Expertenwissen der Linthwerk-Sanierung bereits greifbar

Rund 180 Fachleute trafen sich am 6./7. Juni an der Hochschule Rapperswil zum Symposium über die Sanierung des Linthwerks. Neben 25 Referaten aus verschiedensten Fachrichtungen zum komplexen Grossprojekt fanden Exkursionen statt. Zur Tagung wurde auch ein Fachbuch publiziert.



nutzt die Fragerunde. Markus Jud
nutzt die Fragerunde. Markus Jud

Dass Hochwasserschutz in der Schweiz derzeit ein hochaktuelles Thema ist, zeigt das grosse Interesse der Fachwelt am Symposium zum Linthwerk. Nicht weniger als 180 Ingenieure, Ökologen, Wasserbauexperten, aber auch Planer, Behördenvertreter und Politiker nahmen an der 2-tägigen Veranstaltung in der Hochschule in Rapperswil teil. Die hohe Besucherzahl überrascht nicht, denn das Linthwerk hatte bei der kürzlich abgeschlossenen Sanierung – genauso wie bei seinem Bau im 19. Jahrhundert – wieder eine Pionierrolle inne: Es ist das erste grosse Hochwasserschutzprojekt, das nach dem neuen Bundesgesetz über den Wasserbau «rasch und erfolgreich umgesetzt wurde», wie Regierungsrat Willi Haag, Präsident der Linthkommission, in seiner Begrüssungsansprache festhielt.

Projekt als interdisziplinäres Gesamtwerk


Die heute geltende Gesetzgebung verlangt von Hochwasserschutzbauten mehr als Gefahrenabwehr. So müssen diese Infrastrukturanlagen unter anderem mögliche Risiken berücksichtigen und ökologisch nachhaltig sein. Das Linthwerk-Projekt war darum ein interdisziplinäres Gesamtwerk von Bauexperten, Ingenieuren und Fachleuten aus Raumplanung, Hydrologie und Umweltschutz bis hin zur Archäologie. Am Symposium kamen auch die historischen, politischen und sozialen Dimensionen der Linthwerk-Sanierung ausführlich zu Wort. Aus erster Hand war zu erfahren, wie man im Spannungsfeld von Sicherheitsanforderungen und landwirtschaftlicher Nutzung agierte, wie die Partizipation von verschiedenen Umweltorganisationen erfolgte oder wie die Bevölkerung über die Geschehnisse während der Planungs- und Bauzeit informiert wurde. Die Bauleitung gab Einblick in die komplexen Bauvorgänge, die Herausforderungen beim Bauen am fliessenden Wasser, die Anwendung neuster Vermessungstechniken und die ökologisch sinnvolle Materialbewirtschaftung. Auch das Management der Grossbaustellen und die Kostenkontrolle während der fünfjährigen Bauzeit wurden thematisiert. Und schliesslich referierten mehrere Fachleute über die weiter laufenden Aufgaben des Linthwerks: Erfolgskontrolle des Projekts, Überwachung und Unterhalt der Bauwerke, speziell bei auch bei Hochwasser, Monitoring verschiedener Entwicklungen in Flora und Fauna.

Anschauungsunterricht vor Ort


Eine hervorragende Ergänzung zu den Vorträgen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen aus dem Projekt bildeten die geführten Exkursionen an die Schlüsselstellen des neuen Linthwerks. Im Chli Gäsitschachen am Escherkanal erlebten die Symposiumsteilnehmenden die bereits gut sichtbaren Wirkungen der Glarner Linth, die hier in einer Aufweitung wieder ein gleich breites Flussbett erhalten hat wie vor der Linthkorrektion durch Hans Konrad Escher. Besonders eindrücklich sind die dynamische Entwicklung des geschiebehaltigen Flusslaufs, die Rückkehr einer natürlichen Ufer- und Riedvegetation und die Waldentwicklung im neu ausgeschiedenen Waldreservat bis zum Gäsi am Walensee.

Bei der Aufweitung Hänggelgiessen am Linthkanal lag das Hauptaugenmerk der Exkursion auf den technischen Massnahmen zur Hochwasserentlastung mit dem regulierbaren Wehr und auf dem Wilddurchlass und seinen Möglichkeiten zur Vernetzung der Wildtiere vom Benkner Büchel bis zum Voralpengebiet. Die benachbarten Tümpel haben sich bereits zu neuen Lebensräumen für Amphibien entwickelt und in der Aufweitung sind erfreulicherweise viele Jungfische festzustellen.

Beim Benker Steg, der dritten Exkursionsstation, lässt sich das hydraulische System des Linthwerks mit den drei Ebenen Linthkanal, Hintergraben und F-Kanal am besten erfassen. Themen hier waren die Entwässerungssysteme, die Methoden der Dammverlegung und Dammsanierung und die Flachufergestaltungen. Auch hier ging es um ökologisch bedeutsame Lebensräume für bedrohte oder seltene Lebewesen.

Fachpublikation erschienen

Nur wenige Wochen nach dem offiziellen Abschluss des Projekts Hochwasserschutz Linth 2000 und der Eröffnung des Linthkanals am 27. April 2013 liegt bereits eine gedruckte Bilanz der 15-jährigen Planungs- und Bauzeit vor. Die 412 Seiten starke Fachpublikation enthält alle Referate des Symposiums und 10 weitere Beiträge zu speziellen Themen wie Vegetationsentwicklung, Geschiebehaushalt am Escherkanal, Zwischenbilanz der Umweltverbände, Besucherlenkung, Sicht der Fischer und der Projektgegner. Der Band mit CD aller Referate kann unter www.linthwerk.ch bestellt werden. Preis: 48 Franken.

Das Linthwerk


Das Linthwerk führt die Linth im Escherkanal von Mollis zum Walensee und im Linthkanal vom Walensee zum Zürichsee. Es schützt die Linthebene vor Hochwasser. Gebaut wurde das Linthwerk von 1807 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf Initiative des Zürchers Hans Konrad Escher (1767–1823). Zwischen 2008 und 2013 wurde das Werk saniert und renaturiert. Das Linthwerk wird im Rahmen des Linthkonkordats durch die Kantone Glarus, Schwyz, St. Gallen und Zürich verwaltet. Federführend sind die Linthkommission und die Linthverwaltung.

Projekt Hochwasserschutz Linth 2000:


Das im April 2013 abgeschlossene Grossprojekt zur Sanierung des Linthwerks und zur Sicherung des Hochwasserschutzes in der Linthebene beanspruchte eine 10-jährige Planungszeit und 5 Jahre Bauzeit. Gesamtkosten: 126 Millionen Franken. Saniert oder erneuert wurden 23,6 km Dämme, 7,8 km Nebendämme und 16,6 km Uferstrecken. Als ökologische Ausgleichs- und Vernetzungsmassnahmen wurden u.a. zwei grosse Flussaufweitungen, ein Wildtierkorridor und Schutzzonen geschaffen und Uferstrecken renaturiert. Auf dem erneuerten Wegnetz hat die Bevölkerung Zugang zu verschiedenen Erholungsflächen.