Festtagsartikel zum Palmsonntag 2021

Die Kirche und die Kinder sind sich einig: Lätare! Freue dich!



Zeichnung von Amiel Wüthrich (8) zvg.
Zeichnung von Amiel Wüthrich (8) zvg.

Lätare! Freue dich! Ist der Aufruf der Kirche am vierten Sonntag der Fastenzeit. Zwei Wochen später, am Palmsonntag, wird diese Freude zum konkreten Jubel des Volkes. Ausgerechnet im Einstieg zur «Stillen Woche», die zum dunkelsten aller Tage führt, wo die Liebe, die Wahrheit, die Unschuld und die Hoffnung ans Kreuz genagelt werden, ausgerechnet dann soll man sich freuen! Zumutung? Unverschämtheit?

Wer kann im Blick aufs Kreuz an Freude denken? Wer kann im Blick auf düstere Prognosen, auf Pandemie, Lockdowns und Totenstille sich begeistern?

«Freue dich!» sagt die Kirche. Unverschämtheit, oder ... Weitblick?

Unser Sohn spricht schon seit Wochen von seinem Geburtstag, der in erst über zwei Monaten stattfinden wird. Er hat diesen Tag ins Auge gefasst, vor allem seit ein Paket ins Haus gekommen ist und er es versehentlich gesehen hat: «Warum hat Papa das Paket noch nicht geöffnet? Warum hat er es ganz oben auf das Regal gestellt?» Und der Kleine sieht seinen Geburtstag ganz konkret, dort, weit vorne und greifbar nahe ... und nichts und niemand bringt ihn von dem Gedanken ab. «Aber ich schaue nicht was drin ist, Mama!» Nur das Päckli schaut er an, noch braun und postartig, und sieht doch schon (oh Wunder!) ein buntes Geschenkpapier. Er sieht durch die braunen und farbigen Papierschichten und quer durch die ganze Zeit des (nun nicht mehr so düsteren) Wartens hindurch und es vergeht kein Tag, der nicht von seiner Freude bewegt würde. Kindereien oder Vertrauen? Unsinn oder ... Weitblick?

Die Kirche, das heisst die Menschen, die sich an Jesus Christus orientieren, lassen sich zur Freude begeistern in Erwartung einer dunklen Zeit. Nicht weil sie das Kreuz und die vielen «Kreuze», die wir erleben, übersehen, sondern sie durchschauen und dort schon Ostern sehen: Das leere Grab, die neue Hoffnung, das Auferstehen und Aufstehen zu neuem Leben, Mut nach Trübsinn, neue Solidarität nach Zerwürfnis, ungeahnte Ideen und erfreuliche Projekte geboren in der Tiefe des Winterschlafs.

Die Kirche und die Kinder sind sich einig: Lätare! Freue dich! Und wir Chlytaler und alle Glarner mit uns wissen, wenn wir im richtigen Moment, mit dem richtigen Blick in den grauen Felsen schauen, sehen wir schon, bevor sie noch aufgeht, die Sonne!

Pfr. Beat Emanuel Wüthrich