Entscheid des Verwaltungsgerichts betreffend Stimmrechtsbeschwerde

Der Regierungsrat hiess am 8. März 2011 eine gegen das Wahlergebnis der Landratswahl vom 30. Mai 2010 im Wahlkreis Glarus Nord erhobenen Stimmrechtsbeschwerde teilweise gut. Er korrigierte – auch im Sinne einer aufsichtsrechtlichen Massnahme – das im Amtsblatt vom 3. Juni 2010 publizierte angefochtene Wahlergebnis aufgrund von festgestellten Unregelmässigkeiten, indem er 19 Wahlzettel wegen unzulässiger Mehrfachausfüllungen als ungültig ausschied und aufgrund der dadurch geänderten Parteistimmenzahlen und Rangfolgen innerhalb der Parteilisten eine neue Verteilung der 25 Landratssitze von Glarus Nord vornahm. Dadurch ergab sich für die Liste der FDP ein Sitzgewinn zulasten jener der SVP; anstelle von René Brandenberger (SVP) wurde Edgar Wolf (FDP) als gewählt erklärt.



Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus kam wegen der Beschwerde zur Landratswahl 2010 zu einem Entscheid. (Motivbild: jhuber)
Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus kam wegen der Beschwerde zur Landratswahl 2010 zu einem Entscheid. (Motivbild: jhuber)

Gegen diesen regierungsrätlichen Entscheid erhob die SVP Glarus Nord beim Verwaltungsgericht Beschwerde. Mit Urteil vom 8. Juni 2011 wurde nun diese Beschwerde insoweit gutgeheissen, als der angefochtene Entscheid des Regierungsrats aufgehoben und die Sache zur Beurteilung der Frage, ob allenfalls statt einer Korrektur des Wahlergebnisses eine Wiederholung des Urnengangs anzuordnen sei, an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Für das Gericht stand ausser Frage, dass es bei den fraglichen Wahlen in Glarus Nord zu Unregelmässigkeiten gekommen war. Aufgrund der eingeholten Gutachten muss es mit hoher bzw. an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Mehrfachausfüllungen von Wahlzetteln durch jeweils eine Person gekommen sein. Der Regierungsrat führte dies teilweise auf die unklare bisherige Stellvertretungsregelung in Art. 13 des kantonalen Abstimmungsgesetzes zurück. Obwohl er die Auslegung dieser Bestimmung nicht teilte, wonach der Stellvertreter für bis zu zwei weitere Stimmberechtigte im gleichen Haushalt den Wahlzettel ausfüllen und nicht bloss (als «Bote») zur Urne bringen dürfe, erachtete er bloss Mehrfachausfüllungen ab dem vierten Wahlzettel für ungültig. Das Gericht hielt dem entgegen, dass diese Grenzziehung sachlich nicht begründet sei und letztlich jede Korrektur des Wahlergebnisses wieder infrage gestellt werden könne, solange nicht zahlenmässig genau bestimmbar sei, welche und wie viele Wahlzettel ungültig waren. Insbesondere kann nicht gesagt werden, dass das korrigierte Wahlresultat den wirklichen Wählerwillen besser wiedergibt als das ursprüngliche, wenn Unregelmässigkeiten gleichsam nur indirekt aufgrund gutachterlicher Feststellungen erwiesen sind. Wenn das Wahlergebnis vom 30. Mai 2010 aufgrund von schwer eingrenzbaren bzw. quantifizierbaren Mängeln bei der Stimmabgabe den freien Willen der Stimmbürger – im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung – nicht zuverlässig und unverfälscht wiedergibt, hat dies grundsätzlich die Aufhebung und Wiederholung des Urnengangs im betroffenen Wahlkreis zur Folge. Die vorgenommene Korrektur des Wahlresultats durch die Vorinstanz erweist sich unter den gegebenen tatsächlichen Umständen als nicht sachgerecht.

Ob indessen eine Aufhebung und Wiederholung des nun bereits ein Jahr zurückliegenden Wahlgangs unausweichlich ist, hat die Vorinstanz bisher nicht geprüft. Als Aufsichts- und Beschwerdebehörde kommt ihr (im Gegensatz zum Gericht) auch ein gewisses Ermessen zu, was die Folgen der festgestellten Unregelmässigkeiten betrifft. Es gibt durchaus gute Gründe, trotz der festgestellten Unregelmässigkeiten auf eine Wiederholung der Wahl zu verzichten, insbesondere wenn – wie hier – zur Sachverhaltsfeststellung aufwendige Abklärungen und Gutachten erforderlich waren und es der Vorinstanz deswegen nicht möglich war, über die Stimmrechtsbeschwerde innert zehn Tagen nach Eingang der Beschwerdeantwort (wie dies Art. 116 Abs. 2 VRG verlangt) zu entscheiden. Eine solche «beschleunigte» Entscheidung soll eben gerade verhindern, dass ein Wahlergebnis erst als fehlerhaft beurteilt wird, wenn das Parlament bereits vereidigt ist, schon getagt und Beschlüsse verabschiedet hat. Die Unregelmässigkeiten sind zu einem grossen Teil auch die Folge des geltenden Wahlsystems bzw. der bisherigen unklaren Stellvertretungsregelung.

Nach Meinung des Gerichts bedarf demnach der Entscheid, ob die festgestellten Unregelmässigkeiten eine Aufhebung und Wiederholung des Wahlgangs vom 30. Mai 2010 erfordern oder ob darauf aufgrund der gegebenen Umstände zu verzichten ist, einer Abwägung aller (öffentlicher) Interessen.