Die Weihnachtskiste aus Berlin

Ein gelber Schein im Briefkasten: So einige Menschen bescherten der Post in den letzten Tagen reichlich Arbeit. So legte mein persönliches Weihnachtspaket über 850 Kilometer zurück und bescherte mir die eine oder andere Träne vor Rührung.



Mein persönliches Weihnachtspaket legte über 850 Kilometer zurück. (Bilder: j.krappe)
Mein persönliches Weihnachtspaket legte über 850 Kilometer zurück. (Bilder: j.krappe)

Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, in der meine Schwester Babette (kurz Betty) und ich schon Wochen vor Weihnachten immer wieder die Schränke unserer Eltern nach Geschenken durchstöberten. Schon bevor der «Weihnachtsmann» uns «überraschte», hatten wir die Geschenke längst unter uns aufgeteilt. Der Husky-Plüschhund sollte meiner sein – der Bernardiner-Plüschhund ihrer. Über 20 Jahre lang ist er nun schon bei ihr daheim – im 850 Kilometer entfernten Falkensee bei Berlin.

855 Kilometer liegen zwischen meinem neuen Heim in Linthal und meinem alten Kinderzimmer in Berlin. Mit Smart eine Autofahrt von rund zehn Stunden. Mit Smart ging es heute zur Linthaler Post. 11.20 Uhr (zehn Minuten, bevor die Post die Türe schloss) nahm ich meine Weihnachtskiste in Empfang. Fast schon peinlich berührt, so ein grosses Paket zu bekommen, düste ich dann damit nach Schwanden. Bei Coop wollte ich wenigstens noch ein paar Sachen für die Feiertage kaufen. Eine Panetone für Martin und ein paar Weihnachtsguetsli, denn zum Selbstbacken nahm ich mir vorher keine Zeit. An der Kasse dachte ich an die leckeren Kekse meiner Mutter – Vanillegipfel, Orangen-Schoko-Kekse und wie sie alle heissen.

Traumhafte Frühlingstemperaturen bis 20 Grad und ein strahlend blauer Himmel versprachen so einige Lawinenabgänge. Also fuhr ich Richtung Schwändi, schoss wieder Dutzende Fotos vom Tödi und einige von Lawinenabgängen. Doch wirklich passend für Weihnachtsbilder sind sie nicht, also öffnete ich mein Weihnachtspaket und platzierte es im Schnee. In der Nase hatte ich den feinen Geruch von geräuchertem Fleisch – eine Spezialität meines Vaters, die eingehüllt in einer wunderschönen Tischdecke unter den Geschenken lag. Im Blick hatte ich die Kekse: Es sind genau die Kekse, an die ich kurz zuvor dachte.

Mit Blick auf den Tödi telefonierte ich mit meiner Mutter, erzählte ihr von den Föntagen im Glarnerland, den Lawinenabgängen und davon, dass es hier wieder an einigen Stellen grüne Wiesen gibt. Kaum zu glauben, denn geplagt von den Schneemassen in den letzten Tagen/Wochen zuhinterst im Zigerschlitz wünschte ich mir zugegebenermassen eher grüne als weisse Weihnachten.

Für uns Deutsche klingt das Wort «Lawine» schon ziemlich bedrohlich, doch konnte ich meiner Mutter die Angst nehmen, denn die Lawinen entluden sich ja lediglich an den Felswänden und kommen in Glarus Süd doch kaum jemandem zu nahe – anders natürlich in Netstal, doch bis dahin zog es mich heute nicht. Bis ins Tierfehd ging mein Weg heute noch, doch hatten sich die Lawinen dort längst entladen, dafür konnte ich auf dem Rückweg noch ein paar Bilder von zwei Gämsen machen. Sie sonnten sich auf der dank Schneebrett freigewordenen Wiese.

Die Geschenke werde ich traditionsgemäss erst am Abend öffnen (daran merkt man, dass man erwachsen wird, früher hätte ich mich nicht zurückhalten können), doch etwas ganz Besonderes liegt jetzt schon neben mir – es war allerdings auch nicht verpackt. Es ist «Bettys Weihnachtsgeschichte».

Meine Schwester tippte in der Kindheit eine Geschichte nach der anderen auf der damals recht modernen Schreibmaschine unserer Oma. Von Fabeln über Märchen, ihre Fantasie schien keine Grenzen zu haben. Warum auch immer hörte sie eines Tages auf. Doch eine Geschichte überlebte dank unser lieben Oma all die Jahre. Irgendwann wünschte ich mir von Babette eine neue Geschichte, nun ist sie da und hat etwas mit dem Leben im Glarnerland zu tun.

Was macht das Weihnachtsfest eigentlich aus? Sind es Geschenke, ist es das Miteinander oder einfach das Aneinander denken? Mit dem Paket hielt die weihnachtliche Stimmung Einzug. Für mich ist es die Familie, die die Weihnachtstage zu etwas Besonderem werden lassen und auch wenn uns an diesen Tagen 855 Kilometer trennen, ist man doch irgendwie beieinander.

Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen schöne Weihnachten und ein herzliches Miteinander – natürlich nicht nur an diesen Tagen.