Man müsste mit diesem begnadeten Autor wohl gemeinsam unterwegs sein, um seine Impressionen umfassend aufnehmen zu können. Hohler schildert mit der ihm eigenen Logik, ist kurzweilig, kritisch, vermag zu geniessen, auch mal den Finger aufs eine oder andere zu halten. «Nach Europa» heisst die erste der 43, in ihrer Art einzigartigen Kurzgeschichten.
Urplötzlich ist man mitten drin, wandert zu einem Maiensäss. Über zuweilen recht schmale Pfade geht es zu irgendwelchen Kühen, zu «Waldkühen», wie Hohler anmerkt.
Und wenig später geht es im Regio-Express nach Nürnberg, kommen unliebsam Geschichtliches, damit die Schrecken der Nazizeit auf. Hohler mahnt, ist zu Recht unbequem.
Er entführt – eine Taschenbuchseite später – an den Schalter einer Grossbank und widmet sich wegen eines bürokratischen Irrtums seinem damit biblischen Alter – dem 1. 1. 1901, um zu staunen, wie er als damals 110-Jähriger Strassen gefahrlos queren kann. Passkontrolle am Moskauer Flughafen; Importzölle samt Erinnerungen an den Grossvater und dessen Jugendjahre; Tod einer Amsel; Enten und S-Bahn; die Flucht der Zeit; das Ende; das Leben mit den Toten – Hohler spannt sein Betrachten ganz weit. Er bezieht eine Taufe in Krasnojarsk, Wanderungen, Lesungen; einen Sonntagsspaziergang in Kiew – damals noch prosperierend, stark besucht, mit ein. Er lässt einen in Usbekistan verweilen und an kurzen Gesprächen mit jenen teilhaben, die eine seiner Lesungen besucht haben, ihn auf der Strasse ansprechen. Hohler ist zuweilen liebenswürdig Geniessender. Er erwähnt irgendwann eine Coop-Geschenkkarte, die er anstelle eines Honorars erhalte hatte. Smalltalk, eine bestimmte Anzahl von Gepäckstücken, Appenzell, Konzertantes, eine Beschwerde, Strafvollzug, einer von vielen Sonntagabenden, Dichterleben, Odessa – es geht nicht einfach rundum. Hohler führt, entführt, lässt einen verweilen und das auswählen, was gerade Lust macht.
So hat man die Ferienerlebnisse im Taschenbuchformat grad bei sich.