Die Tochter aus gutem Haus und der Industriellensohn – Rosine Hösli und Jaques Jenny – Teil 1

Im Obergeschoss der «Baumwollblüte» an der Ennendaner Fabrikstrasse ist eine Ausstellung entstanden, die es, wie man so schön sagt, «in sich hat». Es handelt sich um zuweilen recht Unromantisches, um Leben und Arbeit, Textil- und Schulgeschichtliches, Reisen in der damaligen Zeit, Leben der Bediensteten und deren Kontakte zu den jeweiligen Herrschaften, Lokalpolitisches, Ennenda, Glarus und das aargauische Sarmenstorf. Wer an derartigen Geschehnissen interessiert ist, genügend Zeit aufwendet und «altmödigs Verzelle» mag, ist über Stunden hinweg bestens aufgehoben.



Reto Daniel Jenny
Reto Daniel Jenny

Das sorgsam Präsentierte ist eine wahre Fundgrube, ist ein Gang durch Jahrzehnte, ein Auseinandersetzen, das glücklicherweise auch in Buchform erhältlich ist. Die einzigartig wechselvolle Geschichte handelt von Rosine Hösli (1834 – 1909), der Tochter aus dem stadtglarnerisch guten Haus und dem Ennendaner Industriellensohn Jaques Jenny (1821 – 1893).

In ausserordentlich sorgsamer, kluger Art haben Gertrud und Paul Wyrsch-Ineichen einen Fundus zugänglich gemacht, der aufwändiges Forschen, den Gang durch viele Archive, das Studieren vieler Zeitdokumente und das übersichtliche Präsentieren bedingte.

Die Ausstellungsinhalte beschränken sich nicht auf das kinderlos gebliebene Ehepaar. Im OG samt Treppenhaus hat es mehrere Vitrinen und viele Dokumente an den beiden Wandflächen. Und da ist grad zu Beginn nachzulesen, wie gross «Abneigungen und Widersetzlichkeit gegen den damaligen Erziehungsrath» waren – dies anno 1812. Die Schulverantwortlichen in Niederurnen, Netstal und der «Hauptgemeinde Glarus» erliessen Gesetze für die «Meldung bei Interesse an einer Elementarlehrerstelle». Nachzulesen ist unter anderem auch, dass Nidfurn und Rüti seit 1831 Lehrer beschäftigten.

Und wer sich für «Leitsätze für ein erfolgreiches Geschäftsleben» interessiert, wird über folgende Zeilen wohl schmunzeln und daran denken, dass einiges heute noch Gültigkeit hat. So seien erwähnt:

«Gesundheit ist besser als Reichtum»
«Zufriedenheit macht glücklich»
«Muss ist ein bitteres Kraut»
«Lust und Lieb zu einem Ding, macht alle Müh und Arbeit ring»
«Wer entbehren kann, ist reich»
«Alles in der Welt ist eitel»

Und es schliessen Benimm-Regeln an, die Frauen als «L `esprit du conduite» zusammengefasst haben.

Und Rosines Eintritt ins Ruepp`sche Töchterinstitut in Sarmenstorf (1849 – 1851) erlaubt weitere Einblicke. So hatte jede Tochter mitzunehmen: Heimatschein, Bett, Besteck, Regenschirm, Näh- und Strickgeräte, sechs Leintücher, zwei Anzüge, ein Betteppich. Angefügt sind in diesem Teil Zeugnisse mit der Bewertung von 17 Bereichen, wie Gitarre, Lesen, Gesang, Pädagogik, Deutsch, Französisch, Formenlehre, Betragen und anderem.

In diese Zeit fallen 20 Briefe aus der Heimat, die der Vater seinem Rosineli schrieb.

Man spürte die innige, tiefe Verbundenheit, wenn der Vater im ersten Brief schreibt: «Deine zärtlichen Gesinnungen gegen mich, deine guten Vorsätze, sowie dein Wohlbefinden haben das Herz deines Vaters wohltuend erfreut … seit deiner Abwesenheit hat sich das Heimweh nach meiner seligen, edlen Gattin in seiner ganzen Macht eingestellt. Wenn du bisweilen Anfälle von Heimweh haben solltest, so bekämpfe diese Krankheit, und bedenke, dass die Zeit unseres Wiedersehens mit jedem Tag kürzer wird.»

Die Berichte der Glarner Industrietochter an ihren Vater und andere Personen sind nicht erhalten.