Eine Himmelsleiter, die Generationen verbindet

Das Projekt «Glarner Generationenkirche» schreitet voran. Vor Kurzem fand die Präsentation der Ergebnisse der Zielgruppengespräche statt. Diese zeigen, dass die Mehrheit der Befragten nach wie vor der Kirche gegenüber wohlwollend gesinnt ist.



Schöpferisch: Kirchenratspräsident Ulrich Knoepfel (von links)
Schöpferisch: Kirchenratspräsident Ulrich Knoepfel (von links)

«Unterwegs bleiben, dem Ziel entgegen, mit dem Glauben, der uns leitet, mit der Hoffnung, die uns stärkt und der Liebe, die uns trägt.» Dies sind die ersten Zeilen des Gedichts von Max Feigenwinter, das vom reformierten Pfarrer und Projektleiter Sebastian Doll als Einstieg zum Forum2 im Gesellschaftshaus Ennenda vorgetragen wurde. Mit diesen treffenden Worten verdeutlichte er das Fortschreiten des Projekts «Glarner Generationenkirche», das mit 222 erfolgten Zielgruppengesprächen mit Menschen von 4 bis 76 Jahren nun erste konkrete Anhaltspunkte vermittelt. Damit sei ein Stück des gemeinsamen Weges erfolgreich beschritten worden. In diesem Zusammenhang bedankte sich Sebastian Doll offiziell bei allen Beteiligten für deren unermüdlichen Einsatz. Allen voran Prozessleiterin Lisbeth Zogg (Büro cottier+zogg), welche die Auswertung der Interviews mittels kreativer Grafiken, Zitate und Thesen anschaulich darstellte. Hierfür hatte die Berner Theologin den Saal im Vorfeld in einen farbenfrohen Erlebnisraum verwandelt. Verschiedene Stationen, verteilt an mehreren Tischen, gewährten einen detaillierten Einblick in die vielen Aufgabenbereiche der Glarner Reformierten Kirche und die damit verbundenen Wünsche und Anregungen.

Gegenwelt zur Schule bilden


An den Zielgruppengesprächen haben sich die sieben Glarner Kirchgemeinden Ennenda, Glarus-Riedern, Grosstal, Mollis-Näfels, Netstal, Niederurnen und Obstalden-Filzbach beteiligt. 84 Prozent der Befragten gaben an, reformiert zu sein. Die Auswertung durch Lisbeth Zogg umfasst eine über 50-seitige Dokumentation. Daraus resultiert unter anderem, dass bis zu 69 Prozent der Befragten der Reformierten Kirche wohlwollend gesinnt sind. Jugendliche und Männer sind generell etwas distanzierter als Frauen und Kinder. Dies entspricht auch dem schweizweiten Trend. «Mögliche Gründe könnten bei den Jugendlichen der natürliche Ablösungsprozess von ihren Eltern und die damit verbundene Neuorientierung sein», interpretiert die Theologin: «Und genau hier muss die Kirche den Kindern und Jugendlichen eine Gegenwelt zur Schule bieten, in der sie sich verstanden und akzeptiert fühlen. Beispiele sind Anlässe und Konzerte für Jugendliche, die Treffpunkte schaffen.» Bei den Männern hingegen könnten andere Faktoren ausschlaggebend sein, wie beispielsweise vermehrte Belastung durch Beruf und Familie, Zeitmangel oder Interesse an anderen Formen, so Zogg.

Qualität geht vor Quantität


Nichtsdestotrotz ist die Kirche den Menschen immer noch wichtig: «Denn obwohl es nicht mehr zur Norm gehört, einer Kirche anzugehören oder sich am Gemeindeleben aktiv zu beteiligen, bleiben viele Mitglieder in der Kirche», resümiert Lisbeth Zogg. Entsprechend können sowohl die Bedeutung als auch der Erfolg der Kirche nicht (mehr) nur am regelmässigen Gottesdienstbesuch gemessen werden. «Um den Erfolg der Kirche zu erfassen, müssen sämtliche Aktivitäten einbezogen werden. Auch die Gemeindemitglieder mit ihrer persönlichen Spiritualität und ihrem Alltagsleben», fasst Zogg zusammen und ergänzt: «Gemessen an der rückläufigen Anzahl der Gemeindemitglieder und den moderneren Lebensbedingungen bietet die Glarner Kirche noch zu viel an.» Entsprechend werde das Angebot nun geprüft und mit Umsetzungsleitlinien für Kirchgemeinden und Kantonalkirche gezielt weiterentwickelt. Die mit Begriffen beschriftete «Himmelsleiter» auf der Saalbühne symbolisierte all die wichtigen Bereiche und Aufgaben der Kirche, mit verschiedenen Stationen zwischen Himmel und Erde. Keine leichte Aufgabe, zumal sich heutzutage durch den Individualisierungsprozess die Anforderungen an die Kirche verändert und vervielfältigt haben. Denn aus der Sicht der Befragten könnte die Kirche noch viel mehr tun. Aber zu viele Angebote würden zu viele Ressourcen binden, sodass kein Frei- und Entwicklungsraum mehr bestünde für Neues. Ausserdem würde ein «Teilnahmedruck» entstehen, der sich kontraproduktiv auswirken würde, daher «ist es sinnvoller, sich auf die Schwerpunkte zu konzentrieren, diese gemeinsam und zeitgemäss zu kommunizieren, damit die Menschen die Zugänge zur Kirche wählen können, die ihrer Situation entsprechen. Denn Qualität ist wichtiger als Quantität», betont Zogg. Dieser Meinung schliesst sich auch der kantonale Kirchenratspräsident Ulrich Knoepfel an: «Durch die bedürfnisorientierte Konzentration auf das Wesentliche erreichen wir viel mehr Menschen und können diese auch individueller wahrnehmen. Getreu dem Motto: konsequent und kundenorientiert.»

Kasualien sind nach wie vor beliebt


Selbst wenn viele Menschen heutzutage ein ambivalentes Verhältnis zur Kirche pflegen, ist für viele von ihnen der Glaube an eine göttliche Kraft elementar. In der Umfrage bestätigt wurde auch die wichtige Rolle der Kasualien (Hochzeiten, Taufen, Trauergottesdienste und Konfirmationen), die nach wie vor bei der Bevölkerung als alte, bewährte Traditionen sehr beliebt sind. In der Umsetzung hat diesbezüglich ein Richtungswechsel stattgefunden, wie der Glarner Pfarrer Sebastian Doll bestätigt: «Während früher der Pfarrer das Datum bestimmte, sind es heute die Familien. Daher verstehe ich mich auch als Dienstleister und freue mich über das rege Interesse und die Würdigung, was für mich auch ein Vertrauenszeichen ist.» In diesem Sinne entwickelt die Kirche eine Vorwärtsstrategie, um mit den an sie gerichteten Erwartungen und Anforderungen umgehen zu können und diese weiterzuentwickeln. Dazu gehört gemäss Theologin Zogg: «Die Vielfalt der kirchlichen Landschaft bewusst zu pflegen, Zusammenarbeit und Vernetzung zu nutzen und auf die Interessen und Talente der Mitmenschen zu setzen.»