Eva Oertli – Steinbildhauerin

Unlängst war den Medien zu entnehmen, dass die in Ennenda lebende und in ihrer Wohngemeinde tätige Steinbildhauerin mit dem Glarner Kulturpreis dieses Jahres ausgezeichnet werde. Die Anerkennung für ihr breites Schaffen ist mehr als verdient. Und wer sie und ihr Gestalten nicht kennt, sei gerne auf zwei Arbeiten aufmerksam gemacht, denen man mit grosser Gewissheit begegnet ist.



Eva Oertli – Steinbildhauerin

Es ist diese schützende Hand, deren Finger am südlichen Ende des stadtglarnerischen Volksgartens aus dem Boden ragen und einem daraus wachsenden Baum Halt und Sicherheit verleihen. «Caring hand» ist Titel dieses Werks, das zusammen mit dem Bildhauer Beat Huber realisiert worden ist. Und die grosse «Rote Drei» auf der Ostseite des Landsgemeindeplatzes ist unübersehbar, hat vielleicht bei Betrachtenden für leicht rote Köpfe gesorgt, ist aber nicht mehr wegzudenken, ist klare Erinnerung an die Gemeindefusionen. Sie reckt sich leicht himmelwärts, deutet damit an, wo der Weg dieses immer noch intensiv diskutierten Zusammenschlusses führen soll, was sich im zuweilen strahlenden Blau, dann wieder in Wolkengebilden versteckt, was enthüllt sein will.

Bekannt ist Eva Oertli auch wegen weit anderen Teilen ihres breit gefächerten, sich schon über Jahrzehnte dahinziehenden Schaffens. Zuweilen äussern sich Feinheiten, die zu stiller Bewunderung, zu Träumereien Anlass geben, an die Ewigkeit eines bearbeiteten Steins erinnern. Sie gestaltet mit beeindruckender Beharrlichkeit, mit grossem handwerklichem Geschick, Geduld und Spürsinn aus, wissend, dass es oft enorm viel Zeit braucht, bis Erdachtes ausgestaltet ist.

Dass sie sich um 1981, im Alter von damals 17 Jahren, entschied, Steinbildhauerin zu werden und das – notabene in vierter Generation in der Werkstatt an der Ennendaner Villastrasse – weiterzuführen, was zuvor ausschliesslich Männern vorbehalten war, löste bei ihrem Vater anfänglich einiges Kopfschütteln aus. Aber Eva Oertli war fest entschlossen, dieses kunstreiche, alles andere als einfache Handwerk zu erlernen. War sie damit Wegbereiterin für andere Frauen, die sich ebenfalls der Bildhauerei zuwenden wollten?

Es war nicht eben einfach, einen Lehrbetrieb zu finden. Aber weil der Vater sich schon fürs Akzeptieren des Berufswunsches entschieden hatte, bot er sich als Lehrmeister an. Im Verlaufe der vier Jahre umfassenden Ausbildung hatte sich Eva Oertli mit Stein-, Baustil- und Schriftkunde, Aktzeichnen, Modellieren, der Herstellung von Gipsmodellen und praktischen Arbeiten auseinanderzusetzen. Sie merkt in ihrem Zurückblicken unter anderem an, dass sie neben der berufsbezogenen Arbeit auch noch das Schmieden von Spitzeisen erlernte. 1984 schloss sie die Ausbildungsjahre ab und hatte dann die Möglichkeit, an der damaligen Kunstgewerbeschule einen Tag pro Woche als Hospitantin Kurse zu belegen. Es folgten nach bestandener Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie in München während anderthalb Jahren Teile einer weiterführenden Ausbildung.

Sie konnte das ausleben und vertiefend erfahren, was ihr schon in frühen Jahren so Spass gemacht hatte, was für sie einfach faszinierend war. Mit der Bildhauerei und dem Modellieren ist ihr Heranwachsen untrennbar verbunden. Zuweilen dachte sie daran, Lehrerin oder Zeichnungslehrerin zu werden. Aber diese Gedanken legte sie beiseite, weil sie vom Alltag mit Schule einfach genug hatte.

Und nun sind es bereits 30 Jahre, während denen sie zielorientiert am Ausgestalten ist. Über einige Jahre hinweg war das in einem Kollektiv der Fall, seit 2013 führt sie ihre Werkstatt allein, ist aber oft geschätzte Gastgeberin für Mitarbeitende oder Bildhauerfreunde, die sich einmieten, um ein Werk zu realisieren.
Auftragsarbeiten bestehen für sie zur Hauptsache darin, Grabsteine nach Wünschen der Kundschaft zu behauen. Dies ist für sie wertvolle und willkommene wirtschaftliche Basis, auch frei gewählte Arbeiten ausführen zu können.

Dass Kunden bezüglich Art des Steins Wünsche haben, ist für Eva Oertli kein allzu grosses Problem, was Beratung und jeweilige Ausführung anbetrifft. Generell rät sie von exotischen und nicht geeignetem Material ab.

Die Gestaltung ihrer Freizeit und das Abstimmen der Arbeit auf aktuell Vorgegebenes ist angesichts der Corona-Situation mit hin und wieder Einschränkendem verbunden. Das momentan sehr reduzierte kulturelle Angebot bedauert sie – wie viele andere auch. Und trotzdem: Wir befinden uns in einer privilegierten Situation. Aufenthalte in der Natur, Wanderungen, Ausflüge auf dem Bike, leidenschaftliches und ausdauerndes Gärtnern zählen zu Eva Oertlis Alltag. Und wird einiges zu dominant oder störende Unterbrüche in Arbeitsprozessen zu stark, kommt es zu einem Ausflug oder dem Besuch einer Ausstellung. Nachher ist die Weiterführung von Vorgegebenem wieder leichter möglich.
Eva Oertli schätzt sich glücklich, dass sie Auftragsarbeiten kaum einmal ablehnen musste, dies aus starker innerer und persönlicher Überzeugung.

Immer hat sie irgendwelche Projekte, die sie zu gegebener Zeit anpackt. Ob sie Kurse anbiete oder Lernwillige ausbilde? Sie verneint diese Frage. Das sei für sie zu zeitraubend. Zudem fehle an ihrem Werkplatz die notwendige Infrastruktur. Vom Erlernen ihres Berufes rät sie eher ab. Um die beruflichen Aussichten stehe es nicht eben umfassend gut. Sie empfiehlt Interessierten, sich vertiefend mit der Ausbildung als Steinmetz zu befassen. In diesem Umfeld gebe es dank Sanierungen immer genug zu tun.

Und wenn sie auf die verschiedenen Steinsorten zu reden kommt, die sie verwendet, wird spürbar, dass allein das Beschaffen eine Herausforderung sein kann. Den Sernifit (Rotrisi) findet man an geeigneten Stellen im Freien; anderes Material wie Alabaster, Kalkstein, Granit, usw. kauft Eva Oertli in Steinbrüchen, bei Gesteinshändlern oder in anderen Bildhauerbetrieben.

Nachher kann es losgehen. Eva Oertli hat ihr Schaffen zwischen 1993 und 2019 an 17 verschiedenen Orten präsentiert. Alles kann nicht aufgezählt werden. Der Bekanntheitsgrad ist bemerkenswert, verdientermassen hoch und ihr Ausführen anerkannt. Erstmals begegnete man ihrem Gestalten anno 1993 im Kunsthaus Glarus. Sieben Jahre später schloss die Internationale Triennale für Keramische Kunst im bernischen Spiez an. Es folgten im Jahre 2004 die Skulptura in Glarus, dann der Kunstweg Horner Seeufer im Thurgauischen. Zu Gast war Eva Oertli an der openArt in Roveredo, in der Galerie Mäder Basel und an der Art Karlsruhe in Deutschland und in Basel. Es schliessen – über Jahre hinweg – der Skulpturenweg im basellandschaftlichen Lausen, die «kleinen Gesten» im Skulpturengarten Engi, Begegnungen in der Galerie «Gartenflügel» Ziegelbrücke, in Giubiasco und anno 2012 das Ausstellen in der stadtzürcherischen Galeria Willi E. Christen mit dem Thema «Glarner Überschiebung (zusammen mit dem Fotografen Fridolin Walcher); Weiertal, Diepoldsau, «ArteperArte» in Giubiasco ((2015), Traumdepot, Stein und Malerei, Bern; Bildhauerwoche Murg-Auen Park in Frauenfeld, die ArtMonumentum in Biel (2017), das Glarner Kunstschaffen in der Therma Schwanden ((2018) und das Präsentieren im Skulpturenpark Muri/BE, der Werkhalle Siebnen und der Alten Sägerei Schänis (2019) an.

Eva Oertli wünscht sich eine gleichbleibend gute Gesundheit, die körperliche und geistige Kraft, um der strengen Arbeit gerecht zu werden und eine gute Balance zwischen Auftragsarbeiten und freiem Schaffen.  

Und es ist ihr sehr zu gönnen, wenn Ausstellungen weiterhin weit über unsere Kantons- und Landesgrenzen hinaus möglich sind, damit ihr subtiles und formschönes Ausgestalten Kunstinteressierten und -liebhabern zugänglich ist – und es auch bleiben wird.