Erbsen zählen leicht gemacht

Zahlenschlacht und Verordnungsdschungel – an dieser Landratssitzung lag der Teufel meist im Detail. Aber auch Erbsenzählen kann in einem solchen Umfeld durchaus spannende Aspekte bekommen.



Martin Landolt spricht ein letzte Mal als Mitglied im Landrat. (Bilder: e.huber)
Martin Landolt spricht ein letzte Mal als Mitglied im Landrat. (Bilder: e.huber)

Der Landratspräsident begrüsst die Zuschauenden an den Bildschirmen, verliest die Absenzen und stellt die Traktandenliste zur Diskussion. Flugs geht es in die zweite Lesung zur Verordnung zum Einführungsgesetz zum Gewässerschutz, welche bereits um 08.02 Uhr abgeschlossen ist – ohne Wortmeldung.

Es grünt so liberal

Da sich während der Legislatur eine neue Fraktion – jene der Grünliberalen – bildete, muss die Landratsverordnung LRV angepasst werden, so Samuel Zingg namens des Landratsbüros. Es gehe dem Büro drum, künftige Fälle zu beraten und zu beschliessen. Das wichtigste Argument sei der funktionierende Ratsbetrieb – eine einheitliche Schweizer Lösung gebe es nicht. Kommissionen seien vorberatend, deshalb sei dort wichtiger, dass alle Fraktionen vertreten seien, da schliesslich immer der Landrat beschliesse. Hans Jenny stellt namens der FDP-Fraktion einen Rückweisungsantrag mit dem Auftrag einer Revision mit Vernehmlassung bei allen Parteien. Die aktuelle Version solle noch bis 2026 gelten. «Ich mache die Welt, wie sie mir gefällt», dieses Pippi-Langstrumpf-Motto könne hier doch nicht gelten. Man solle die Regeln während des Spiels nicht ändern. «Die Wähler im Norden drückten klar aus, dass sie mehr Dunkel- als Hellgrün wollen.» Diesen Wählerwillen gelte es zu respektieren. Marius Grossenbacher stellt namens der Grünen/Junggrünen Eintretensantrag. Sonst seien die Grünen in einer der Komissionen nicht mehr vertreten und könnten Wähler/-innen bei Fragen nicht aus erster Hand informieren. Es gehe nicht um das Prinzip, sondern um eine objektiv gute Notlösung. Adrian Hager beantragt namens der SVP-Fraktion Rückweisung. Man erkenne, dass sich die Artikel der LRV teilweise widersprechen. Es solle für die Bestellung der Komissionen die Stärke einer Fraktion zu Beginn gelten. «Es prüfe, wer sich ewig bindet …» gelte halt auch bei der Parteizugehörigkeit. Sabine Steinmann beantragt namens der SP-Fraktion Eintreten. Man müsse vorwärtsschauen, es bedeute Unruhe, wenn zwei Fraktionen nicht in allen Kommissionen vertreten seien. Nur durch diese Vertretung sei garantiert, dass die Fragen im Vorfeld der Sitzungen ausreichend diskutiert würden. Mathias Vögeli schlägt – als Kompromiss – eine Verschiebung auf Juli 2024 vor. Das Gros des Landrats sei bei diesem «Schnellschuss» nicht involviert gewesen. Die Zusammensetzung der GLP sei «labil». Wenn eine der Frauen, welche die Fraktionsstärke garantieren, zurücktreten müsse, gebe es keine Fraktion mehr. Es gelte, dem Wechsel ins Auge zu schauen. Er schlage deshalb eine Gesamtbetrachtung in einem Jahr vor. Franz Landolt – als Vertreter der Fraktion, um die es bei der Diskussion geht – stellt dem Büro ein gutes Zeugnis aus und plädiert für Eintreten und Annahme. Eine Regelung sei nötig, alle Fraktionen sollten in allen Kommissionen vertreten sein. Die Landsgemeinde lebe davon, dass konsensfähige, gut vorbereitete Geschäfte vorgelegt würden. Seien Grüne und GLP teilweise nicht vertreten, belaste das dann die Landsgemeindediskussion. Landolt verweist auf die 1990er-Jahre, wo mit ordentlichen und weiteren Kommissionsmitgliedern gearbeitet worden sei. Es gehe um die Kultur, wie man mit den «Kleineren» umgehe.

Da Eintreten unbestritten ist, werden die Rückweisungsanträge Jenny/Vögeli besprochen. Samuel Zingg fragt prinzipiell, was das Büro denn anders machen solle. Es sei jetzt nicht mehr gleich geblieben. Die Schwierigkeit bestehe jetzt schon – so sei beispielsweise der FAK-Sitz von den Grünen jetzt schon weg. Das Büro habe überlegt, was zu tun sein. Die Inkraftsetzung könne ja auch bei Beratung festgelegt werden. Hans Jenny geht es darum, dies vertieft in den Fraktionen anzuschauen. Nicht die Spielregeln ändern im Spiel – Wechsel der Fraktion bedeute eben allenfalls auch einen Verlust des Sitzes. Fridolin Staub plädiert für Rückweisung, damit das System stabil bleibe. Diese «kleine» und schnell erarbeitete Vorlage löse das alles nicht. Der Landratspräsident widerspricht – man habe das Grundkonstrukt angeschaut. In der Bereinigung setzt sich der Rückweisungsantrag Jenny gegen jenen von Vögeli mit 28:24 Stimmen durch. Danach wird mit 27:25 Stimmen Rückweisung im Sinne der FDP beschlossen.

Die Qualen von Zahlen

Um halb neun geht es dann zur Jahresrechnung. Ruedi Schwitter als Präsident der Finanzausgleichskommission stellt einen transparenten «Zahlenberg» vor. Der Detailkommentar sei ausführlich. Eine Rechnung sei die Geschichtsschreibung des vergangenen Jahres – Eckpunkte dazu seien: Der sehr gute Abschluss, mit dem man allerdings schweizweit nicht allein sei. Die Nationalbankbeiträge und die höheren Steuereinnahmen hätten dazu geführt. Man habe sich nicht vertieft mit der Heimrechtsabgeltung befasst – diese entwickle sich aber dem Markt entsprechend. Eine Überprüfung der Anlagestrategie stehe sowieso an. Zudem falle die Rechnung 2023 wohl bedeutend schlechter aus – keine Beiträge aus der SNB und steigende Pflegerestkosten. Man müsse vorsichtig sein und könne sich – trotz stabiler Finanzen – nicht einfach alles erlauben. Albert Heer plädiert namens der FDP-Fraktion, allen Anträgen unverändert zuzustimmen. Mit Freude nehme man das positive Jahresergebnis zur Kenntnis. Die kommenden Jahresabschlüsse würden dadurch um 2,8 Mio. Franken entlastet. Beim Strom etwa könne man kurzfristig weiter mit guten Einnahmen rechnen. Cyrill Schwitter unterstützt das namens der Mitte-Fraktion. 9,6 Mio. Franken Ertragsüberschuss seien positiv. Es gelte haushälterisch mit den Kantonsfinanzen umzugehen. Peter Rothlin unterstützt die Jahresrechnung namens der einstimmigen SVP, man erteile aber der Regierung nur widerwillig Entlastung. Man sei enttäuscht über die zusätzlichen Abschreibungen durch die Regierung und vermisse da den Respekt gegenüber der Landsgemeinde 2022, welche diese Praxis abgelehnt habe. Der Entscheid, abzuschreiben, sei sicher erst nachher gefallen. Mit 115 Prozent sei der Selbstfinanzierungsgrad des Kantons sehr hoch – das zeige eben auch, dass der Kanton zu viele Investitionen tätige und dies aus den höher bleibenden Steuern, was den Druck auf KMU und Gewerbe erhöhe. Wenn man die guten Steuerzahler des Kantons als Milchkühe anschaue, so solle man diesen mindestens gut Sorge tragen. Auch Samuel Zingg unterstützt die Rechnung namens der SP. Besorgt schaue man auf die Kreditübertragungen ins nächste Jahr, da ja die Einnahmen nicht übertragen würden. Die Teuerung treffe auch den Kanton, deshalb sei es nicht angebracht, über Steuersenkungen zu diskutieren. «Schauen wir, dass die grossen anstehenden Projekte finanziert werden können.» Nadine Landolt Rüegg freut sich namens der GLP-Fraktion über den effizienten Einsatz des Geldes und die gute Jahresrechnung. Die Minderausgaben bei der IPV seien auch auf die gute Wirtschaftslage zurückzuführen, zudem habe man weniger investieren können. Sie störe sich an den wenigen Investitionen für Radwege. Zudem schlügen die Pflegerestkosten zu Buche – sie bezweifle, ob das hoch genug budgetiert sei. Natürlich beantragt auch Landammann Benjamin Mühlemann Zustimmung. Die Abweichung zum Budget sei nicht enorm, das Resultat der Rechnung erfreulich. Zusätzliche Abschreibungen habe man ein letztes Mal machen können, was mit dem neuen Finanzhaushaltsgesetz dann nicht mehr möglich sei. Die Regierung sei da aber immer transparent gewesen. Die Sondereinlagen entlasteten die künftigen Jahresrechnungen. Heute wisse man, dass man bei den SNB-Ausschüttungen beim schlimmsten Fall stehe. Interessant seien die Erträge bei Erbschaft und Grundstückgewinn, zudem die tieferen IPV-Ausgaben. Trotz hohem Selbstfinanzierungsgrad und guter Rechnung sei das Vermögen zurückgegangen. Das Portfolio erhole sich aber immerhin. Zudem weiche der Aufwand fast nicht vom Budget ab. Der Finanzspielraum nehme aber in Zukunft ab – insbesondere, wenn man die Steigerung der Ausgaben berücksichtige. Seine Prognose: Die für die kommenden Jahre budgetierten zweistelligen Minusmillionen drohten, auch einzutreffen.

Bei der Detailberatung weist Andreas Luchsinger auf eine falsche Prozentzahl im Regierungsratsbericht hin. Peter Rothlin meldet sich bei der Heimfallverzichtsabgeltung zu Wort. 17,75 Prozent Negativrendite seien dermassen schlecht, dass es dem Fass den Boden ausschlage. Man habe hier 26 Mio. Franken «hinderschi» gemacht. Ob da die CS mitgespielt habe? Benjamin Mühlemann beantwortet das – man sei in Sachen CS-Fonds mit einem blauen Auge davongekommen. Andreas Luchsinger zeigt sich überrascht, dass es bei der IT-Förderung nicht weitergehe. Rothlin fragt zu den Stipendien nach – man habe 319 Studierende im Jahr 2022 gehabt. Er will wissen, wie viele davon Stipendien beziehen. Regierungsrat Markus Heer bittet Rothlin, das direkt mit ihm anzuschauen, er könne das so jetzt nicht beantworten. Rothlin fragt nach, ob es eine Windplanungsstudie gebe. Landesstatthalter Kaspar Becker verweist auf die Interpellationsantwort, welche kommende Woche gegeben werde. Man sei mit Schwyz und St. Gallen im Austausch. Zu den Anhängen – bei der Beteiligung Erdgas Linth AG – stellt Peter Rothlin die Frage, weshalb im Beteiligungsspiegel nicht der Steuerwert stehe, dieser sei nämlich nur halb so hoch wie der Nominalwert. Er müsse das noch rekapitulieren, antwortet der Landammann. Rothlin will wissen, weshalb Studiendarlehen erlassen würden. Auch dies will Regierungsrat Heer per Mail direkt an Rothlin nachreichen. Danach wird die Rechnung ohne Wortmeldung genehmigt und verabschiedet.

glarnerSach

Beim Traktandum Geschäftsbericht glarnerSach begrüsst der Landratspräsident den Verwaltungsratspräsident Martin Leutenegger. Landrat Thomas Tschudi regt an, den Geschäftsbericht wieder gedruckt zu verteilen, und will wissen, wann Geschäftsführer Hansueli Leisinger das Pensionsalter erreiche. Leutenegger stellt den Bericht gerne auch in gedruckter Form zu – falls das Büro dies wünsche. Doch dies wird allgemein als Rückschritt ins analoge Zeitalter gewertet. Leisinger sei noch bis 30. Juni 2024 Geschäftsführer, so Martin Leutenegger. Die Stelle für den Nachfolger werde also im August 2023 öffentlich ausgeschrieben.

Stromkosten

Bei der Motion «Hohe Stromkosten» kommt als Motionärsvertreter wieder Thomas Tschudi zu Wort und stellt – wie die Regierung – eine Verbesserung der Situation fest. So starke Preisveränderungen seien aber für die Wirtschaft gefährlich. «Als wir die Motion einreichten, ging es um Leute, die im Schweisse des Angesichts ihr Unternehmen aufbauten.» Sie hätte man unterstützen müssen, wenn es mit den Energiepreisen so weitergegangen wäre. Es gelte aber, jetzt Lösungen zu planen, dass die Strommangellage in Europa nicht wieder Unternehmen gefährde. Tschudi appelliert an Politik und Verwaltung. Die Krux sei, dass – trotz Task Force – sich manche nicht meldeten, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Deshalb müssten die möglichen Unterstützungen transparent kommuniziert werden. Auch die Technischen Betriebe dürften nicht vergessen, wem sie gehörten – nämlich der Öffentlichkeit. Er hätte sich hier teilweise ein etwas moderateres Vorgehen gewünscht. Da die Eigenstromproduktion teilweise höher sei als im Durchschnitt, hätten die Preise nicht überdurchschnittlich steigen dürfen. Ein Blackout sei – wegen der steigenden Stromnachfrage – immer wahrscheinlicher. Namens der GLP plädiert Priska Müller Wahl ebenfalls auf Ablehnung der Motion. Es sei kein Anlass da, um einzugreifen. Sie freue sich, dass auch die SVP weitsichtig abstimme – auch beim neuen nationalen Klima- und Innovationsgesetz. Regierungsrätin Marianne Lienhard beantragt ebenfalls Ablehnung der Motion. Sie danke den Motionären aber für die Einreichung. Damals habe man sich in der Regierung echte Sorgen gemacht und habe mit Wirtschaft und Technischen Betrieben in engem Kontakt gestanden. Gerne werde man bei Energiefonds und Standortförderung transparent kommunizieren, was an Unterstützung möglich sei. Stromhandel sei ein Börsengeschäft, die meisten Unternehmen würden dort ihre Verantwortung wahrnehmen. Sie danke den Technischen Betrieben für die Hilfeleistung bei Betrieben, welche die Strombörse nicht so im Blick behalten könnten. Die Motion wird darauf abgelehnt.

Ausbildung – offensiv

Der Antrag hier ist, die Motion «Ausbildungsoffensive für die Pflegeberufe – Unterstützung für Betriebe» zu überweisen. Motionärin Sabine Steinmann erklärt, weshalb es die Motion braucht. «Es eilt, da viele den Job verlassen.» Es eile auch, da die Beiträge bald abgeholt werden müssten. Kernaufgabe sei es, fürs Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten beizutragen. Die Motion fordere, dass auch die Berufliche Grundbildung unterstützt werde. Da diese Ausbildung komplex und lange sei, gelte es auch hier zu unterstützen. Sie deponiert auch ein Anliegen zur zweiten Etappe – zu den Anstellungsbedingungen für Pflegende. Es sei wichtig, dass sich die Kommission Pflege und Betreuung bald konstituiere, damit die Koordination durch den Kanton geschehen könne. Andrea Bernhard unterstützt den Antrag – insbesondere seien Lohn und Bildungsunterstützung von Lernenden nicht rauszustreichen. Regierungsrat Markus Heer beantragt das ebenfalls – es sei unbestritten, die Qualität der Pflege wenigstens zu erhalten, wenn möglich sogar zu verbessern. Seit März arbeiteten die zuständigen Gremien zusammen – es seien drei Departemente involviert, DFG, DBK und DVI. Insbesondere sei zu prüfen, wie man die Grundbildung in der Pflege fördern könne. Bei den Löhnen könne der Kanton zwar Anstösse geben, doch sei dies Aufgabe der einzelnen Betriebe. Zudem brauche es da noch Zeit, weil es komplex sei. Ohne Wortmeldung wird die Motion überwiesen.

Zukunft des «Glarnerhofs»

Bei seiner Interpellation «Zukunft für das Hotel Glarnerhof sichern» erklärt Landrat Martin Landolt, weshalb beim Verkauf dieses Hotels auch übergeordnete Interessen zum Tragen kommen sollten. Denn es sei auch wirtschaftlich und touristisch relevant, ob hier weiter ein Hotel stehe oder ob man hier z.B. Wohnungen mache. Die Interpellanten seien froh, dass der Regierungsrat bereit sei, hier eine Rolle einzunehmen, und dies früh getan habe.

Bei seinen Mitteilungen verabschiedet Landratspräsident Luca Rimini Thomas Kistler, welcher seit 2005 für die SP im Landrat sitzt und seit 2018 als Gemeindepräsident amtet, wo er der Glarner Politik erhalten bleibe. Mit dem Rücktritt von Martin Landolt, der 1998 direkt gewählt wurde, gehe dem Landrat viel Erfahrung verloren. Luca Rimini bedankt sich bei seinem langjährigen politischen Wegbegleiter Landolt, der vieles aus der nationalen Politik in den Rat eingebracht habe. Mit einem herzlichen Applaus dankt auch der Landrat. Die nächste Sitzung findet am Mittwoch, 28. Juni, statt.