreicht: «Die Gemeinden entscheiden, was sie wollen. Wir müssen lediglich sicher stellen, dass sie die Konsequenzen eines Entscheides kennen.» Ausserdem würden einheitliche IT-Lösungen keineswegs individuelle Varianten an der Front ausschliessen. Selbstverständlich sollen Glarus Nord, Glarus Süd und Glarus Mitte beispielsweise ihre Gemeindeverwaltungen so ausgestalten können, dass sie den Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung am besten Rechnung tragen. Aber wie im Hintergrund eine Rechnung verbucht oder ein Umzug registriert wird, spielt dabei keine Rolle.
Beispiel Wassergebühren
Ein Blick auf die Verrechnungspraxis in der Wasserversorgung macht die Herausforderungen deutlich. Jede Gemeinde erhebt die Gebühren wieder anders: Die eine installiert Wasseruhren, die andere berechnet nach Grundstücksfläche, die sie noch je nach Art gewichtet; selbst innerhalb dieser Teilsysteme kennt man noch völlig unterschiedliche Anwendungen. Jetzt gilt es abzuklären, ob es ein einheitliches Gebührenreglement gibt, das für Glarus Nord, Glarus Mitte und Glarus Süd gleichermassen taugt. Und wie dieses System aussehen könnte. Die Frage wäre wohl schon für die drei künftigen Gemeinden mit ihren sehr unterschiedlichen Topographien eine Knacknuss. Aber es ist noch viel komplizierter: die Antworten müssen die heutigen 25 Glarner Gemeinden respektive deren Stimmbürgerinnen und Stimmbürger liefern, und zwar bis Ende 2009. Denn die Verabschiedung der Gebührenordnung liegt in der Kompetenz der Gemeindeversammlungen.
Der Bund als Teamplayer
Was die aufwändigste Aufgabe, die Harmonisierung der Einwohner- und Gebäuderegister betrifft, so hat der Bund dem Kanton Glarus einen wahren Steilpass zugespielt: die eidgenössische Volkszählung 2010. Sie zwingt die Gemeinden, ihre Register nach einheitlichen Kriterien aufzubereiten. Was für die Volkszählung erarbeitet wird, kann den drei neuen Gemeinden nur Recht sein. Mit der Volkszählung setzt der Bund einen tauglichen Standard, und dass erst noch zum richtigen Zeitpunkt: Die harmonisierten Register müssen just dann bereit stehen, wenn sie auch für die Vorbereitung des Fusion-Countdowns vom 1.1.2011 gebraucht werden. Wie sieht es eigentlich mit dem Datenschutz aus? «Der ist garantiert», versichert Christoph Marti. «Der kantonale Datenschützer ist in unserem Projektteam dabei und achtet darauf, dass alles seine Ordnung hat.»
Ein straffes Arbeitsprogramm bis Ende 2010
Wo liegen bis Ende 2010 die Arbeitsschwerpunkte von Christoph Martis Team? In diesen Tagen wird das sogenannte Prozessmodell fertig gestellt. Das Prozessmodell hält fest, welche Abläufe in den neuen Gemeinden wie durchgeführt werden. So wird bspw. definiert, wie zukünftig ein Baugesuch abläuft. Die Herausforderung bei der Gestaltung und Umsetzung von Prozessen ist, dass diese so definiert werden, dass einerseits die inhaltlichen Anforderungen erfüllt werden, diese aber auch genügend einfach realisiert werden. So werden bspw. Prozesse mit einer geringer Wiederholungsrate kaum durchgängig elektronisch unterstützt werden. Da das Prozessmodell die verschiedenen Abläufe kompakt und präzise festhält, lassen sich aus ihm die Anforderungen an die künftige IT-Infrastruktur ablesen. An ihm kann man auch aufzeigen, welche Auswirkungen es hat, wenn sich die künftigen Gemeinden auf gleiche Prozesse einigen respektive wenn jede einen eigenen Weg beschreitet. Die Projektgruppe stellt den Gemeindenverwaltungen und Gemeindebehörden dieses Modell am 20. August an einer Tagung vor. Bis Ende Jahr werden die Ausschreibungsunterlagen erarbeitet. Im nächsten Jahr werden die wichtigsten Aufträge vergeben, Standards festgelegt und die Hardware angeschafft. 2010 schliesslich geht es darum, alle Vorarbeiten für den Produktivstart der IT-Infrastruktur am 1. Januar 2011 zu leisten. Es ist leicht vorhersehbar: Dem Team um Christoph Marti wird es bis Ende 2010 nicht langweilig, zumal sie ein ambitioniertes Ziel verfolgen. Bis dato liegt die Arbeit präzise im Zeitplan. Das soll bis am 1. Januar 2011 so bleiben.
Mehr Infos zu GL2011
Weitere Infos zum Gemeindestrukturprojekt GL2011 sind auf dessen Homepage zu finden: www.gl2011.ch. Per E-mail können Sie den Zeit- und Massnahmenplan für die Gemeinderestrukturierung als kostenlose Broschüre beziehen wie auch einen elektronischen Newsletter abonnieren: [email protected], Tel. 055 646 66 05.
*Der Autor ist Kommunikationsbeauftragter der Projektleitung Kanton von "GL2011: drei starke Gemeinden – ein wettbewerbsfähiger Kanton".