«Die Zauberorgel» in Braunwald – Spiel in der Tödihalle

Die Bruuwalder Spiellüüt mit ihrer sagenhaft kreativen Regisseurin Ursi Kessler zeigten sich über vier ausverkaufte Vorstellungen hinweg in bester Spiellaune, keck, witzig, leidenschaftlich – dies in oft «Die Zauberorgel» in Braunwald-Spiel – in der Tödihalle verschiedenen Rollen. Sie meisterten ein ungemein grosses, zuweilen gar langfädiges Geschehen mit einer Hingabe, die mehr als bemerkenswert ist.



«Die Zauberorgel» in Braunwald – Spiel in der Tödihalle

Alles drehte sich letztendlich um die Erkenntnis, dass es weit besser kommt, wenn man sich hilft, geduldig hinhört, das Positive sucht und lebt und dass kränkender Spott, Ausgrenzen, masslose Gier, Falschheit, Lügen, ungestümes Dreinreden und unbotmässiges Übertreiben nie und nimmer zum Guten führen. Die Zauberorgel machte es möglich. Ihr Spiel wirkte wundersam, half Kranken, Frierenden, vermochte traurige und trübe Gedanken flugs wegzuputzen und konnte ganz schön kratzbürstig tun, wenn sie von den falschen Leuten in Gang gesetzt wurde.

Das Zusammenfügen des von Jörg Schneider einst verfassten Geschehens ist sehr fordernd. Das Entscheiden übers Ausschmücken oder Weglassen, das Verbinden der vielen kurzen Sequenzen zu spannenden und kurzweiligen Auftritten war schwierig. Und dass das Spiel samt wohlverdienter Pause mit offerierter Verpflegung durch die Firma Holzbau AG in Braunwald etwas mehr als drei Stunden dauerte, bedeutete auch für die vergnügt und sehr aufmerksam Hinhörenden eine gewisse Herausforderung. Für die Spiellüüt schien das kaum einmal problematisch, überfordernd zu werden. Dieses Ensemble hatte eine riesig gute Bühnenpräsenz. Und das ist Grund zu hoher Bewunderung und Wertschätzung. Da gestalten Jüngste bis hin zum Pensionierten mit einer Leichtigkeit alles aus, was vorgegeben ist. Es wird getanzt, gesungen, gefragt, geurteilt, Partei ergriffen, rumgegiftelt, getröstet, gelacht, liebevoll geholfen. Man fällt in riesige Verzweiflung, wenn es angesagt ist, kann auch jubeln, verzagt verharren, hinhören oder einfach schaurig neugierig tun.

Alles beginnt mit dem Fund auf dem Estrich – es ist die Zauberorgel. Die Geschichte wird von der Oma ((Lara Kessler) den zwei gar neugierigen Kindern erzählt – und schon ist man mittendrin in diesem Geschehen, das mit dem Auftritt von Rägeli (Jenny Müller) beginnt. Sie ist die Tochter des Chübelimaa (Ueli Oester). Sie wird von einigen Schulkindern (Deborah Appoloni, Sarina Schuler, Tobias Appoloni) ungnädig verspottet. Riesige Armut, Rumzigeunern, seltsame Beschäftigung des Vaters, der ja nur Kessel und anderes flickt genügen, um gnadenlos und verletzend zu urteilen. Und das gemäss Erzählung der Oma in einer Stadt, in der sich alle fast unablässig zu grüssen pflegen, sich nach dem Befinden des Mitbewohners erkundigen. Dass der Lehrer (Hanni Erb) die Kinder tüchtig zurechtweist und elend pädagogisch tut, vermag die Schulpflichtigen nicht stark einzuschüchtern. Da platzt der Polizist (JacquelineJenny) in die Szenerie, angefahren auf einem tollen Trottinett samt unüberhörbarer Klingel. Er teilt den Städtern mit, dass der König beinahe todkrank sei. Wer ihn heilen könne, erhalte eine ungemein riesige Belohnung. Das weckt einerseits Gier und Lust auf Bereicherung, fördert die niedrigen Instinkte, die da Habgier, Zusammenraffen und Reichtum heissen, führt andere dazu, selbstlos zu helfen.

Und so lernt man das Apothekerpaar Bitterli (Monika Müller, Lukas Reichenbach) kennen.

Sie spielen eine Vermischung von Ehrlichkeit (wenn es denn mal angezeigt ist), Geiz, Verbissenheit, leichter Dummheit und unfassbarer Habgier aus. Treibende Kraft ist eindeutig die Apothekersgattin, die elend hüfteschwenkend rumscharwenzelt, sich beim König mit all ihren Bücklingen gewiss Rückenschmerzen der gröberen Art einhandelt, vor dem skrupellosen Raub der unbewachten Orgel nicht zurückschreckt. Der gerechten Strafe entgehen beide nicht, nach langem Hin und Her der vielen Geschehnisse.

Der Chübelimaa und Rägeli gehen alles viel sympathischer, mitmenschlicher an. Sie haben ja die Orgel und stossen im Verlaufe der mehrmonatigen Wanderung zum kranken, klagenden König (Gabriela Heer) auf viel puzzlige, zuweilen enorm reizende Gestalten. Alle haben sie ein gar grosses Herz, äussern viel Verständnis in Situationen, die durchaus bedrohlich enden könnten – würde man sich nicht immer helfen. Da sind die Vogelscheuche mit Namen Hudli (Tina Hinnen), der reizende Schneemann Schneebeli (Debora Appoloni) und das Pilzfraueli (Ursi Hutter) willkommene Weggefährten. Sie warnen, helfen, mahnen.

Und immer wieder ist es die Orgel, die mit ihrem Klang da ist. Musik ist so wichtig, man trägt sie im Herzen, sie geht nicht verloren. Mit diesem Wissen ist der Weg zum guten Ende vorgegeben. Da werden der leblosen Schneemann und sein treuer Gefährte Schneebeli grad wieder purlimunter. Dani Stüssi, einer der Swisstenöre, besingt Schönheiten, äussert sich zum wechselvollen Geschehen – stets gekonnt und mit liebenswürdiger Zurückhaltung.

Es dauert 333 Tage, durch alle Jahreszeiten und ihre Gefahren hindurch, bis das Schloss erreicht ist – zuerst von den Apothekers, die nun wirklich sagenhaft aufdringlich und übermässig beflissen tun. Das kann nicht gutgehen. Habgier und grenzenloses Zusammenraffen haben die beiden um den Verstand gebracht. Sie büssen dafür.

Dass zwei reizende Pagen und der Hofmeister sich sagenhaft um den König kümmern, mit dessen divaähnlichem Getue restlos gut zurechtkommen und am Können der beiden Leibärzte Balsamarius und Salbadorius berechtigt zweifeln – was der eine stets sagt, hält der andere für absolut falsch – ist mehr als verständlich.

Für die Apotheker war der Weg zum Schloss nicht der direkteste, aber sie merkten nicht, dass sie in die Irre geführt wurden. Sie werkeln sogar am Steg rum, damit er auch ja zusammenkrache, wenn die andern dereinst drübergehen.

Und nach gewaltigem Hin und Her, humorvollen Reimen, überdeutlichen Äusserungen kommt es zum ersehnten, erwarteten Happyend. Schöner und harmonischer könnte es gar nicht sein. Der Chübelimaa und Rägeli erhalten die riesengrosse Belohnung, dürfen im Schloss wohnen und werden alles an die Bedürftigen so verteilen, dass es allen wirklich besser gehen wird.

Der vereint riesige Beifall galt nicht nur den wirbligen Darstellern sondern auch ganz vielen, die für alle Kostüme, das Schminken, die raffinierten Kulissen, die Beleuchtung, die grosse Menge an Requisiten und den Bühnenaufbau im Einsatz waren. Wieder andere unterstützten das Zustandekommen so bereitwillig und grosszügig. Es war ein Gemeinschaftswerk geworden, das in hoffentlich vielen Herzen weiter bestehen wird, auch dank den Klängen der Zauberorgel in Braunwald.