Doppelbock und Musik? – Bewegendes in Schwanden

Nachgerade haben sich die Musikbegeisterten und - neugierigen, die sich auf Einladung der Verantwortlichen des Kulturvereins Glarus Süd zumeist an einem der Samstagabende im Gemeindezentrum Schwanden zusammenfinden, an die jeweilige «Ausstellung von Instrumenten» gewöhnt, die dem Konzertanten vorangeht. Diesmal war unter der Bezeichnung «Doppelbock» eine stilistische Vermischung von Ohrwurmverdächtigem und ganz anderem ausgekündigt.



«Doppelbock» eine stilistische Vermischung von Ohrwurmverdächtigem und ganz anderem (Bilder: p.meier)
«Doppelbock» eine stilistische Vermischung von Ohrwurmverdächtigem und ganz anderem (Bilder: p.meier)

Man sah den noch in sich ruhenden gewaltigen Kontrabass, Akkordeons in fast allen Grössen, einen Dudelsack, Geige und Gitarre, die Nyckelharpa, allerhand farbige Tücher – eine irgendwie eigenartige und zugleich spannende Vermischung von Kulturgebundenem.

Und wenn alles zum anregenden, kurzweiligen und riesig kunstvollen Zusammenspiel – von willkommenen kurzen Ansagen unterbrochen – gedeiht, darf mit Fug und Recht über hochkarätig Erfüllendes berichtet werden. Im Saal des Gemeindezentrums – es hätte für weitaus mehr Besucherinnen und Besucher Platz gehabt – sah man die Insider, jene, die sich von verschiedensten Konzerten und persönlichen Begegnungen her bestens kennen. Das war ganz klar die Vernetzung des kenntnisreich mitvollziehenden Doppelbock-Fan Clubs. Sie wurden mit Interessierten ergänzt, die mit hoher Anteilnahme alles mitverfolgten, was angeboten war.

Man müsste den persönlichen Wortschatz mit vielen Ausdrücken erweitern, um alles adäquat umschreiben zu können. Entführt wurde man nicht in die gewohnten Welten und Weiten des folkloristischen Brauchtums, wie es sich im Appenzellischen, im schwyzerischen Muotathal, im urnerischen Wassen, in weiten Teilen der Berner Alpen und anderswo abspielt. Da kam weit mehr dazu, urplötzlich, kunstvoll mit Vertrautem verflochten. Das war willkommen spannend, bescherte Vergnügliches, weckte Bewunderung und Anteilnahme gleichermassen stark.

Begonnen wurde mit einem Tanz aus Appenzell, bevor man mit einem gewaltigen Jauchzer ins Muotathal entführt wurde. Alle wurden mit grosser Herzlichkeit willkommen geheissen, zuerst von Christine Lauterburg, bunt gewandet, derart geschminkt, dass Theatralisches mit starker Betonung und passender Gestik genossen werden konnte. Ihre stimmlichen Qualitäten sind grandios, sie singt mit hoher Dynamik, deutet manchmal geheimnisvoll, dann wieder verschmitzt und überbordend beschwörerisch aus. Sie vermag, sich zurücklehnend, auf der Geige genussreich zu sekundieren, sich auf der Handorgel selber begleitend vom «Vreneli ab em Guggisberg» und anderen Gegenden zu schwärmen. Sie erweckt irgendwo ruhende Geister zum bewegenden Leben, dies mit grosser Herzlichkeit und innerer Kraft.

Dann ist es Dide Marfurt, der tonangebende «Senior», Könner und Geniesser, enorm bewegend musizierend. Gitarre, Drehleier, das Trümpi – die Maultrommel, der Dudelsack, alles entwickelt eine Dynamik, die mitreisst, so farbenreich ist. Es gesellen sich der muntere Geigenspieler und der variantenreich und kunstvoll mitjodelnde Kontrabassist und Akkordeonist dazu. Sie alle sind so hervorragend aufeinander abgestimmt, da sitzt einfach alles. Und man freut sich am Mitgeniessen der Interpretierenden, an deren spieltechnisch hervorragendem Geschick und dem spürbar reichhaltigen Ausgestalten. Man gelangt im Zurückerinnern beinahe ins Reich der verpönten Superlative. Hier sind sie angebracht, berechtigt.

Gleichförmig Folkloristisches wird urplötzlich zu leicht «Exotischem», entfliegt in andere Rhythmen und Stilrichtungen, ist herzerwärmend vielfältig. Gesungen wird beispielsweise vom kleinen Licht, das viel zu trösten vermag, das schlummernde Gefühle weckt, zum Schmunzeln führt. Es wird wenig später von einem Lieblingskomponisten – Jakob Hummel – erzählt, der textlichen Änderungen seiner erfolgreichen Lieder bereitwillig zustimmte.

Es kam an diesem Abend gar viel Bewegendes zusammen, war in der Gesamtheit ein vorweihnächtliches Geschenk, das man bereitwillig und mit Dankbarkeit entgegennahm.
Zuweilen schienen die Instrumente miteinander neckisch zu kommunizieren, dank der hohen spieltechnischen Reife und dem verfügbaren riesigen Repertoire. Alles klang in perfekter Abgestimmtheit auf.

Es ergab sich eine unerwartete Fülle an Zugaben – bevor man sich zu verabschieden hatte – aus einer Welt, die so vielfältig, voller Herzwärme, aufgeklungen hatte.