Die Stunde der Kreativen

Für diese Sitzung hatte Landratspräsidentin Daniela Bösch-Widmer die Traktandenliste reich und mit kontroversen Themen befrachtet. Denn im Gegensatz zu den heiss diskutierten Wahlen werden im Glarnerland vor allem Sachthemen heiss diskutiert. Und es gab diesmal einige sehr kreative Vorschläge.



Der Landrat vereidigt Rafaela Hug und Nils Birkeland. (Bilder: e.huber)
Der Landrat vereidigt Rafaela Hug und Nils Birkeland. (Bilder: e.huber)

Neu im illustren Gremium des Landrates vereidigt wurden Rafaela Hug (FDP) und Nils Birkeland (GLP) und Andrea Van Houtven wird für den Rest der Amtsdauer als Staats- und Jugendanwältin gewählt. Nadine Landolt Rüegg beantragt bei der Änderung der Bauverordnung die Ergänzung «in geschützten Ortsbildern mit Erhaltungsziel A», damit es einfacher sein soll, dort Wärmepumpen und Solaranlagen zu genehmigen. Kommissionspräsident Christian Marti verweist auf die aktuelle Bundesgesetzgebung, Regierungsrat Thomas Tschudi hält dagegen, dass die neu geforderte Formulierung ungenau sei und zu einem Vollzugsproblem führe, falls die Bundesverordnung angepasst werde. Mit 43:10 Stimmen bleibt man beim bestehenden Text. Landolt Rüegg beantragt bei Artikel 74, dass bei Heizungsaustausch das Meldeverfahren ausreichen soll. Marti hält dagegen, die Verordnungsanpassung erleichtere jetzt schon viel. Zudem sei auch das Meldeverfahren ein Baugesuchsverfahren. Regierungsrat Tschudi erwartet bei der Neuerung Landolt keine Vereinfachung, sondern eher eine Gefährdung. Mit 34:20 Stimmen bleibt man beim bestehenden Text. Das Gesetz wird angenommen, ebenso die Verordnungsänderung zum Energiegesetz sowie die Verordnung zur Flächen- und Immobilienentwicklung.

Bildungsgutschriften

Den Memorialsantrag von Nils Landolt zur Schaffung von Bildungsgutschriften empfiehlt Kommissionspräsident Albert Heer zur Ablehnung. Die neu vorgeschlagene Privatschulregelung, welche diese weitgehend durch die Gemeinden finanzieren wolle, kenne kein anderer Kanton. Das würde die Gemeinderechnungen mit 460 000 Franken jährlich belasten. Marius Grossenbacher ist namens der Grünen dagegen, der Antrag untergrabe die Volksschule. Laut Sarah Küng will auch die SP Ablehnung. Gerade die Volksschule garantiere allen eine angemessene Bildung. Zudem entziehe der Antrag der Volksschule nötige Mittel. Namens der SVP beantragt Yvonne Carrara ebenfalls Ablehnung. Eltern müssten – selbst mit Bildungsgutschrift – wohl noch für die Schule zahlen, was zur Zwei-Klassen-Bildung führe. Zudem führe das zu Planungsunsicherheiten in der Volksschule. «Das ist ein Experiment, was nicht gutgehen wird.» Auch Priska Müller Wahl will die Ablehnung namens der GLP. Zwar könnten Inputs von aussen für die Schule hilfreich sein, doch dieser Antrag würde die Gemeindebudgets zu stark belasten. Landammann Kaspar Becker verweist als Bildungsdirektor auf die Stolpersteine des Antrags. Dieser wird der Landsgemeinde zur Ablehnung unterbreitet.

Politische Partizipation

Kommissionspräsident Samuel Zingg beantragt diese Verfassungsänderung anzunehmen. Man wolle mehr Personen den Zugang zur politischen Partizipation erleichtern – etwa mit der Übersetzung von Vorlagen in einfache Sprache. Sarah Küng spricht sich namens der SP für Eintreten ein, auch um Lösungen für Menschen mit Behinderungen zu finden. Franz Landolt ist namens der GLP ebenfalls dafür. Die Vorlage sei aber nur teilweise gelungen. Die Stimmlokale sollten erweitert und länger geöffnet werden. Auch Emil Küng spricht sich namens der SVP für die Vorlage aus. Die Vorlage verzichte auf Experimente. Hans Schubiger votiert namens der Mitte, es gebe zwar kein einfaches Rezept für mehr Partizipation, über Wahllokalöffnungen aber sollten die Gemeinden entscheiden. Landammann Kaspar Becker findet es «eigentlich verrückt», dass man im demokratischen Kanton die Partizipation fördern müsse, man könne diese aber nicht erzwingen. Bei Artikel 57a reicht Frederick Hefti die Kann-Formulierung nicht, er möchte namens der Grünen hier ein Soll. Unterstützung bei der Stimmabgabe von Menschen mit Behinderung solle ein klarer Auftrag an den Regierungsrat sein. Laut Emil Küng wird der Artikel mit Soll «justiziabel». Zudem könnte es die Gewaltenteilung verletzen, da hier plötzlich die Gerichte bemüht werden können. Landammann Kaspar Becker unterstützt Küngs Argumentation – sie sei staatspolitisch wichtig. Zudem schränke schon die Kann-Formulierung allfällige Willkür ein. Hefti unterliegt mit 39:14 Stimmen. Sabine Steinmann beantragt namens der SP, den Gratis-ÖV nicht zu streichen, sondern diesen in die Verfassung zu schreiben. Die Zugfahrt an die Landsgemeinde sei ein Ort für den Austausch, der Politik attraktiv mache – deshalb solle sie weiter gratis sein. Peter Rothlin beantragt Ablehnung, da so ein neuer Vorschlag grundsätzlich den politischen Prozess durchlaufen müsse. Matthias Schnyder unterstützt ihn, ist aber dafür, die Stimmrechtskarte als Ticket zu erklären. Sabine Steinmann findet, dass auch die Kinder dabei sein müssten. Hans Schubiger fordert ebenfalls eine saubere Vorlage. Der Landammann findet es zumutbar, das Billett für die Landsgemeinde selbst zu zahlen. Es wäre aber definitiv unseriös, dies jetzt in die Verfassung aufzunehmen. Steinmann unterliegt mit 35:17 Stimmen. Bei Artikel 31, Abs. 2 (und 34b) stellt Mathias Zopfi Streichungsantrag. Man könne auch zwei Wochen vorher zur Wahl antreten, eine Namensliste diskriminiere diese Kandidaten. Namens der SVP unterstützt Peter Rothlin Zopfi. «Es gehören nur offizielle Zettel in die Unterlagen. Namenslisten sind Wahlwerbung – es sind Wiederwahllisten.» Landammann Becker verteidigt die gedruckte Namensliste als zusätzlichen Dienst am Bürger. Zopfis Streichungsantrag setzt sich mit 41:12 Stimmen durch. Mathias Zopfi stellt bei Artikel 34a den Antrag einer elektronischen, stets nachgeführten Liste und das Anmeldeverfahren bis zum 9. Tag vor der Wahl zu verkürzen. Zopfis geänderter Artikel setzt sich mit 37:14 Stimmen durch. Peter Rothlin verlangt zum Artikel 90a Klärung zu den dort genannten Pilotprojekten. Dies soll zur zweiten Lesung erfolgen.

Mehr Slow am Sunday

Kommissionspräsident Christian Marti argumentiert bei den Slow Sundays, massgebend seien der Wunsch der Landsgemeinde und die Diskussion der eingeschränkten Freiheiten. Kaj Weibel findet, dass der Auftrag der Landsgemeinde mit der erarbeiteten Vorlage nur ungenügend umgesetzt ist. Franz Freuler unterstützt die Anträge von Kommission und Regierung namens der SVP. Dominique Stüssi findet namens der Mitte, es seien drei Sonntage gemeint, und auch die «ganze Sackbergstrasse» gehöre da nicht rein. Stefan Muggli beantragt namens FDP die Regierungsfassung – also drei Tage und an diesen 07.00 bis 19.00 Uhr. Ausnahmebewilligung für den Tourismus seien unbürokratisch zu gewähren. Landesstatthalter Andrea Bettiga setzt sich für die Regierungsfassung ein, da sie Rechtssicherheit schaffe und den Willen der Landsgemeinde umsetze. Marius Grossenbacher beantragt in der Detailberatung namens der Grünen, jeweils am letzten Sonntag des Monats (Juni, Juli, August, September) das Klöntal autofrei zu halten, den September also dazuzunehmen. Im Kontext der Debatte habe die Landsgemeinde über mindestens vier Tage debattiert. Dem widerspricht Landesstatthalter Bettiga, es sei über vier gesprochen worden. Grossenbachers Antrag unterliegt mit 16:37 Stimmen. Adrian Hager setzt sich für zwei autofreie Sonntag ein, ebenso Christian Marti. Gegen die Kommission entscheidet sich der Landrat mit 15:35 Stimmen für drei statt zwei Tage. Regula Keller beantragt das Fahrverbot von 07.00 bis 19.00 Uhr festzuschreiben. «Pacific» unterwegs sein habe nämlich Vorteile. Martin Baumgartner setzt sich namens der SVP für die Kommissionsfassung ein. «Vier Sonntage gehen mir zu weit.» Zudem solle man vor 08.00 Uhr auch ins Klöntal kommen. Mit 33:20 Stimmen entscheidet sich der Landrat für die regierungsrätlichen Sperrzeiten 07.00 bis 19.00 Uhr. Kaj Weibel beantragt, die Sperrung ab der Grenze zum Klöntal, die Sackbergstrasse solle also gesamt gesperrt werden. Andreas Luchsinger beantragt hier Ablehnung, niemand habe unter dem Klöntal den Sackberg mitverstanden. Laut Bettiga hat die Polizei die Möglichkeit, Gemeindestrassen zu sperren, aber es sei um das Klön-Tal gegangen und nicht um Sack-Berg. Benjamin Kistler unterstützt Weibels Antrag namens der SP, er befürchte, dass der Verkehr auf den Sackberg ausweiche. Franz Freuler und Christian Marti argumentieren dagegen. Zudem widersprechen sich die Materialien, wo das Klöntal beginnt. Weibels Absatz zur Sperrung an der Grenze zum Klöntal unterliegt mit 14:40 Stimmen. Frederick Hefti will nur «notwendige», nicht «begründete» Ausnahmen zulassen, unterliegt aber. Das Geschäft geht in eine zweite Lesung. Nach ihren Mitteilungen schliesst die Landratspräsidentin um 12.30 Uhr. Die nächste Sitzung findet am Mittwoch, 20. November, statt.