«Digital First» im Kanton Glarus

Der Regierungsrat genehmigt die Digitalisierungsstrategie. Diese bezeichnet alle Handlungsfelder der Digitalisierung, in denen der Kanton Gestaltungsmöglichkeiten hat. Der Massnahmenplan zeigt auf, wie die Strategie umgesetzt werden soll.



Medienmitteilung des Regierungsrates (Bild: iStock)
Medienmitteilung des Regierungsrates (Bild: iStock)

Der digitale Wandel schreitet immer schneller voran. Er betrifft Menschen und Unternehmen und macht auch vor dem Staat nicht Halt. Die Legislaturplanung 2019–2022 des Glarner Regierungsrates enthält mehrere Massnahmen im Bereich der Digitalisierung. Ein Hauptziel ist dabei die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie für die kantonale Verwaltung (DIGLA). Ein Kernteam unter der Leitung von Ratsschreiber Hansjörg Dürst erarbeitete unter Beizug einer Beratungsfirma die «Digitalisierungsstrategie des Kantons Glarus». Ausserdem werden in einem Massnahmenplan (Roadmap) 40 Massnahmen zur Umsetzung dieser Digitalisierungsstrategie vorgeschlagen. 

Rund 30 Vertreter aus Politik und Verwaltung, Schule und Wirtschaft, Jugend und IT-Spezialisten nahmen daraufhin Stellung zu der vorgeschlagenen Vision und Strategie; die Digitalisierungsstrategie soll alle Handlungsfelder abdecken, in denen der Kanton als Institution Gestaltungsmöglichkeiten hat. Ein Massnahmenplan soll die Ziele und den Zeitpunkt der Umsetzung steuern.

Analyse

Eine im Kernteam durchgeführte Maturitätsanalyse eruierte den Status quo, den Handlungsbedarf sowie die Priorisierung aufgrund von sieben Themenfeldern:

Infrastruktur der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)

Eine zukunftsfähige IKT-Infrastruktur ist eine zentrale Voraussetzung für sämtliche Bestrebungen der vorliegenden Strategie. Der Bedarf nach flexibler und von überall zugänglicher, technologischer Infrastruktur ist hoch.

Neue Technologien

Das Tempo, mit welchem neue Technologien die Marktreife erlangen, steigt zunehmend. Dazu gehören Technologien wie Blockchain, künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge (Internet of Things). Hier gilt es, die Auswirkungen und Potenziale stets im Auge zu behalten.

Kundenbedürfnisse

Die Ausrichtung auf die «Kunden» nimmt in der Digitalisierung einen zentralen Stellenwert ein und wird als Erfolgsfaktor für die zukünftige strategische Ausrichtung betrachtet. Es entstehen laufend neue Kundenbedürfnisse, die es zu identifizieren und zu bedienen gilt. Dies kann durch neue technische Möglichkeiten unterstützt und auch im Angebot beachtet werden.

Neue Strategien und Geschäftsmodelle

Der technologische Wandel und die veränderten Kundenbedürfnisse konfrontieren Unternehmen und Institutionen damit, ihre Kompetenzen und das Leistungsangebot zu hinterfragen. Dabei geht es auch darum, neue Kanäle und allfällige Kooperationen mit Externen zu prüfen.

Organisation, Kultur und Formen der Zusammenarbeit

Der digitale Wandel löst einen Veränderungsprozess aus, der auch die Art der Zusammenarbeit in Unternehmen und Institutionen erfasst. Dazu gehören das mobile Arbeiten sowie neue und agile Organisationsformen, die einen Fokus auf die Kollaboration und die Weitergabe von Wissen legen. Zusätzlich sind meist unterschiedliche oder geringe Kenntnisse und Fähigkeiten bezüglich der Nutzung von Geräten und Software vorhanden, welche hier adressiert werden müssen.

Marketing: Plattformen und Kanäle

Durch die steigende Datenmenge, die von Kunden, Leistungen und weiteren geschäftsrelevanten Bereichen gesammelt werden, liegt unter anderem auch eine Basis für zielgerichtetere Marketingaktivitäten vor. Zu den Möglichkeiten im Digital Marketing gehören (mobile) Plattformen, Kommunikationskanäle, Social Media und Community-Gemeinschaften, welche oft als Kontaktpunkt zum Kunden dienen und daher auf seine Bedürfnisse ausgerichtet werden sollen.

Prozesse und Automation

Insellösungen und fehlende systematische Zusammenarbeit über verschiedene Stellen führen zu langsamen und fehleranfälligen Prozessen sowie Medienbrüchen. Prozesse sollen mithilfe digitaler Technologien automatisiert und vernetzt und so standardisierter, schneller und effizienter gestaltet werden. Es gilt, nicht nur bestehende Prozesse zu automatisieren, sondern die Berechtigung dieser Prozesse kritisch und aus Kundensicht zu hinterfragen.

Zur Einschätzung der digitalen Maturität wurden laufende Bestrebungen im Kanton Glarus und aktuelle Trends im öffentlichen Sektor gegenübergestellt und vom Kernteam bewertet. Es wurde sowohl im Kernteam als auch von den Analysten festgestellt, dass in Bezug zu allen skizzierten Handlungsfeldern ein erheblicher Handlungsbedarf besteht. 

Umfrage bei Nutzergruppen

Parallel zur Maturitätsanalyse wurde von der Kontaktstelle für Wirtschaft eine Befragung durchgeführt. Insgesamt wurden im März und im April des laufenden Jahres 54 Interviews mit Branchenvertretern in Leitungspositionen geführt. Ziel dieser Befragung war, Erwartungen und Befürchtungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung kennenzulernen. Die Rolle des Kantons und strategische Weichenstellungen sollten daraus abgeleitet und geplant werden.

Die Chancen der Digitalisierung überwiegen in den Augen der Befragten klar. Die Jüngeren sind gegenüber der Digitalisierung aber generell skeptischer eingestellt als ältere Befragte über 50 Jahre. Die Auswertung der Interviews hat auch ergeben, dass bei der Bewältigung der digitalen Transformation eine aktive Rolle des Kantons gewünscht wird. Er soll die Menschen für das Thema sensibilisieren, auf die Chancen hinweisen und vorhandene Ängste ernst nehmen. Dabei soll er namentlich in der Aus- und Weiterbildung und in der Anwendung von neuen Technologien eine Vorbildfunktion ausüben. Ausserdem sind digitale Weiterbildungsangebote gewünscht und auch eine flächendeckende Infrastruktur für den Transfer von Hochleistungsdaten. Zwei Drittel der Befragten würden einen Kulturwandel in der Bevölkerung hin zu mehr Flexibilität und Weiterbildungsbereitschaft begrüssen. Über die Hälfte der Befragten erwartet von den eigenen Mitarbeitenden, dass sie neue Technologien selbstverständlich anwenden. Ein Viertel der Befragten sieht die Bevölkerung in der Pflicht, sich weiterzuentwickeln. Gleichviele glauben, dass wegen der Digitalisierung alte und bildungsferne Menschen abgehängt würden. Ein neues Digitalisierungsgesetz soll den rechtlichen Rahmen setzen für eine rasche Umsetzung von E-Government-Projekten, wie etwa der Einführung von elektronischen Identitäten und Signaturen. Die Schaffung einer Fachstelle Digitalisierung könnte helfen, den Digitalisierungsprozess zu beschleunigen. 

Vision

Die Digitalisierung der Gesellschaft birgt viele Chancen, aber auch Herausforderungen. Der richtige Umgang mit ihr ist auch für die Standortattraktivität des Kantons Glarus wesentlich. 

Vision DIGLA

  • Der Kanton Glarus verfügt über schlagkräftige Strukturen, um schnell, flexibel und zielgerichtet die Herausforderungen des digitalen Wandels zu meistern.
  • Die Bevölkerung im Kanton Glarus verfügt über die notwendigen Fähigkeiten, um sich in der digitalen Welt zu bewegen.
  • Die kantonale Verwaltung nutzt die Digitalisierung und gestaltet diese nach dem Grundsatz «Digital First» aktiv mit. Die Menschen und Unternehmen nutzen digitale Dienstleistungen einfach und effizient.

Strategie

Die Digitalisierungsstrategie mit der die Vision umgesetzt werden soll, definiert sechs Handlungsfelder:

Strategie DIGLA

  1. Schaffen von zukunftsfähigen Rahmenbedingungen und Prozessen zur Umsetzung der Strategie.
  2. Höhere Orientierung an Kundenbedürfnissen und Schaffen einer Kultur der Offenheit gegenüber dem digitalen Wandel.
  3. Schaffen attraktiver politischer und finanzieller Rahmenbedingungen für Wirtschaft, Bildung und Forschung.
  4. Bürger/-innen und Arbeitnehmende für den digitalen Wandel befähigen und zur Ausschöpfung von entstehenden Potenzialen aus- und weiterbilden.
  5. Schaffen einer zukunftsfähigen IKT-Infrastruktur.
  6. E-Government digital und kundengerecht ausbauen.

Massnahmenplan

Sämtliche Massnahmen werden priorisiert und auf einen Zeitstrahl gelegt. Ein Massnahmenplan (Roadmap) wurde mit der vorliegenden Digitalisierungsstrategie freigegeben. Er enthält aktuell 40 Massnahmen in den vorerwähnten Handlungsfeldern. Die Massnahmen sollen laufend überprüft und angepasst werden.

Kosten

Eine erste Kostenschätzung rechnet gesamthaft mit einmaligen Kosten von 2,75 Mio. Franken und wiederkehrenden Kosten von 2,1 Mio. Franken für die Umsetzung. Darin noch nicht enthalten sind die Kosten für die eigentliche Digitalisierung der Behördendienstleistungen von rund 2 Mio. Franken. Die Kosten für einzelne Massnahmen sind jedoch teilweise bereits im Budget und den Finanzplänen oder in der Rückstellung für Informations- und Kommunikationstechnologie für die Schulen enthalten. Diese Zahlen sind mit der Umsetzung von Schlüsselmassnahmen 2020 noch vertiefter zu verifizieren.

Schritt für Schritt in die digitale Zukunft

Es werden priorisierte Schlüsselmassnahmen definiert. Dazu gehört die Schaffung einer Fachstelle Digitalisierung und das Bereitstellen der finanziellen Mittel für die Strategie und den Massnahmenplan. Es soll ein Konzept erarbeitet werden, das die Frage beantwortet, welche Dienstleistungen den Kunden in welcher Form angeboten werden sollen. Ausserdem müssen Massnahmen und Projekte in den einzelnen Departementen geplant werden und es muss eruiert werden, welche gesetzlichen Anpassungen notwendig sind. Da die Fachstelle Digitalisierung und somit das Fachwissen noch fehlt, muss dieses extern beschafft werden. Für die Umsetzung dieser Sofortmassnahmen soll im Januar/Februar 2020 dem Landrat ein Nachtragskreditbegehren von 190 000 Franken zulasten des Budgets 2020 unterbreitet werden.

Landsgemeindevorlage 2021

Die weitere Umsetzung der Strategie erfordert eine Landsgemeindevorlage. Die Vorlage wird voraussichtlich ein Digitalisierungsgesetz, eine Rahmenkreditvorlage, die Schaffung einer Fachstelle Digitalisierung sowie die Klärung der Frage, ob und wie die Informatik des Kantons und der Gemeinden (Glarus hoch 3) zusammengelegt werden, beinhalten. Diese Vorlage soll bis Ende November 2020 erarbeitet- und anschliessend dem Landrat unterbreitet werden. Bis dahin müssen alle Eckwerte bekannt sein. Dazu dienen auch die Sofortmassnahmen, die 2020 in Angriff genommen werden.