Eröffnungsrede von Landammann Benjamin Mühlemann

Alle vier Jahre darf der Landammann der Kantons Glarus nicht nur die Landsgemeinde leiten, sondern auch den Beginn der ersten Sitzung des Landrats für die neue Legislatur bestreiten. Dies tat Regierungsrat Benjamin Mühlemann mit folgenden Worten.



(Bilder: ehuber)
(Bilder: ehuber)

Sehr geehrter Herr Landesstatthalter
Sehr geehrte Damen und Herren Landräte
Geschätzte Gäste

 

Mit der heutigen konstituierenden Sitzung beginnt für den Landrat im Kanton Glarus die neue Amtsperiode. Es ist mir eine Ehre, dass ich Sie alle recht herzlich im Rathaus begrüssen darf. Gemeinsam werden wir in den nächsten Minuten über die Anerkennung der Wahlen beraten, Sie werden den Eid leisten oder ein Gelübde ablegen – und Sie werden bestimmen, wer aus ihren Reihen den Vorsitz übernehmen darf und für die weiteren Beratungen meinen Platz hier einnehmen soll. Kurz gesagt: Wir erleben einen feierlichen Einstieg in eine neue Legislatur, wie das nur alle vier Jahre geschieht.

Das ist ein bedeutender Augenblick, den man selbstverständlich zelebrieren soll und auch geniessen darf. Dies lege ich besonders der neu gewählten Landrätin und den neu gewählten Landräten ans Herz. Sie heisse ich an dieser Stelle ganz speziell willkommen. Gerade die Vereidigung ist ein bewegender Moment – zumindest ich persönlich war beim Schwur bisher jedes einzelne Mal tief beeindruckt. Und zwar deshalb, weil einem dabei schlagartig die grosse Verantwortung bewusst wird, die man für seinen Kanton trägt. Die Verantwortung für Land und Volk von Glarus.

Viele der Geschäfte, die Sie hier im Saal beraten, werden später von der Landsgemeinde noch einmal auf Herz und Nieren geprüft. Was Sie abliefern wird durchleuchtet und Ihre Arbeit mehr oder weniger schonungslos bewertet. Auf dem Ring herrscht zweifelsohne die Erwartung, dass alle Themen vorab breit und ernsthaft diskutiert wurden. Dass sämtliche Argumente auf dem Tisch liegen und fundiert geprüft sind. Und, dass das Beantragte unseren Kanton im Idealfall vorwärtsbringt. Das heisst: es wartet ein grosser Brocken Arbeit auf Sie, aber auch eine ungemein spannende Tätigkeit.

Wie diese Tätigkeit oder der Betrieb vonstatten geht – wie der Hase läuft –, das wissen die Allermeisten hier im Saal. Wer neu ist, der wird sich in den nächsten Monaten daran gewöhnen. Ein offenbar recht ausgiebiges Einführungsprogramm durften Sie vergangene Woche bereits geniessen, und auch die Landratsverordnung – gewissermassen Handbuch und Anleitung zum Ratsbetrieb – dürften sie bestimmt verinnerlicht haben. Im Sinne einer seriösen Vorbereitung.

Es ist offenkundig, dass wir uns in einem System bewegen, das einigermassen durchdekliniert ist. Mit vielen niedergeschriebenen Regeln, aber auch einigen ungeschriebenen. Und das ist gut so. Denn das Einhalten allgemein akzeptierter Aushandlungsprozesse und der Respekt gegenüber den gemeinsam definierten Spielregeln – dies verleiht den Abstimmungsergebnissen eine besondere Legitimität. Wenn die Ergebnisse regelkonform entstehen, dürfen wir sie als fair und effizient betrachten – egal, was das politische Ergebnis ist. Und genau darum geht es doch in einer Demokratie.

Dass auch ein Regelwerk stets zu hinterfragen ist und sich Institutionen weiterentwickeln sollen, versteht sich von selbst. Genau gleich, wie der Erfolg jeder Methode von denjenigen abhängt, die Sie umsetzen. Also von Ihnen, geschätzte Landrätinnen und Landräte – von den Menschen hinter den Paragrafen, den Menschen hinter Zahlen, Tabellen und Rechtsschriften.

Sie sind Teil einer kantonalen Behörde, die in erster Linie das grosse Ganze im Auge behalten muss. Der Fokus hier liegt nicht auf persönlichen Interessen, nicht auf Bedürfnissen einzelner Interessengruppen, Ortschaften oder Gemeinden. Der Landrat ist mit einer übergeordneten Sichtweise für das Gedeihen des gesamten Kantons verantwortlich.

Dieser Kanton hat sich auf die Fahne geschrieben, dass er ein innovativer und wirtschaftsstarker Landsgemeindekanton ist. Dass er ursprüngliche alpine Landschaft in Zentrumsnähe bietet. Dass er gefragt ist, vernetzt ist, Anschluss ermöglicht und Chancen eröffnet.

Wollen wir diese Vision verwirklichen und uns entsprechend positionieren, braucht es von uns allen einen offenen Fokus. Es braucht die Bereitschaft für eine Zusammenarbeit über ideologische Schranken hinaus. Die Bereitschaft, Parteigrenzen zu überwinden und aufeinander zuzugehen.

Während andernorts Oppositionspolitik – systembedingt – dazugehört; hat sie bei uns keinen Platz. Wir Glarnerinnen und Glarner hören einander zu und verzichten auf Klamauk oder Polemik. Unsere kleinräumigen Strukturen – die kurzen Wege – erlauben uns schlagkräftiges Arbeiten. Aber eben nur dann, wenn alle am gleichen Strick ziehen. Wenn wir uns gemeinsam mit Herzblut für ein starkes Glarnerland engagieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich habe meinen Worten ganz bewusst einen feinen Hauch Pathos verpasst. Weil ich finde, dass in Zeiten wie den heutigen unsere Werte nachdrücklich in Erinnerung gerufen werden sollen. Werte, die über Jahrhunderte geschärft wurden: Das solidarische Handeln etwa. Das Fördern des Gemeinsinns. Und insbesondere das bei uns tief verankerte Prinzip der demokratischen Verständigung.

An der Ostgrenze von Europa herrscht Krieg. Aufgeklärte Menschen gehen in aller Grausamkeit aufeinander los. Unermessliches Leid bricht über unbescholtene Familien herein. Kinder sterben oder werden verstümmelt. Perspektiven werden ausgelöscht. Die täglichen Nachrichten über das völlig unnötige Elend sind kaum zu ertragen.

Gleichzeitig sitzen wir hier und haben das Privileg, dass wir in Freiheit raten, mindern und mehren dürfen. Selbstbestimmt! Der Blick auf diesen gewaltigen Kontrast soll uns Demut lehren. Und er soll uns motivieren, die erwähnten Werte auch tatsächlich zu leben – unser Einstehen für Freiheit und Selbstbestimmung noch zu verstärken. Auch im Kleinen übrigens, wenn hier Gesetze und Verordnungen ausgeheckt werden.

Anderseits wäre es falsch, wenn wir uns angesichts der düsteren Zukunftsaussichten lähmen liessen. Stehenbleiben ist nämlich keine Option. Es braucht trotz allem den zuversichtlichen Blick nach vorne. Und wir müssen die Aufmerksamkeit auf Projekte und Aufgaben richten, die wir gemeinsam verwirklichen wollen.

So steckt der Regierungsrat derzeit mitten im Prozess, das Tätigkeitsprogramm für die neue Legislatur aufzugleisen. Im Herbst können wir Ihnen dieses vorlegen und werden wir es miteinander diskutieren. Der Strauss an Themen ist ein bunter: Wir werden uns etwa über politische Partizipation unterhalten. Über digitale Transformation und die Befähigung dazu. Über nachhaltige Entwicklung und den Umgang mit der Klimaveränderung. Oder über die Optimierung unserer Gesundheitsversorgung. Aber auch über Strategien, um steuerlich attraktiver zu werden. Und über vieles mehr.

Immer im Hinterkopf behalten müssen wir dabei, dass unsere Ressourcen begrenzt sind. Die vergangenen zwei schwierigen Jahre haben den finanziellen Reserven arg zugesetzt. Der finanzpolitische Handlungsspielraum unseres Kantons wird kleiner und wir können nicht überall zu den Grössten und Besten gehören. Damit wir überhaupt öffentlichen Leistungen erbringen können, brauchen wir eine gut funktionierende Volkswirtschaft, brauchen wir Arbeitsplätze. Denn Arbeit ist für die Glarner Bevölkerung die Grundlage, um Einkommen zu erzielen. Arbeit ist die Basis für unser Selbstwertgefühl. Arbeit ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Arbeit bringt sozialen Frieden und Wohlstand.

Machen wir uns also selber an die Arbeit, um die idealen Rahmenbedingungen zu schaffen für wirtschaftliche Stärke. Beginnen Sie die neue Legislatur heute feierlich. Und packen Sie sie dann mit positiver Einstellung an. Damit der Rückblick in vier Jahren ebenso feierlich ausfallen kann. Für den Weg dorthin wünsche ich Ihnen allen – uns allen – gutes Gelingen.