Die Zeit ist aus den Fugen – Musik und Statements

Im Rahmen der vielfältigen Angebote anlässlich der Musikwoche Braunwald liessen sich die Organisatoren auf ein Experiment ein – wie Michael Eidenbenz, künstlerischer Leiter, bei seiner Begrüssung hervorhob. Schon im «Hamlet» stellte Shakespeare ernüchtert fest, dass die Zeit «aus den Fugen» sei und meinte damit das Tun und Treiben seiner Zeit. An bedauerlicher Aktualität hat diese Aussage rein gar nichts eingebüsst. Aus einer riesigen Menge von Kontroversem zu diesem Thema haben Schülerinnen und Schüler der Klasse 4F der Kantonsschule Glarus und ihre Lehrkraft Sabine Aebli das ausgewählt, was sie beschäftigt und zwischen den Zuhörenden und Jugendlichen ansatzweise zu Kurzdiskussionen führte.



Die Pianistin Ana-Cristina Silvestru. (Bilder: peter meier) Mitwirkende und Zuhörende. Die Pianistin Ana-Cristina Silvestru. Die Klasse 4F der Kantonsschule Glarus. Verantwortliche für Ansage und Zeitmanagement. Aus einer der verschiedenen Szenen.
Die Pianistin Ana-Cristina Silvestru. (Bilder: peter meier) Mitwirkende und Zuhörende. Die Pianistin Ana-Cristina Silvestru. Die Klasse 4F der Kantonsschule Glarus. Verantwortliche für Ansage und Zeitmanagement. Aus einer der verschiedenen Szenen.

Eidenbenz verdankte das nicht selbstverständliche Engagement der Jugendlichen, die mit bedeutsamer, erfrischender Selbstverständlichkeit und Offenheit auftraten. Die Pianistin Ana-Cristina Silvestru, 1983 in Rumänien geboren, mit vielen Preisen ausgezeichnet und regelmässigen Gastspielen auf wichtigen Bühnen in Japan, Israel, Frankreich, Deutschland, Holland, Spanien und unserem Land wartete mit meisterhaft Interpretiertem von Alexander Nikolajewitsch Skrjabin (1871 – 1915), Dinu Lipatti (1917 – 1950) und Maurice Ravel (1875 – 1937) auf. Diese kunstvollen musikalischen Akzente waren Teil der Nachmittagsveranstaltung, an der sich für einmal Jung und Alt trafen, sich kurz austauschten, sich gegenseitig zuhörten und ihre Ansichten ausformulierten.

Die musikalischen Inhalte der verschiedenen Werke korrespondierten ansatzweise mit den Aussagen, Erkenntnissen und kritischen Fragen der Jugendlichen. Es klangen Trägheit, Düsteres, Melancholisches , Wirbliges, in Luftig – Leichtes Mündendes, Sanftheit, grosse Ruhe, Trauer, Sehnen in attraktiven, schnellen Wechseln auf. Die Pianistin gestaltete enorm einfühlend und äusserte sich vor dem jeweiligen Werk zu Teilen des Inhalts.

Die Kantischüler hatten sich gruppenweise mit einem Thema auseinandergesetzt, das für kritisch Hinterfragende, aufmerksame Betrachter, Verantwortliche und eigentlich alle Mitglieder unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist. Es begleitet unser ganzes Leben, alle gestalten aus, tragen mit, agieren – manchmal eigensinnig, egoistisch, unsorgsam, nicht immer derart kompatibel, wie es sein sollte, mahnend, geniessend, polemisierend, im Moment des jeweiligen Seins verharrend. Die Jugendlichen hatten sich riesig sorgsam, auf tolle, einnehmende Art, die modernen Kommunikationsformen einbeziehend, auf dieses Begegnen vorbereitet. Die Sicherheit bei der jeweiligen Präsentation beeindruckte nachhaltig.

Dann ging es los mit der «Braunwald Show». Der erste Teil war dem Thema «Abfall, Überfluss, Littering» gewidmet. Mit kurzen Szenen wurde sensibilisiert. Achtloses Wegschmeissen, Rumhängen, Hippiegetue, Gitarre, Business, umweltverträgliche Produktion, ungerechte Entlöhnung, mangelhafte Bildungsangebote, achtsamer Umgang mit Angeboten aus dem Kaufhaus – dies und anderes kam im Verlaufe kurzer Szenen ab Bühne vor.

Das zweite Auseinandersetzen galt dem Bereich «Rassismus». Aussagen aus Interviews mit einem Zwanzig- und einem Achtjährigen, beide dunkelhäutig, stimmten nachdenklich, machten betroffen. Fazit: «Aes isch, wie`s würggli isch; und das isch eifach uuguet!» Dass rassistische Beleidigungen derart heftig und verletzend sind, wurde schonungslos aufgezeigt. «Was da zu machen ist? Niemand wusste eine hilfreiche, überzeugende Antwort samt positiver Langzeitwirkung.

Wie steht es um die Achtsamkeit, ums mutige Zurechtweisen, den damit verbundenen Umgangston, zu erwartende oder erlebte Reaktionen? Es hätte vieles zu bereden gegeben.

Und ebenso lange und intensiv hätte man sich mit der Technologie, den Einsatz technischer Hilfen und den Einfluss auf die Gesellschaft befassen können. Es wurden Umfragen gemacht, Antworten ausgewertet. Digitalisierung, Vorteile der technischen Errungenschaften, Strukturwandel und anderes waren damit thematisiert. Die Herausforderungen – das ging aus Teilen der Diskussion hervor – sind immens.

Mit «Le Tombeau de Couperin» von Maurice Ravel klang die Vielfalt dieses Begegnens aus. Das kunstvolle Interpretieren führte auf Geäussertes in gewissem Sinne zurück, nochmals kamen stimmungsstarke Momente auf.

Zum fünften der sieben Tage gehörten noch ein öffentlicher Workshop, die Mitgliederversammlung im Seminarraum des Braunwalder Hotels Bellevue und das abendliche Bankett samt Mitwirkung von Absolventen des Meisterkurses.