Gut so, werden vielleicht einige sagen, schade wird sicher die fachkundige Mehrheit der Fussballszene denken. Fakt aber ist, dass der Schwander nach 2184 Einsätzen als Schiedsrichter, SR-Inspizient (Coach) und als SR-Instruktor mit dem Abpfiff um 20.28 Uhr beim Senioren 40+-Spiel zwischen Wattwil Bunt Grp und Niederstetten in Bütschwil, am 7. Juni 2024 seine langjährige Karriere beendet hat.
Obwohl das SR-Reglement des OFV weitere SR-Einsätze zugelassen hätte und Willi beim jährlich erforderlichen Konditionstest der Ü60-SR die 1800 Meter immer noch unter den geforderten 12 Minuten läuft, ist das jetzt Geschichte.
Wie die Jungfrau zum Kinde
Ab der Saison 1973/74 herrschte beim OFV bereits die SR-Kontingentierung, wonach ein Fussballverein jeweils pro zwei Mannschaften einen Schiedsrichter zu stellen hatte.
Das war auch bei Willis Stammclub FC Schwanden, welchen er 1969 mitgegründet hat und den er später während 17 Jahren als Präsident und 3 Jahren als Spiko-Präsident prägte, nicht anders.
Da Willi Baumgartner damals fussballerisch durchaus noch Luft nach oben hatte, wählte er den anspruchsvollen Weg als Schiedsrichter und hat diesen Schritt, welchen er immer auch als Lebensschule betrachtete, nie bereut. Wochenende für Wochenende stand er auf irgendeinem Fussballplatz zwischen Rüti GL und Kreuzlingen. Grosse Stadien, in welchen SR Baumgartner seine sportliche Visitenkarte hinterliess, hiessen damals noch Espenmoos in St. Gallen, Hardturm in Zürich, Maladiere in Neuenburg, Joggeli in Basel oder Allmend in Luzern. Aber auch auf kleineren Spielfeldern wie etwa in Bunt (Lichtensteig), Sätliboden in Rüti, Rehwiese in Niederstetten oder im Taminatal fühlte er sich wohl. Dabei erinnerte er 22 erwachsene Männer während neunzig Minuten daran, dass es in der schönsten Nebensache der Welt auch Regeln gibt. Auch wenn ab und zu 11 dieser Fussballer das Gefühl hatten, dass der Unparteiische doch ziemlich parteiisch sei.
Sportlicher Lebenslauf
Geboren: 5. Mai 1953
FussballerischeTätigkeit:
Junioren C und B beim FC Glarus (u.a. mit René Botteron)
Junioren A beim FC Netstal und FC Schwanden
Aktiv beim FC Schwanden (4. Liga)
Gründungsmitglied FC Schwanden im 1969
1980 Vorstandsmitglied (Beisitzer)
1982 bis 1999 Präsident
1999 bis 2002 TK-Chef
SR-Tätigkeit:
Mangels fussballerischem Talent und Einführung der Kontingentierung der SR pro Verein den Weg des SR eingeschlagen (1973).
1973 bis 1981: Junioren, da selber noch aktiver Fussballer
1981 bis 1983: 4. Liga
1983 bis 1985: 3. Liga
1985 bis 1990: 2. Liga
1990 bis 1995: 1. Liga
1995: NL B (Erstes Spiel Gossau - Tuggen)
1996: Achillessehnen-Abriss: Ende der Karriere in der Oberliga
1999 - 2001: 2. Liga
2001 - 2003: 3. Liga
2003 - 2013: 4. Liga
2013 - 2024: 5. Liga, Junioren, Senioren, Frauen
1991 – 2024 SR-Instruktor
2002 – 2024 Mitarbeiter SR-Kommission OFV
(Verantwortlicher KO-Test SR)
2005 – 2024 SFV-Futsal-Instruktor
(bereits zu vor während 5 Jahren im Futsal als Coach im Einsatz, als diese Sportart noch nicht beim SFV angegliedert war)
2001 - 2020 Sekretär Donatorenvereinigung 69er-Club FCS
2018 SR des Jahres (OFV)
2024 Ehrung 50 Jahre SR: DV OSV in Altstätten SG
Erster Glarner SR in der damaligen NLB
Mit den entsprechenden Qualifikationen, dem Quäntchen Glück aber auch mit viel Ausdauer und Leidenschaft hat sich Willi Baumgartner sukzessive von der 4.Liga bis in die damalige NLB hoch gearbeitet (erstes NLB-Spiel Gossau SG gegen Tuggen am Samstag, 6. Mai 1995). Erfahrungen sammelte Baumgartner auch bei „internationale“ Einsätzen wie in Wangen im Allgäu, in Kisslegg (im Rahmen des Bodensee-Cups) oder beim Liechtensteinischen Cupfinal.
Dabei konnte er sich stets zu 100% auf seine erfahrenen Assistenten Jürg Fritsch, Roland Bruhin, Mario Bardea und Hans Flisch an der Seitenlinie verlassen. Diese vier Wegbegleiter haben mit ihrem Einsatz das Ihrige zu Willis sportlichem Erfolg beigetragen.
Ein Achillessehnen-Abriss während eines Turnier-Einsatzes 1996 in Näfels bedeutete das jähe Ende seiner Karriere. Aber drei Jahre später, nach zwei weiteren überstandenen Operation am Meniskus und an der andern Achillessehne, kehrte Baumgartner auf "die Bühne, die seine Welt bedeutet“ zurück und konnte sein Hobby wieder schmerzfrei ausüben.
Immer eine Herzensangelegenheit
Willi Baumgartner war sich stets bewusst, dass die Stellung seiner Gilde in der Sporthierarchie in eher tieferer Sphäre zu finden ist. Auf die Frage, weshalb er diese schon fast an Masochismus grenzende Tätigkeit trotzdem solange ausgeübt hat, antwortet er spontan: Es wurde zu meiner Leidenschaft und Motivation, mit welcher ich mich mit Begeisterung für fairen Sport einzusetzen konnte. Zudem macht es einfach Spass, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig eine hervorragende Lebensschule zu durchlaufen!
Reklamationen der Spieler oder Zurufe von Zuschauern mit Begriffen aus Brehms Tierleben gilt es auszublenden, wobei die Herausforderung darin besteht, es gar nicht so weit kommen zu lassen.
Die bescheidene Spesenentschädigung steht in keinem Verhältnis zum Aufwand und bleibt in der Regel bei der so genannten "dritten Halbzeit" sowie für Benzin und Verpflegung auf dem Heimweg liegen.
Dennoch betont der scheidende Referee, dass ihm die zunehmende Respektlosigkeit von Zuschauern und Spielern (bereits bei den Junioren) und die sehr tiefe Hemmschwelle zu denken geben. So sei es auch nicht verwunderlich, dass es immer weniger Idealisten gebe, welche die Funktion des Buhmanns ausüben.
Die Liebe zum Fussball, die Herausforderung Entscheide sekundenschnell zu fällen und die ganze Passion mit all seinen Facetten ausgelebt zu haben, werden Baumgartner stets in positiver Erinnerung bleiben.
Auch wenn das Image des Schiedsrichters, öfters zu Unrecht, etwas leidet, würde sich Willi Baumgartner wieder für diesen Weg entscheiden und ermuntert abschliessend auch die jungen Fussballerinnen und Fussballer, es ihm gleich zu tun.