Enrico Pieranunzi machte Vergangenes lebendig

Ebenso erst- wie einmalig war gewiss, dass sich die Glarner Konzert- und Theatergesellschaft und das KfM – The Kommithée fuehr Müsick – zusammengefunden hatten, um ein hochstehendes Begegnen mit Enrico Pieranunzi anzubieten, dies mit dem Titel «Jazz meets Bach und Scarlatti».



Enrico Pieranunzi spielte mit unglaublicher Eleganz und Leichtigkeit. (Bild: pmeier)
Enrico Pieranunzi spielte mit unglaublicher Eleganz und Leichtigkeit. (Bild: pmeier)

Was darunter genau zu verstehen war, erfuhren jene, die sich in der Aula der Kantonsschule Glarus zusammengefunden hatten – und es waren erfreulich viele. Mit dem Studium des sorgsam gestalteten Programms erfuhr man beispielsweise, dass Bach und Scarlatti 1685 zur Welt kamen, dass beide verschiedenste Tasteninstrumente meisterhaft beherrschten und als Komponisten in gar unterschiedlicher Weise zahlreiche Werke schrieben. Bach setzte sich mit vielem auseinander, Scarlattis schöpferischer Geist schlug sich in nicht weniger als 555 heute noch erhaltenen Sonaten nieder. Enrico Pieranunzi, 1949 in Rom geboren, ist einer der bekanntesten Jazzpianisten im europäischen Raum. Dass diese Vorankündigung absolut berechtigt war, wurde jedem klar. Pieranunzi, auf der schmucklosen, mehr als behandlungsbedürftigen Bühne der Kanti-Aula stehend, begrüsste, machte mittels Anekdoten auf die Komponisten und deren Oeuvre aufmerksam, setzte sich an den Flügel und begann, einem Magier ähnlich, seine Finger tanzen zu lassen. Und mit diesem Tanzen begannen musikalische Momente zu wachsen, die der Pianist in zuweilen rasendem Tempo, dann wieder in träumerischem Verharren zu bewegendstem Leben erweckte. Pieranunzis spielerische und gestalterische Fertigkeiten sind unglaublich brillant, voller Eleganz und Lieblichkeiten. Er greift klassische Kompositionen auf, bringt Themen, Sätze vor und wechselt aus diesen Motiven urplötzlich ins Jazzige, mit einer Leichtigkeit, die nichts als Bewunderung weckt, einen schier grenzenlosen Hörgenuss beschert und kaum zu stillen ist. Er tut musikalische Welten auf, die mit Sehnsucht, Dramatik, enormer Kraft, tänzerischer Leichtigkeit, Hingabe, ungestümem Drängen, Glanz und Träumerei gefüllt sind, lässt alles vergessen, was Einüben und Notenstudium bedeutet. Er improvisiert meisterlich, verlässt den streng klassischen «Notenpfad» und schweift in seine Welt ab, um urplötzlich wieder aufs klassische Thema zurück zu kommen. Meisterhaft und variantenreich schlägt er zwischen Musikwelten Brücken und verbindet Elemente, die – so scheint es zuweilen – gar nicht so weit auseinanderliegen. Pieranunzi hat Zeitepochen und Kulturen zusammengefügt – in beglückender, erfüllender Art.Artikel