«Es geht um die Verhältnismässigkeit»

Am letzten Montag referierte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Ständerat Pankraz Freitag über zwei Themen der kommenden eidgenössischen Abstimmung im «GH» in Ennenda. Der gut besuchte Anlass wurde von der Glarner Handelskammer und dem Gewerbeverband sowie von den Parteien BDP, CVP und FDP organisiert.



Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf referierte über die Ausschaffungsinitiative. (Bilder: Jürg Huber) Ständerat Pankraz Freitag referierte über die Steuerinitiative.
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf referierte über die Ausschaffungsinitiative. (Bilder: Jürg Huber) Ständerat Pankraz Freitag referierte über die Steuerinitiative.

Ein Lehrling, der einem Kollegen einen Joint verkauft oder ein Dealer, der im grossen Stil harte Drogen wie Heroin oder Kokain unter die Leute bringt. «Nach unserem Rechtsempfinden sind das zwei verschiedene Dinge», veranschaulichte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf das Thema der «Ausschaffung». Während hier der Gegenvorschlag die Verhältnismässigkeit berücksichtigen würde, gebe es bei der SVP-Initiative nur eine Lösung: Die Ausschaffung. «Der Initiativ-Text formuliert nur die Art der Straftat, hinterfragt aber nicht, ob es sich im konkreten Fall eher um ein Bagatelldelikt handelt.» Nicht nur in diesem Punkt sei der Gegenvorschlag ausgewogener, auch der Katalog der Delikte sei umfassender. «Hier wird auch fahrlässige Tötung oder Körperverletzung berücksichtigt.» Vor allem bei den in letzter Zeit in den Medien stark beachteten Raser-Fällen handle es sich in den meisten Fällen eben um Straftaten ohne Vorsatz.

«Nur in Länder, welche die Personen aufnehmen»

Eine weitere wichtige Unterscheidung machte Schlumpf am Montagabend im «GH». «Hier sprechen wir um Ausländer, die eine Aufenthaltsbewilligung C oder B haben.» Daneben gibt es aber Asylsuchende und illegale Ausländer. Vor allem bei Asylsuchenden wäre eine Ausschaffung bei beiden Vorschlägen nicht möglich. Auch sind der Schweiz die Hände gebunden, wenn das betroffene Land die Person nicht aufnehmen will. «Es kam auch schon vor, dass eine Person das Flugzeug nicht verlassen durfte.» Denn schon heute kann die Schweiz straffällige Ausländer in ihr Ursprungsland zurückführen. Im Jahr 2008 waren es rund 600 Wegweisungen. «Mit vielen Ländern hat die Schweiz solche Abkommen, aber eben nicht mit allen.»

Obwohl die Schweiz die Ausschaffung schon kennt, arbeitete der Bund einen Gegenvorschlag zur Ausschaffungs-Initiative aus. «Damit die Fälle klarer erfasst werden und damit alle Kantone dieses Werkzeug gleich anwenden.» Der Gegenvorschlag sei eine Lösung, die schnell umgesetzt werden kann, da sie im Vergleich zum Initiativ-Text konkret formuliert wurde. Zum Abschluss gab die Bundesrätin den Stimmbürgern noch den Tipp, dass sie ja nicht die Stichfrage vergessen. Diese spielt eine Rolle, falls beide Vorschläge mehr als 50 Prozent erreichen.

Auch das Alter der Straftäter würde in der Initiative nicht berücksichtigt. Es könnte deshalb vorkommen, dass Jugendliche, die in der Schweiz aufgewachsen sind, in ein Land ausgewiesen würden, dass sie nicht kennen. «Ausserdem hat die Schweiz ein Abkommen unterzeichnet, das untersagt – ausser in sehr speziellen Fällen –, Jugendliche von ihren Eltern zu trennen.» Das würde heissen, dass bei einem solchen Urteil eine ganze Familie betroffen wäre, und dies vielleicht nur wegen eines Bagatelldelikts.

Säule des föderalistischen Systems

Zum zweiten Abstimmungsgegenstand, der Steuerinitiative, referierte Ständerat Pankraz Freitag. Gleich zu Beginn seiner Rede stellte er klar, dass auch er natürlich für gerechte Steuern sei, jedoch stellt sich dabei die Frage: Was ist eigentlich gerecht? «Eine gute Art der Gerechtigkeit ist für mich der Finanzausgleich zwischen den Kantonen.» Ausserdem verglich er das Steuersystem der Schweiz mit dem im Ausland. «Kaum ein anderes Land hat zwischen seinen Bundesländern einen Wettbewerb; und kaum ein Land hat so niedrige Steuersätze.» Die föderalistische Steuerlösung sei deshalb eine grosse Stärke der Schweiz und steigere die Eigenständigkeit der Kantone. Die Kantone und Gemeinden müssen dabei selber schauen, welche Investitionen sie tätigen wollen und wie sie diese finanzieren können. «Gerade im Glarnerland entscheidet die Landsgemeinde über grössere Ausgaben und den kantonalen Steuersatz, und kann deshalb dem Kanton auch auf die Finger schauen.» Durch den Mindeststeuersatz ab einem Einkommen von 250 000 Franken, befürchtet Freitag, würden auch für kleinere Einkommen die Steuern ansteigen. «Es kann ja nicht sein, dass da plötzlich ein riesiger Sprung drin ist.» Die Annahme der Initiative könnte auch der erste Schritt hin zu einer Steuerharmonisierung sein, die, nach Freitag, den Standort Schweiz nachhaltig schwächen würde. «Ich möchte nicht nur in diesem Punkt mit keinem anderen Land der Welt tauschen», schloss der Ständerat sein Referat.

Die eidgenössische Abstimmung mit der Ausschaffungs- und der Steuerinitiative findet am Wochenende vom 28. November statt.