Ein Plädoyer für den eigenen Tod

Der 81-jährige Berner Musiker und Autor Urs Frauchiger präsentierte kürzlich in der Buchhandlung Baeschlin in Glarus sein neuestes Buch mit dem Titel «Wie um Himmelswillen sollen wir noch sterben?»



(Bilder: hasp)
(Bilder: hasp)

Das Interesse am Auftritt des ehemaligen Radio-Mannes, Philosophen und Kulturpolitikers war riesig und die Räumlichkeiten in der Buchhandlung an der Hauptstrasse definitiv zu klein. Gabi Ferndriger freute sich sichtlich am Grossaufmarsch vieler Literaturinteressierter. Weniger erfreut zeigte sie sich, dass das neue Buch bereits ausverkauft sei und kein Exemplar ab gleichen Abend verkauft werden könne. Es würde aber in den nächsten Tagen in einer weiteren Auflage erscheinen.

Ein Plädoyer für den eigenen Tod

Mit grosser Aufmerksamkeit – man hätte eine Nadel zu Boden fallen hören – folgte das Publikum, davon mehrheitlich Frauen, den Ausführungen des Autors. Frauchigers Buch trägt den Titel «Woran um Himmelswillen sollen wir noch sterben?» und versteht sich als «Plädoyer für das eigene Leben und den eigenen Tod». Es ist ein Buch über unser eigenartiges Verhältnis zum Sterben und zur Endlichkeit. Es ist ein Buch genau für die, die meinen, ein solches Buch nicht nötig zu haben, aber natürlich auch für alle andern von 12 bis zu 120 Jahren. Kaum einer hat sich in den letzten Jahren so intensiv und kritisch mit den Fragen des Älterwerdens auseinandergesetzt wie Autor Urs Frauchiger. Seine Betrachtungen sind aufgeklärte Versuche, dem eigenen Leben im Alter den Spiegel vorzuhalten, ohne Sentimentalität, ohne Selbstmitleid, aber mit klugen Gedanken, offen und ehrlich. Brillant formuliert, spricht Frauchiger aus, was wir gerne verdrängen, nämlich die Endlichkeit des Daseins: «Mein Buch ist kein Rezeptbuch für das schmerzfreie Leben und noch weniger ein Wohlfühlbuch. Es liefert weder fertige Lösungen noch Auflösungen von Widersprüchen. Es berichtet, wie ich das Alter erfahren habe und was ich dazu denke.» Explizit hielt er fest, dass er in seinem Buch nicht missionieren möchte: «Alles Missionarische ist mir fremd.» Ihm sei es wichtig, dass die «unabdingbare Ganzheit von Geburt, Leben und Tod aufscheint im Buch, weil dieses Bewusstsein verloren gegangen ist.» Er werde manchmal verrückt ob der «Wehleidigkeit», die bei uns im Zusammenhang mit dem Sterben herrsche. Er habe nichts gegen die Palliativmedizin, aber wenn man die letzten Dinge auf ein «Tuts weh?» verkleinere, dann sei das für ihn fast obszön angesichts des herrschenden Leids auf der Welt: «Es gibt keinen Tod zum Nulltarif.» Ebenso gebe es kein «mehrheitsfähiges Sterben», schreibt er und wendet sich gegen alle Bemühungen des Staates, sich hier einzumischen. Jeder Mensch sei allein für sein Sterben verantwortlich, das gelte auch für die Inanspruchnahme aktiver Sterbehilfe.

Diskussion zum Thema «Was kommt nach dem Tod?»

Die abschliessende Diskussion entwickelte sich eher zögernd. Schliesslich kam dann doch noch eine Diskussion auf. Als Basis diente das Thema «Was kommt nach dem Tod?» Frauchiger bezeichnet sich als Agnostiker, «nicht als Atheisten, das wird oft verwechselt». An eine personale Unsterblichkeit kann er nicht glauben. Zu oft habe er am Meer erlebt, wie die Brandung seine Fussspuren im Sand löschte und sich vor ihm die Weite des Horizonts öffnete. Er trinkt einen letzten Schluck Wasser. «Ich glaube, unsere irdische Existenz wird entschwinden und in ein anderes übergehen. Wie das dereinst aussehen wird: Ich weiss es nicht.»