Die Reichhaltigkeit der Poesie

Vieles scheint so einfach. Man setzt sich in eine ruhige Ecke, Schreibpapier und Stift sind bereit. Zur äusseren Ruhe gesellt sich das innere Gleichgewicht. Man begibt sich der unglaublichen Reichhaltigkeit der Wörter hin, wählt das eine und andere, fügt es, nähert sich innerlich Vorgegebenem, fertig ist der Text – aber nur scheinbar, schwebend, wartend, enteilend, sich neu fügend.



Christa Pellicciotta
Christa Pellicciotta

Es wachsen bei der Verfassenden die Fragen: Ist das, was ich vorhatte, für den Empfänger – den Leser – verständlich ? Begreift er meine Aussagen, mein Deuten, mein Antippen und Hinführen?

Es waren in der Kulturbuchhandlung Wortreich an der Abläschstrasse, Glarus, erfreulich viele bereit, sich mit absolut unspektakulär Anmutenden auseinanderzusetzen, sich in die faszinierende Welt der Wörter und deren Fügen hineinzubegeben, sich für kurze Momente entführen und verzaubern zu lassen. Sie alle erfuhren die Stille, die wohltuende Kürze farbenreicher, bewegender Aussagen Christa Pellicciotta, Geschäftsführerin der Buchhandlung begrüsste, führte ein, wies auch auf Geplantes hin, sei das ein Blueskonzert, das Filmprogramm für Senioren und neuerdings auch für Kinder oder das Begegnen mit Mona Petri und Gian Rupf in «Der Weg zum Himmelreich» am kommenden Donnerstag.

Mit Spannung erwartete Gäste waren Elsbeth Maag aus dem sanktgallischen Buchs und die Stadtglarnerin Margrit Brunner.Angekündigt waren Einblicke in den zeitlich und inhaltlich weite Räume umfassenden Briefwechsel, Lesungen aus den Poesie – Anthologien Quadriga Nr. 2 und 3 und – dazwischen liegend – aufmerksames kulinarisches Verwöhnen, das durchaus Bezüge zu Gelesenem hatte.

Elsbeth Maag

Elsbeth Maag ist in ihrem Denken, Handeln und Schreiben in Einigem mit dem literarischen Schaffen von Margrit Brunner vergleichbar. Beide wissen sich mit der Natur, dem hingebungsvollen Lesen von Werken anderer Autoren, Bildern, Musik, Kulinarischem, dem Aufnehmen und Umsetzen vieler Eindrücke, die zu Erkenntnissen werden, spürbar nachhaltig verbunden. In der Reichhaltigkeit der Briefwechsel kam das mit einer packenden Innigkeit zum Tragen. Es war ergreifend, mit welch blumiger Schönheit in zuweilen recht Intimes, dann wieder Wirbliges, Farbiges, ins Spiel der Winde oder die Bewegtheit des Wassers unnachahmliche Einblicke gewährt wurden.

Margrit Brunner

Dass sich die beiden Lyrikerinnen, so Margrit Brunner zu Beginn, seit 1997 kennen, sich aber kaum gesehen, sondern gar häufig geschrieben hätten, wirkte glaubhaft. Dass sich im Laufe der Briefwechsel mit gar verschiedenen Inhalten – hin und wieder einfach aus dem Alltag, von irgend einem Esstisch aus, dann wieder tief in der eigenen Natur, dem hingebungsvollen Zuhören, Abwarten, Ermuntern. Mitgeniessen, Nachhaken, Anfragen, Zitieren von Gelesenem beschäftigt – Inhalte ergaben, deren Bekanntgeben auch Mut erforderte. Mut, dem Fremden Einblicke in ganz Persönliches zu gestatten, ihm beim Mitvollziehen Gastrecht zu gewähren. Das machte die Schönheit dieses Begegnens aus, wortreich nachwirkend, dank vieler Aussagen in Vielsagendes mündend. Die zahlreichen Briefwechsel inhaltlich fassbar zu machen, sie zu charakterisieren, fällt schwer. Man kann übers Mitteilen, Begleiten, Tratschen, Geniessen, Erfragen, Erahnen und anderes schreiben, ohne konkret zu werden, auf Details einzugehen. Sommer, Ferien, Wehmut, Abschied aus einem vollen Jahr, Gesang, kleine Antworten auf viele Zeilen, Vorfreuden auf Reisen, Stille und Hineinhören, das Wahrnehmen von Geräuschen, mannigfaltige Begegnungen, hin- und herfliegende Worte, das Leuchten der Bäume, die stille Herzlichkeit zwischen zwei mit viel Reife und Behutsamkeit Schildernden, lassen bei den Hinhörenden Genuss, Anerkennung, Hingabe und Staunen aufkommen. Die Inhalte dieser Briefe sind für die Schreibenden kostbar, nicht flüchtig Hingeworfenes, bald wieder Entschwindendes. Das behutsame Spiel mit kostbaren Momenten mündet in Aussagen, die fast lehrbuchhaft für jene sind, die Rhetorik auf ihre Fahne geschrieben haben. Sie werden merken, dass zuweilen mit ganz wenigen Worten enorm viel ausgesagt werden kann.Die Sonne scheint durch die Wörter – lässt das nicht einen grossen Deutungsspielraum zu ? Man wurde mit dieser Lesung richtiggehend verwöhnt, mit poetischem Reichtum beschenkt. Man wurde ermuntert, den Steinen zu folgen, der zappeligen Birke zuzusehen, den Weg der Wolke oder die Kraft der Sonne in sich aufzunehmen.

Und nach dem Gedankenaustausch bei Speis und Trank wurden die Inhalte jener Gedichte wach, die in gedruckter Form vorliegen, gelesen wurden und nochmals zu Inhalten aus den Briefwechseln zurückführten.

Es war ein Begegnen mit Innigkeiten, wortkargen Schönheiten, ein Auseinandersetzen mit Anmut, Würde, leisem Humor, innerer Reife, Suchen und Festhalten von zuweilen luftig Kostbarem.