Eine musikalische Zeitreise

Die Kirchgemeinde Netstal feierte das 200-jährige Bestehen des prachtvollen Gotteshauses mit verschiedensten Anlässen. Das Konzert zur Einweihung der im Innern schlicht gehaltenen, akustisch hervorragenden Kirche war bewusst auf den 31. Oktober und damit auf den 200. festgelegt worden.



Der Organist Jonas Herzog (vorne) und Mathias Elmer gestalteten kunstsinnig
Der Organist Jonas Herzog (vorne) und Mathias Elmer gestalteten kunstsinnig

Für Mathias Elmer (Trompete, Piccolo-Trompete und Flügelhorn) und den Organisten Jonas Herzog war es ehrend, dass sie mit der fordernden Ausgestaltung dieser Zeitreise durch verschiedene musikalische Stilrichtungen, beginnend bei Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) und W. A. Mozart (1756 – 1791), einen Abstecher in gemässigt Zeitgenössisches mit Volksweisen, drei Spirituals und zu Händel zurückführend, beauftragt worden waren.

Das Ausgestalten der Kompositionen erforderte ein hohes technisches Können und die Fähigkeit, sich mit gar Unterschiedlichem auseinanderzusetzen. Die beiden hervorragenden Techniker und absoluten Kenner ihrer Instrumente wagten einen fordernden «musikalischen Spagat», dessen Bewältigung alles andere als einfach war, standen doch wahre «Ohrwürmer» mit gar Bekanntem auf dem Programm. Der mit vielerlei Hörerlebnissen ab CD Verwöhnte folgte den wechselvollen Interpretationen mit einiger Spannung, innerlich mit einst Gehörtem vergleichend. Mathias Elmer und Jonas Herzog schienen davon zu wissen. Sie wählten kluge Tempi, hielten sich in Dynamischem zurück und vermochten gerade deshalb willkommene Akzente zu setzen. Mit Toccata und Fuge in d-moll, BWV 565 von J. S. Bach stellte der Organist Jonas Herzog der erfreulich grossen Zuhörerschaft die prachtvolle «Königin aller Instrumente» gar überzeugend, geschickt und kunstsinnig interpretierend vor – nachdem Pfarrer Rolf Jost die Entstehungsgeschichte der Kirche in wohltuender Kürze skizziert hatte.

Herzog hob Feierlichkeit und Glanz dieses Werks hervor, er registrierte geschickt, spielte gar wirblig und mit einfühlender Klarheit. Hurtig und virtuos fiel sein Begleiten in «Wachet auf, ruft uns die Stimme, BWV 140 von J. S. Bach aus; Mathias Elmer trug in ruhiger, erhabener Art zum erfüllenden Klangerlebnis bei. Aus dem Klavierkonzert KV 467 und KV 165 «Exultate Jubilate» von W. A. Mozart (1756 – 1791) ertönten zwei Sätze, die Sehnen und Träumereien zu bergen schienen. Gar glanzvoll und mit elegantem Verzieren gestaltete Mathias Elmer. Der Orgelklang wirkte zuweilen etwas stark, den Klang der Trompete leicht überdeckend. Die heiklen Einsätze im zweiten Satz meisterte Mathias Elmer überzeugend.

Es kam dann der musikalische Schwenker hin zu Volkstümlichem, gewiss gern Gehörtem, vielleicht als Akzent zu Klassischem gedacht. Appenzeller Alpabfahrt und die Volkslieder «Simelibärg» und «Il cuccu», Mathias Elmer interpretierte diese Weisen bei der Kanzel – in lockerem Wechsel mit dem sehr präsent begleitenden Organisten. Man konnte sich getrost zurücklehnen, genüsslich mitvollziehen, sich vielleicht fragen, weshalb dynamisch nicht konsequenter wechselnd ausgespielt wurde. Drei Negro-Spirituals entführten dank wechselvoller Interpretation und enormer Beseeltheit, hoher Virtuosität und spieltechnischem Reichtum in ferne und doch vertraute Klangwelten, in denen man gerne verweilte. Mit der letzten Komposition, Sätzen aus der Suite in D-Dur («Wassermusik» von G. F. Händel (1685 – 1759) für Piccolo-Trompete und Orgel, wurde man in festlich Klassisches, in Frohmut und Glanz zurückgeführt. Genuss und Hingabe kamen zum Tragen und mündeten in riesigen Beifall, in nicht mehr wegzudenkende Standing Ovations – muss das eigentlich immer so sein? Das tat dem erfüllenden Erleben, das dank klugem und starkem Interpretieren gewachsen war, keinen Abbruch. Die Netstaler haben ihr kirchliches Jubiläumsjahr in wahrlich umfassender Art abrunden dürfen.