FDP gewinnt und SVP verliert einen Sitz

Bei der Prüfung einer Beschwerde mehrerer Stimmbürgerinnen und -bürger vom Juni 2010 gegen das Wahlergebnis im Wahlkreis Glarus Nord zeigten sich verschiedene Auffälligkeiten, welche den Regierungsrat zur Anordnung eines Schriftgutachtens (August 2010) und eines Ergänzungsgutachtens (November 2010) veranlassten.



Der Regierungsrat hat im Verfahren um die Landratswahl 2010 entschieden. (Motivbild: ehuber)
Der Regierungsrat hat im Verfahren um die Landratswahl 2010 entschieden. (Motivbild: ehuber)

Die Begutachtung ergab Anhaltspunkte für eine Vielzahl von Fällen, in denen jeweils eine Person mehrere Wahlzettel ausgefüllt hat. Von den 1915 handschriftlich ausgefüllten oder abgeänderten Wahlzetteln ist rund ein Fünftel betroffen. Dabei handelt es sich zu etwa 83 Prozent um Doppel- und zu etwa sieben Prozent um Dreifachausfüllungen; die restlichen rund zehn Prozent machen Mehrfachausfüllungen von vier bis sieben Wahlzetteln aus.

Rechtliches

Das geltende Abstimmungsgesetz erlaubt die Stellvertretung von höchstens zwei Stimmberechtigten aus der eigenen Familie oder aus dem gleichen Haushalt. Mit der Stellvertretung ist nur das Bringen der Abstimmungsunterlagen zur Urne gemeint. Allerdings kommt dies im bestehenden Gesetzeswortlaut nicht klar zum Ausdruck, was mit einer Vorlage auf die kommende Landsgemeinde geändert werden soll. Die grosse Zahl von möglichen Doppel- und Dreifachausfüllungen legt den Schluss nahe, dass in breiten Kreisen die Meinung bestand, die Stellvertretung erstrecke sich auch auf das Ausfüllen der Wahlzettel nach Weisung oder im Einverständnis der stimmberechtigten Person. Bei diesem (falschen) Verständnis der gesetzlichen Regelung wären stellvertretende Einzel- und Doppelausfüllungen erlaubt, womit eine Person zusammen mit dem eigenen Wahlzettel maximal deren drei ausfüllen dürfte. Durch die vermeintlich zulässige Ausweitung des Stellvertretungsrechts nicht mehr gedeckt sind dagegen Mehrfachausfüllungen durch eine Person, die mehr als drei Wahlzettel betreffen.

Unter Berücksichtigung der nicht klaren Umschreibung der Stellvertretung im bisherigen Recht entschied der Regierungsrat, bei Mehrfachausfüllungen durch eine Person Ungültigkeit ab dem vierten Wahlzettel anzunehmen. Mit dem Ergänzungsgutachten liess der Regierungsrat abklären, ob bei den betroffenen Gruppen von Wahlzetteln tatsächlich Mehrfachausfüllungen vorliegen. Aufgrund dieser Begutachtung ist nach den Beweisregeln erwiesen, dass die fraglichen Wahlzettel jeweils eine einzige Person ausfüllte.

Korrektur des Wahlergebnisses

Die Ungültigkeit von Mehrfachausfüllungen durch eine Person ab dem vierten Wahlzettel verlangte nach einer Neuberechnung des Wahlergebnisses. Diese Neuberechnung ergibt folgende Korrektur des am 3. Juni 2010 publizierten Wahlergebnisses im Wahlkreis Glarus Nord:

Die Liste der SVP erhält statt acht nur noch sieben Sitze, und die Liste der FDP erhält vier statt drei Sitze.
Der Sitzverlust trifft René Brandenberger, Mollis, der zuvor auf der SVP-Liste als Gewählter mit der kleinsten Stimmenzahl figurierte.
Der Sitz geht neu an Edgar Wolf, Niederurnen, der zuvor auf der FDP-Liste der Nichtgewählte mit der höchsten Stimmenzahl war.
Zudem ergeben sich gewisse Änderungen bei den persönlichen Stimmenzahlen verschiedener Kandidierender, die aber keine Auswirkungen auf die Sitzverteilung des Landrates haben.

Für die einen Sitz verlierende SVP würde sich kein günstigeres Resultat ergeben, wenn bei Mehrfachausfüllungen durch eine Person Ungültigkeit schon ab dem zweiten Wahlzettel oder gar aller betreffenden Wahlzetteln angenommen würde; dies weil gemäss dem ersten Gutachten bei den für die SVP eingelegten Listen die Summe der möglichen Doppel- und Dreifachausfüllungen im Verhältnis zur erzielten Parteistimmenzahl überdurchschnittlich hoch ist.

Vereidigungen

Am 30. Juni 2010 erfolgte die Vereidigung von Landrätin Renata Grassi Slongo, Niederurnen, provisorisch; dies im Hinblick auf eine allfällige Korrektur der Sitzverteilung, welche gemäss damaligem Verfahrensstand ihre Einsitznahme im Landrat als Gewählte mit der tiefsten Stimmenzahl auf der SP-Liste hätte betreffen können. Der damals ebenfalls zur provisorischen Vereidigung zugelassene René Brandenberger verzichtete auf dieselbe und nahm dementsprechend an den Landratssitzungen nicht teil. Am 22. Dezember 2010 wäre Landrat Siegfried Noser aufgrund des damaligen Verfahrensstandes zur provisorischen Vereidigung zugelassen gewesen, auf welche er verzichtete.

Aufgrund des Ausgangs im regierungsrätlichen Verfahren ist das Provisorium bezüglich der Vereidigung von Landrätin Renata Grassi Slongo aufzuheben, und Landrat Siegfried Noser kann nun vorbehaltlos vereidigt werden. Zu vereidigen ist zudem, unter Vorbehalt seiner Annahme der Wahl, Edgar Wolf. Für die Antragstellung des Regierungsrates an den Landrat ist bedeutsam, ob und wann sein Entscheid rechtskräftig wird. Gegen den regierungsrätlichen Entscheid können die Verfahrensbeteiligten Beschwerde beim Verwaltungsgericht erheben.