Eine Todesanzeige


Eine Todesanzeige: Ich bin umgezogen. Name des Verstorbenen Meine neue Adresse ist: Friedhof zur Linde, 8000 Zürich, Urnen-Reihengrab 4367. Über Besuche freue ich mich. Da ist ein Mensch gestorben, der den Tod angenommen hat. Nicht als etwas endgültig und unendlich Trauriges. Einfach nur als eine Veränderung seines Seins, ein Umziehen in eine andere Dimension. Sie nimmt dem Tod seine Schwere. In unseren Breitengraden haben wir nicht gelernt, oder es schon lange verlernt, mit dem Sterben und dem Tod umzugehen. Die meisten Leute wollen am liebsten nicht über dieses Thema reden, und wenn es um den eigenen Tod geht schon gar nicht. Ich kenne den Tod. Ich kenne auch das Sterben vor dem Tod. Und ich bin dankbar für diese Erfahrung. Sie hat mir die Angst vor etwas Unbekanntem genommen. Sie hat mich gezwungen mich mit dem Sterben auseinander zusetzen und mich stärker gemacht. Auch ich habe geweint. Ich war unendlich traurig, bin es heute noch manchmal. Vermisse den Menschen, der mich alleine gelassen hat. Zugleich hat er mir aber etwas sehr wertvolles geschenkt. Er hat auf mich gewartet und mir ermöglicht, bis zum letzten Moment bei ihm zu sein. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht hat er mich verlassen. Und doch nicht wirklich verlassen, denn irgendwie ist er immer noch bei mir, einfach auf eine andere Art. Ich rede mit ihm, frage ihn um Rat und fluche manchmal leise, weil er mir nicht mehr so direkt Antwort gibt. Dieser Mensch, der seine eigene Todesanzeige verfasst hat, zeigt uns, dass es verschiedene Arten gibt, dem Tod entgegenzugehen. Er lädt seine Freunde ein, ihn weiterhin zu besuchen. Nur an einem anderen Ort als bisher. Es blitzt Humor auf zwischen diesen Zeilen, Humor der tröstet.