Flucht aus Tibet – Sonderausstellung im Anna-Göldi-Museum Ennenda

Anfänglich war das Museum im denkmalgeschützten Hänggiturm Ennenda Begegnungsort für jene, die sich mit dem bewegenden Schicksal der im Jahre 1782 hingerichteten Dienstmagd Anna Göldi befassten, die gewillt waren, sich mit dem Prozess um diese Geschehnisse auseinanderzusetzen. Die Museumsverantwortlichen waren auch spürbar gewillt, mannigfaltige Begegnungen zu einem Themenkreis anzubieten, der wohl zeitlos belastend sein wird.



Flucht aus Tibet – Sonderausstellung im Anna-Göldi-Museum Ennenda

Corona-bedingt mussten verschiedenste Veranstaltungen abgesagt werden. Es seien an Titeln zu dieser Zeitspanne unter anderem erwähnt: «Generation Pille», «Klima und Flucht», «Traditionelles Familienmodell vs. Andere Wohnformen»; «Herausforderung Leben: Wie schaffe ich das?»; Jubiläumskonzert des seit zwei Jahrzenten bestehenden Streichquartetts Nota bene: «Mit dem Hebammenkoffer um die Welt – Geburtshilfe im Flüchtlingslager»; «Heimat: Was bedeutet mir das?»; «Die Bäume der Heimat – Lesung mit Usama Al Shahmani, Literaturwissenschaftler und Schriftsteller»; Hexenjäger mit dem Theaterensemble «Das Klima».

Titel von drei Ausstellungen sind «Unvergesslich: Unsere Geschichten» von Amnesty International mit Geschichten von Geflüchteten, die positive Erfahrungen in der Schweiz gemacht haben und von Menschen, die Flüchtlinge in der Schweiz willkommen heissen; «Flucht aus Tibet» – zwei Fotografen ein gemeinsames Thema und «Entwurzelt und ausgeliefert», Holzskulpturen von Peter Leisinger, Arzt und Künstler.

Trägerin und Eigentümerin ist die Anna-Göldi-Stiftung. Das Museum im denkmalgeschützten Hänggiturm, einem Wahrzeichen der glarnerischen Textilindustrie des 19. Jahrhunderts, befindet sich im obersten Geschoss des Gebäudes, das mit seinem Kamin samt Aufschrift «ANNA» in über 30 Metern Höhe auffällt. Es wird zu mehr als 80 Prozent aus privaten Mitteln finanziert. Unterstützung erfährt es vom Kanton Glarus und der Standortgemeinde. Eröffnet wurde es am 20. August 2017. Informationen sind unter www.annagoeldimuseum.ch/Veranstaltungen und www.glarneragenda.ch abrufbar.

Flucht und Neuanfang, Bilddokumentation

Zwei Fotografen haben sich aus verschiedenen Gründen mit der Umsetzung einer Thematik befasst, die kein Ende zu finden scheint, die mit ihren Inhalten in oft erschütternder Direktheit ungemein betroffen macht.

Manuel Bauer hat einen Vater und dessen sechsjährige Tochter auf der beinahe drei Wochen dauernden, gefahrvollen Flucht über den 5716 Meter hohen Nangpa Pass ab Tibet bis nach Indien, dem Exil des Dalai Lama, begleitet und über 30 stark bewegende Filmminuten Schicksale zusammengefasst, die aufrütteln und betroffen machen, zu Fragen führen, die kaum beantwortbar sind. Das von China besetzte Tibet ist ein Ort geworden, der nicht mehr den Einheimischen und ihrer Kultur gehört. Es dominieren anders geartete, das einst gewohnte Leben sehr einschränkende Abläufe. Wer sich dem nicht fügt, wird mit spürbarer Härte diszipliniert. Resignieren kommt für viele nicht infrage – auch weil sie das geistige Erbe ihrer Heimat bewahren, weiter pflegen und leben wollen. Der Weg zum Dalai Lama ist lange, unendlich gefahrvoll, nur zu meistern, wenn Glaube an die Zukunft, unbeirrbare Überzeugung an eine bessere, einigende Gemeinschaft in der Fremde und ein ganz kleiner Funke Hoffnung auf Rückkehr ins einst eigene Land antreiben. Auf diesem Weg, den Manuel Bauer mit immenser Ehrlichkeit und grosser Direktheit mitgeht, lauern so viele, nicht selten tödliche Gefahren, hat es so zahlreiche Hindernisse, werden die Flüchtenden wieder rücksichtslos ausgebeutet und bestohlen. Über Details, die für Betrachtende kaum nachvollziehbar sind, wird berichtet. Man atmet unwillkürlich auf, wenn die Flüchtlinge den rettenden Ort endlich erreicht haben, dem Dalai Lama gegenüberstehen, wieder eine Schule besuchen, die der eigenen Kultur entspricht. Aber wie die Zukunft aussieht, weiss man erst, wenn sie Tatsache geworden ist.

Und das dokumentiert der zweite Fotograf, Sasi Subramaniam, der einst in Sri Lanka als Journalist tätig war, 2008 in die Schweiz flüchtete und mit seiner Familie heute im Glarnerland lebt. Für die Ausstellung hat er über mehrere Jahre hinweg tibetische Flüchtlinge fotografiert, die seit den Sechzigerjahren grösstenteils im Glarnerland leben. Er zeigt mit seinem Dokumentieren einfühlend auf, wie es diesen Leuten heute geht, wie sie ihr Leben ausgestalten und wie sie mit einst Fremdem in der neuen Gegenwart umgehen.

Mit der Ausstellung, die bis 22. August angeboten bleibt, wird auf die prekäre Wirklichkeit aufmerksam gemacht, die als Folge der totalitären chinesischen Staatsmacht in Tibet herrscht. Mehrere Tausend Klöster und Gebäude wurden geschlossen oder zerstört. Ein neues Kulturgut wird gelehrt, dem hat man sich zu fügen.

Den Besuchenden wird ein Begegnen mit Heutigem in der Fremde gezeigt. Das Fotomaterial mit den teilweise hohen Bildtafeln stimmt darauf ein, lässt positive Gefühle aufkommen – auch wenn Manuel Bauers Dokumentieren ungeheuer belastet und betroffen macht.