Die Schweizer Krisenbotschafterin, die im Auftrag der OSZE und der UNO sich mehrfach in schwierigsten diplomatischen Situationen im Kaukasus bewährt hat, erinnerte an den heftigen militärischen Konflikt zwischen Russland und Georgien im August 2008. «Der Krieg hat nur das fragile Gleichgewicht zerstört», sagte Tagliavini, denn die Lage im Kaukasus sei nie stabil gewesen. Dem Waffengang war eine jahrelange Eskalation zwischen Russland und Georgien vorausgegangen.
Kultur des Kompromisses lernen
Die Schweizer Botschafterin wurde von der EU mit der Leitung der Fact-Finding-Mission zur Abklärung der Gründe für diesen Krieg beauftragt. Ihr Bericht wurde im September 2009 veröffentlicht. Die Gründe seien sehr komplex erklärte Tagliavini. «Einer ist sicher die ethnische Vielfalt als Folge der sowjetischen Nationenpolitik.» Sie führte weiter aus, dass der Kaukasus mit verschiedenen Konflikten der letzten Jahre im Status quo verharre, dass zwischen den einzelnen Regionen verhängnisvolle Feindbilder und Legenden bestünden und dass ein Krieg für dauerhafte Lösungen ungeeignet sei. Ein einfaches Rezept für einen Frieden in dieser Region gebe es daher nicht. «Ich glaube, die Kultur des Kompromisses, um aus einer ausweglosen Situation eine Lösung zu finden, muss im Kaukasus noch gelernt werden», fuhr sie fort. Schliesslich sei es unumgänglich, dass Lösungsansätze für einen Frieden im Kaukasus nur unter Zuhilfenahme von internationalen Organisationen möglich sei.
Mit Krisengebiet bestens vertraut
Die von Robert Jenny vom Forum Gartenflügel Ziegelbrücke organisierte Veranstaltung im Gemeindehaussaal Jakobsblick in Niederurnen war gut besucht. An das interessante Referat schloss sich eine rege Diskussionsrunde an. Fragen, wie sie sich als Frau in dieser noch männerdominierten Gesellschaft durchsetzen könne, oder ob die Jugend dieser Region sich nicht gegen die althergebrachten Konflikte auflehne, konnte Tagliavini umfassend beantworten. Ihre Antworten zeigten einmal mehr auf, dass die Schweizerin mit dem Krisengebiet Kaukasus derart vertraut ist, dass sie von der NZZ nicht hat umsonst als «Madame Courage» bezeichnet worden ist.
