Fortbestehen der Zeitungsvielfalt? – Martin Beglinger referierte

Auf Einladung der Volkshochschule Glarus äusserte sich der Stadtglarner Dr. Martin Beglinger zur Medienlandschaft, die sich ungemein stark verändert, zum deutlichen Zeitungssterben, zum dramatischen Rückgang an Abonnenten, die Lesegewohnheiten und das Aufkommen anderer Informationsangebote. Als Journalist bei der NZZ tätig, konnte er wahrlich aus dem Vollen schöpfen. Er sprach vor «ausverkauftem Hause».



Dr. Martin Beglinger, Referent (Bilder: p.meier)
Dr. Martin Beglinger, Referent (Bilder: p.meier)

Der Saal des Hotels Glarnerhof war bis auf den letzten Platz besetzt, als Dr. Mark Feldmann, Präsident der Volkshochschule Glarus, begrüsste und den Referenten mit Jahrgang 1960 vorstellte. Gemeinsam habe man einst die Primarschule besucht. Beglinger studierte Allgemeine Geschichte, Politische Wissenschaften und Publizistik an der Uni Zürich. Er war mit Schwerpunkt «Politik» bei der Weltwoche, ab 2004 während zehn Jahren als Redaktor und stellvertretender Chefredaktor beim «Magazin» des «Tages Anzeigers» tätig. 2001 erhielt er den Zürcher Journalistenpreis. Er publizierte verschiedene Bücher. Seit 2018 wirkt er als Reporter und Autor für alle Ressorts bei der NZZ. Vorher war er Gründungsmitglied und Redaktor von «NZZ Geschichte».

Beglinger begann mit Warren Buffet und einem Bericht aus dem Jahre 2006, der im «Economist» erschien und sich mit der Frage «Who killed the Newspaper» befasste. Er fügte eine von Pietro Supino prognostizierte Aussage an. Einer der schweizweit wichtigsten Zeitungsverleger meint, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre nochmals 30 Prozent der traditionellen Produkte verschwinden werden.

Einst gab es im Kanton zwei Zeitungen. Bis 1980 kannte man Handys, PC und Internet kaum. Es wurde aufgezeigt, wie dramatisch der Rückgang einst war. Die traditionellen Produkte samt deren Macher befanden sich im Sturzflug. Die grossen Zeitungen wie NZZ, Tagi oder Blick erlebten Beunruhigendes, brachen doch die Auflagen zuweilen um die Hälfte ein. Die Erträge aus reiner Werbung gingen zurück, die Abo-Preise stiegen entsprechend. Bis ins Jahr 2000 lagen die Einnahmen mit Inseraten bei 70%, der Rest entfiel auf Abos. Im Moment entfallen 20% auf Werbung und 80% auf Abos.

Stark geändert haben sich die Lesegewohnheiten und die Informationsbedürfnisse. Jüngere – so der Referent – wollen kaum News aus Politik und Wirtschaft lesen. Ob da Digitalisierung die Rettung ist? Praktisch jede Zeitung setzt auf «Digital first». Derartige Abos sind weit günstiger als für eine traditionelle Zeitung. So ergibt sich bei der Leserschaft der Presseerzeugnisse in Papierform seit Jahrzehnten ein signifikanter Rückgang. Lektüre ab Tablet und Handy sind zur täglichen Gewohnheit geworden. Gründliches Lesen gehört für die Mehrheit der Leserschaft klar der Vergangenheit an. Die Journalisten müssen lernen, wie dieser Schnelllebigkeit Rechnung getragen werden kann.

Im Aufwind, damit sehr gewinnorientiert, sind Technologiekonzerne wie Google, Facebook und Twitter sowie die Firmen, die Daten sammeln. Für Beglinger ist Wikipedia ein sehr bedeutsames Informationsforum. Er zeigt klar auf, wieviel Unsinn und Unkorrektes in der Vielfalt der neuen Medienformen feststellbar ist. Trotz diesem «Gegenwind» ist Beglinger überzeugt, dass der Tod der traditionellen Zeitung nicht nahe ist; auch wenn der Schriftsteller Rolf Dobelli rät, mit dem Lesen von Zeitungen aufzuhören.

Ob die postulierte direkte oder indirekte Presseförderung Sinn macht und realisierbar ist, wird sich zeigen. Ganz gewiss werden die Zeitungsmacher ihre Angebote auf das ausrichten, was am meisten interessiert. Und da hat die Lokalpresse klare Chancen.

Beglinger findet es gut, dass die SO wieder als «Glarner Nachrichten» auftritt und sich Ortsgebundenem zuwendet. Der Fridolin ist so etwas wie eine Avantgarde-Zeitung.

Das Vertrauen in die Medien muss wieder aufgebaut werden. Der Journalist darf nicht einfach Besserwisser sein. Er muss selbstkritisch und offen bleiben, mit der Leserschaft auf Augenhöhe kommunizieren, aufmerksam zuhören, wertfrei arbeiten und nicht in irgendeiner Blase wirken. Der ehrliche Dialog ist zu pflegen.

Der Beruf des Journalisten ist schwierig, aber schön. Viele haben aufgegeben, sind nun PR-Berater, sitzen in irgendeiner Verwaltung, sind – wenn es ums Erteilen von Auskünften geht – zuweilen echte Verhinderer geworden.

Beglinger kam auf die Befindlichkeiten von älteren und jüngeren Journalisten kurz zu reden. Es wurden jene erwähnt, die einst so fundiert und gründlich zu schreiben wussten, breit recherchierten. Hochqualifiziertes Arbeiten, so der Referent, ist ebenso gefragt wie notwendig. Beglinger erwähnte die Arbeiten in sogenannten Blogs, die ausserhalb der erfolgreichen Zeitungen passieren. Zu reden gab auch die Macht und Grausamkeit jener, die unliebsame Journalisten gnadenlos jagen.

Martin Beglinger hatte nach seinem rund eine Stunde dauernden zu vielen Fragen Stellung zu nehmen. Er tat das willkommen kurz und offen. Mark Feldmann dankte anerkennend und herzlich, überreichte Sinnrichtiges und wies auf den Anlass vom 26. März mit Alfred Jud aus Benken und dem Thema «Landwirtschaft – Produkte und Konsum» hin.