Die Wahrheit über das Filmgeschäft

Zwei Dinge, die ich seit Drehbeginn gelernt habe. 1. Filme machen ist kein Spass, 2. Filme machen ist ein Spass.



Filmemacherin Anita Blumer: 1. Filme machen ist kein Spass
Filmemacherin Anita Blumer: 1. Filme machen ist kein Spass

Klar, es handelt sich um eine Low-Budget-Produktion, bei der ich Vieles selber mache, was die Sache noch etwas unangenehmer und anstrengender macht. Doch ich weiss, dass auch Hollywoodfilme unter grossem Zeit- und Gelddruck produziert werden, was für alle Beteiligten bedeutet, dass sich für die Zeit vor, während und nach dem Dreh ihr Leben nur um eine Sache drehen wird: um diesen Film. Kann ja sein, dass es Leute gibt, denen das gefällt. Diese Leute nennt man Workaholics, und ich gehöre nicht zu ihnen. Folglich ödet mich die Filmemacherei langsam an und ich sehne mich nach meinem Leben, nach meiner Freizeit, nach meiner Freiheit! Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass es sich mit dem Filmgeschäft so verhält wie mit dem Kinderkriegen. Die Geburt eines Kindes, aber auch die darauf folgende Säuglingsbetreuung, ist die reinste Tortur und Extrembelastung für einen Menschen, aber Mütter und Väter vergessen ziemlich schnell die Intensität dieses Schmerzes und Stresses, sodass sie sich in vielen Fällen sogar zu weiteren Kindern entschliessen, obwohl die Erfahrung sie gelehrt hat, dass es kein Spass ist. Die Erinnerung macht aus dem eigentlichen Horrorerlebnis ein intensives, schönes, bewusstseinserweiterndes Erlebnis. Ähnlich wie ein Kind, lenkt der Film auch vom eigenen Leben ab, denn alles dreht sich nur noch um die Bedürfnisse des Filmes: Was braucht er, damit er gedeihen kann? Ihm wird alles untergeordnet. Am intensivsten während der Drehphase, der vermutlich empfindlichsten Phase des Produktionsprozesses. Während dieser Zeit arbeiten zirka 30 Leute nach einem minuziös abgestimmten Drehplan, den einzuhalten zu den obersten Drehgeboten gehört, weil Nachdrehs und Verschiebungen kaum möglich sind. Der Drehplan hat oberste Priorität. Zugunsten seiner Einhaltung werden im schlimmsten Fall Einstellungen oder gar Szenen gestrichen. Klingt nicht gerade kreativ. Ist es auch nicht. Es ist eine sehr technische und organisatorische Angelegenheit, bei der im besten Fall hin und wieder ein kreativer Moment aufblitzt. Heute haben wir die Hälfte des Drehs hinter uns und gemäss gängiger Logik werden auch die restlichen Drehtage vergehen. Womöglich werde ich dann erst den Spass, den wir haben, zu würdigen wissen.