Eine Zwischenbilanz

Am ersten Tag der Beratungen der zweiten Auflage ihres Nutzungsplanes berieten die Stimmberechtigten von Glarus Nord am Samstag, 24. April, in acht Stunden zwei Drittel der 79 eingereichten Anträge durch. Sie stellten sich in einigen kleinen und teilweise auch in gewichtigen Entscheiden gegen ihren Gemeinderat, aber in vier Fünftel aller Entscheide gingen sie mit ihm konform.



Eine Zwischenbilanz

In Sachen COVID-19 gab es am Konzept und an der Durchführung nichts auszusetzen. Die 300 anwesenden Stimmberechtigten sowie die Gemeinderäte, die Mitarbeitenden der Verwaltung, die Juristen, die Sicherheitsleute, die Samariter und auch die Essensausgabe hielten sich an die Maskenpflicht und konnten im 1200-Personen-Zelt auch genügend Abstand zueinander einnehmen, wenn sie das denn wünschten. Es war eher umgekehrt: einige Vertreter der Parteien gruppierten sich, um ihre Anträge vorzubeflüstern.

Weder Urne noch Verschiebung

Pünktlich um 9 Uhr begann der Marathon auf dem Areal der Eternit AG in Niederurnen. Gemeinderat Dominique Stüssi hatte den Auftrag, mit einem Glöckchen die Redezeiten zu kontrollieren – er klingelte konsequent und manchmal kam es danach zu bissigen Wortwechseln zwischen dem Gemeindepräsidenten und den Antragstellern, sonst aber zeigte man sich auf beiden Seiten souverän. Gleich zu Beginn stellte Beat Noser den Ordnungsantrag, die Versammlung auf den hoffentlich covidsicheren Herbst zu verschieben, Ruedi Schwitter beantragte namens der glp, das Geschäft an die Urne zu verlegen. Bereits bei der Eventualabstimmung kamen die 20 Stimmenzähler/-innen zum Einsatz – ein Prozedere das, wegen der weit verteilt Sitzenden noch oft durchgeführt werden musste. Urne setzte sich eventual gegen Verschiebung durch. Danach entschied man sich aber mit 30 Stimmen Unterschied für die Durchführung der Versammlung – offenbar hat die Mehrheit genug davon, zu warten und zu verschieben.

Mollis, Näfels, Biäsche

Das emotional schönste Votum des Tages dürfte wohl Res Lütschg aus Beglingen zugestanden werden. Er hatte eine eigene kleine Diaprojektor-Leinwand dabei. Als er diese entrollte und den Stimmberechtigten von seinem geplanten Alterssitz erzählte, nahmen diese seinen Abänderungsantrag – die Liegenschaft in die Dorfzone von Beglingen aufzunehmen – an, was bedeutet, dass die Gemeinde jetzt diesen Antrag neu beraten muss. Weitaus gewichtiger wiegt der Entscheid der Versammlung, bei den Parzellen 303 und 305 in Mollis wegen ihrer ortsbildprägenden Bedeutung eine Auszonung zu prüfen. Hier nämlich – hinter der reformierten Kirche – war eine Überbauung geplant, auf Bauland. Allein der Auszug aus dem Gutachten, welches die Antragsteller beibrachten, enthält vier dicht bedruckte Seiten. Obwohl Gemeinderat Kaspar Krieg darauf hinwies, dass die Gemeinde eben eine Verdichtung nach innen und eine gewisse Entwicklung anstrebe, und obwohl die Parzellen rundherum überbaut sind, wird der Gemeinderat hier nochmals über die Bücher müssen.

Wer sich mehrheitlich beim Souverän nicht durchsetzte, das waren die Überbauungswilligen. Sowohl Claudio Noser, welcher in Bilten unter anderem günstige Genossenschaftswohnungen bauen wollte, wie auch Hanspeter Rubitschon, der sich für die Heussis in Bilten einsetzte, waren nicht erfolgreich mit ihren Anträgen. Dafür setzte sich Stefan Fischli mit seinem Abänderungsantrag durch, der das Gebiet südlich der Netstal Maschinen AG Näfels aus der Arbeitszone auszonen und der Landwirtschaftszone zuweisen will, wie es im GRIP steht. Da die Gemeinde dieses Land früher von der Netstal Maschinen AG gekauft hat – auch mit Geld des Kantons – würde sie bei Auszonung mit rund 600 000 Franken zahlungspflichtig gegenüber dem Kanton. Dieser wiederum hatte auf einem anderen Areal – jenem in der Biäsche –, welches ebenfalls erschlossen ist, aber weiter entfernt von allen Siedlungen liegt, beantragt, die Arbeitszone dort beizubehalten und das Land nicht – wie von der Gemeinde beantragt – einer Zone für zukünftige bauliche Nutzung zuzuweisen. Wieviel diese Rochade die Stimmbürger von Glarus Nord kostet, werden die Buchhalter wohl noch errechnen müssen. Der tiefere Grund für die Opposition der Stimmberechtigten dürfte allerdings nicht im Finanziellen liegen, sondern darin, alles was mit Industrie, Lärm oder Verkehr zu tun hat, möglichst weit von sich wegzuweisen, und – ein bisschen jedenfalls – hat es auch damit zu tun, dass die Bauernlobby sich im schönsten Schulterschluss gegen die anderen Anwesenden durchzusetzen vermochte.

Mehrwertabgabe und Baureglement

Die zweite Hälfte des Tages war dann der Mehrwertabgabe und den vielen Anträgen zum Baureglement geschuldet. Kein Wunder, wo einige Antragsteller gleich sechs oder sieben verschiedene Anträge zum Reglement gestellt hatten. Von der Länge von Kleinbauten über die Neigung von Tiefgaragenzufahrten bis zum Lichtraum entlang von Hecken und zum Hinausbauen von Balkonen über die Mantellinie der Gebäude. Das wurde zwar alles – mehr oder weniger deutlich, je nach den Lichtverhältnissen im vom Wind gut durchlüfteten Zelt – abgelehnt, aber es wurde dabei Zeit verbraten. Zeit, welche nun zusätzlich am kommenden Dienstag, 27. April, ab 19 Uhr bereitgestellt werden muss. Dann nämlich kommen noch einmal 12 Punkte des Baureglements zur Sprache sowie die Landwirtschaftszone für besondere Nutzung, welche der KVA den Bau von Gewächshäusern zur Nutzung der Restwärme erlauben soll, und die Gewässerräume, welche von der Bauernschaft – insbesondere vom besonders betroffenen Hans Peter Hauser-Berther – bekämpft werden. Das Grossschlachtfeld der Parteien – der Kampf um die Mehrwertabgabe-Prozente – ist inzwischen geräumt, hier trugen die Bürgerlichen den Sieg davon, alle Mehrwertabgaben bleiben bei 20 Prozent, nicht etwa höher, wie von der Gemeinde beantragt, oder noch höher, wie die Grünen und die SP das beantragt hatten. Und zum Schluss noch dies: Obwohl sich die Gemeinde bei der gesetzlichen Sicherung der Baulandverfügbarkeit dazu entschloss, mit den Eigentümern darüber Verträge auszuhandeln, verlangte eine Mehrheit, dass die wesentlichen Parameter dieser Verträge in zusätzlichen Artikeln im Baureglement geregelt werden sollen, denn, so Adrian Hager namens der SVP: «Es geht nicht an, dass der Gemeinderat im Vertrag die Eigentumsbeschränkungen festschreiben kann.»