Christa Pelliciotta freute sich, dass sie Florescu nach einem Konzert mit Konstantin Wecker angesprochen und von ihm sofort das «Ja für Glarus» erhalten habe. Sie habe bei diesem Gespräch in Zürich erfahren, dass das einfach recht bald der Fall sein müsse. Und so kam es zur kurzen, herzlichen Begrüssung und zu Florescus leidenschaftlichem, faszinierendem Schildern über sich selber, über seine Art zu schreiben, die Kadenz im Verfassen von Romanen (so alle zwei bis drei Jahre). Mit hohem Interesse erspürte man seine historische, soziale und geografische Kompetenz, lauschte seinem Zusammenfassen der Tatsachen, Vermutungen, folgte den Exkursen in Traum- und Märchenwelten und nahm die unnachahmliche Dichte, Komplexität und Virtuosität zur Kenntnis, sah sich mit der Forderung nach sehr konzentriertem, fast unablässigem Hinhören konfrontiert. Florescu macht es den Hinhörenden nicht leicht, zwischen Schein und Sein, Realem und Fiktivem, Bewegendem und ruhig Dahindümpelndem, Anklage und Schroffem, derben Wünschen, sozialen und wirtschaftlichen Realitäten rasch unterscheiden, gliedern und aufnehmen zu können. Sein Schildern ist denn auch ein wahrer Sturm von verschiedensten Stimmungen, Feststellungen, Urteilen, lakonischen Aussagen.
Mit den Aussagen zur eigenen Person war man bald im Strudel des Seins und der unablässig aufkommenden, weiterziehenden Gedanken gefangen. Es vermischte sich die Flucht in den Westen, das Studium der Psychologie, das Schreiben und Publizieren verschiedenster Erzählungen, Kolumnen und Romane, das fast permanente Unterwegs-Sein, das Ehemalige, Gegenwärtige und zu Erwartende in unablässigem Wechsel. Florescu gewährte verschiedentlich Möglichkeiten eines kurzen Innehaltens in seiner grossen Bewegtheit, die aufwühlt, fasziniert, betroffen macht, absolut abstossend sein kann und flugs zum Schmunzeln führt. Das Verweilen in solchen Stationen betrafen das Begegnen mit dem «Blinden Masseur», der Körper pflegt und seiner Seele durch Vorleser etwas gönnt oder die Geburten von Zaira und Jacob von weiteren, so eindrücklich bewegenden Romanfiguren. Urplötzlich war man im schwäbischen Dorf Triebswetter im rumänischen Banat, einem Zipfel Transsilvaniens. Florescu stellte diesen Ort als Schmelztiegel mit Deutschen, Rumänen, Serben, Bulgaren und Ungarn vor – mit der einzigen Konstanten, dass sich der Mensch einfach immer und immer wieder aufrichte. Er selber verliess Rumänien 1982, nach wie vor aber benötige er diesen magischen Realismus, die Vermischung von Urbanem, von Urtümlichkeit, Dämonischem und Technik. Für ihn beginnt die Wanderung der Gedanken, das Einlassen auf Abläufe stets mit einem ersten, wesentlichen Satz, wie es bei der Geburt Zairas der Fall ist: «Die erste schwindelerregende Reise war jene durch Mutter.» Und dann setzt wieder dieses drängende Vorwärtseilen ein, gespickt mit Facts, Vermutungen, Anteilnahme, knappen und raschen Fragen, ebensolchen Antworten, sanfter Ironie, bestimmtem Feststellen, mit Provozieren, Geniessen, Deftigem, urplötzlich Behutsamem.
Es ist diese kaum fassbare Vielfalt an Worten, die nachhaltig fasziniert. Es ist der Wunsch nach einem Verbleiben in diesen Gedankenwelten. Erfüllbar ist das wohl nur, wenn die Lektüre beginnt.Artikel