Ihre Impressionen entstanden nach der ausführlichen Lektüre von Dokumenten aus jener so bedrohlichen, vieles vernichtenden Zeit, nach vielen Gesprächen, dem Sammeln und Aufarbeiten jener spärlichen Unterlagen und Erkenntnisse, die sich heute – leider –wiederholen, an Intensität, Ungerechtigkeiten und Brutalität überhaupt nichts eingebüsst haben. Biggi Slongo, 1946 in Gelsenkirchen geboren, übersiedelte als Zwanzigjährige in die Schweiz. Die Kunstschaffende ist Mitglied des Frauenmuseums Bonn und der Schweizerischen Gesellschaft Bildender Künstlerinnen.
Nicht nur mit dieser Ausstellungung – sie wurde auch in der Dresdener Kreuzkirche gezeigt –möchte Biggi Slongo Erlebnisse und Botschaften weitergeben. Im ausführlichen Katalog sind eine Vielzahl willkommen couragierter und persönlicher Begegnungen und Aussagen enthalten. Sie helfen dem Betrachtenden weiter, lassen ihn innehalten. Es kommen Fragen nach dem Wie und Warum auf; nicht nur wegen der zuweilen schroffen, überspitzten Gegenüberstellung von Empfindungen. Von Mut und überzeugender Dezidiertheit darf gewiss geschrieben werden. Biggi Slongo spannt einen weiten, nicht nur geschichtsbezogen grossen Bogen. Das Schaffen basiert auf Erfahrung, Betroffenheit, Ehrlichkeit, Ermahnendem. Es sind Werke gewachsen, die länger betrachtet sein wollen.
Von zentraler, ausstellungsgebundener Wichtigkeit ist, dass die damaligen Trümmerfrauen mit riesigem Einsatz tätig waren, mit einem Einsatz, dem heute noch hohe Wertschätzug und Beachtung zukommen muss. Frauen schlüpften nicht bloss in jenen Jahren in Männerrollen. Biggi Slongos Deuten fusst auf der Lektüre des Buches «Anonyma – Eine Frau in Berlin» von Marta Hillers, hat aber auch mit Fragen zu tun, die sie einst ihrer Mutter stellte, aber erst ganz, ganz spät berührende Antworten erhielt.
Starke Farben, zuweilen Schrilles, stehen neben Kriegsfotos, sind auf den ersten Blick verwirrend, gegensätzlich. Eine düster ausgeleuchtete Strasse ist mächtigen Kriegsführern in Dresden gewidmet, die leuchtenden Sterne am Firmament gehören den vielen Frauen. Das leicht beschädigte Schaukelpferdchen und ein Kinderwagen mit Steinen haben mit Kindheit und dem starken Glauben der damaligen Trümmerfrauen zu tun. Biggi Slongo wendet sich ganz klar und mutig gegen das Schönreden, Verharmlosen. Aussagen dazu sind das blutige Waschbrett mit den Zinnsoldaten, der herrliche Balanceakt der anonymen Personen auf dem Hochseil, die divenhafte Micheline mit der fast dekadenten Menge von feinsten Schuhen neben den ausgelatschten Arbeitsschuhen aus der Kriegszeit; aussagestarke, grossformatige Fotos, blutrotes an der Decke baumelndes Ballkleid, des «Bsetzisteinen» drapierte Badeoberteil und in die Neuzeit führend: Die schroffe, ablehnende Haltung gegen das Frauenstimmrecht in unserem Land – dies notabene im Jahre 1971 – sind Teile der Ausstellung, die bis zum 21 März zu den Öffnungszeiten der Landesbibliothek Glarus angeboten ist.
Die Vernissage
Kurze Reden, Musik, viele interessierte Besucherinnen und Besucher, grosszügige Gastfreundschaft und Rosen für die Damen prägten die Vernissage in der Landesbibliothek.
Biggi Slongo begrüsste, zeigte sich überwältigt, führte in ihr spannendes Schaffen ein. Kunst müsse nicht zwingend schön sein, Exponate laden zum Verweilen, Hinterfragen ein. Mit dem informativen Katalog zur Ausstellung ist ein vertiefendes Begegnen möglich. Biggi Slongo hiess die drei Bläser willkommen. Deren Interpretieren erntete viel Applaus.
Regierungsrätin Marianne Lienhard zeigte sich beeindruckt, dass die Künstlerin mit dieser Ausstellung eine Vielzahl ihrer Erlebnisse und Erfahrungen einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht. Mit Kriegen sind nie Erfahrungen verbunden, die frei von Schrecken und Traumata sind. Frauen hatten sich diesen Auseinandersetzungen ebenso zu stellen, wie Kinder und Familien. Gewalt, Zerstörung, Trümmer, Wegräumen und Wiederaufbau, Hilfe und Solidarität sind Fakten, die als Folgen der Weltkriege und in unserer heutigen Zeit Gültigkeit haben. Was Frauen an Demütigendem zu bewältigen hatten – auch haben – ist unerfreuliche, nie willkommene Realität. Marianne Lienhard zeigte auf, wie verschieden Kriegsfolgen in Deutschland und der Schweiz einst waren, was der von Biggi Slongo thematisierte Begriff «Trümmerfrau – Frauentrümmer» bedeuten kann.
Gastrednerin war Elke Marita Stuckel-Lotz. Sich selber vorstellend kam sie auf politische Erfahrungen und Mitarbeit und ihre persönliche Verbindung zur Kultur zu reden. Mit Biggi Slongo verbindet sie nicht nur die gemeinsame Herkunft und das Aufwachsen im Ruhrgebiet.
Die Rede kam auf die Bedeutung des Internationalen Frauentages, die Bedeutung und den Kampf der Frauen bezüglich Gleichstellung. Frauen leisten bewunderungswürdig Gesamtheitliches in unserer Gesellschaft, sie engagieren sich ebenso stark und nachhaltig wie Männer, müssen aber zuweilen immer noch nachhelfen, wenn es um Anerkennung und Honorieren von erbrachten Leistungen geht. Stuckel-Lotz erwähnte Fakten aus der Kriegszeit, den Aufbau von Hilfsdiensten, das Engagement für den Erhalt der Familie, die Einsätze in Landwirtschaftlichem und anderes. Die Ausstellung ist nicht zuletzt eine Hommage Biggi Slongos Mutter und damit an die Frauen im Ruhrgebiet. Damals wie heute ist das Engagement der Frau so wertvoll, willkommen, gefragt, für das Bewahren der Werte und den Einbezug von Neuerungen unabdingbar. Die Rednerin schuf Bezüge zu Teilen der Ausstellung. Sie kam auf die heutige Globalisierung der Kriege zu reden.
Nach Biggi Slongos Dank galt die Aufmerksamkeit dem nett arrangierten Apéro mit Leckerem ab den Ennetbergen. Verweilen und angeregte Gespräche ergaben sich auf willkommene Art.
«Frauentrümmer – die Rolle der Frau in der Kriegs- und Nachkriegszeit»
Mit einer schwierigen, nie vollumfänglich erfassbaren Thematik setzt sich die Künstlerin Biggi Slongo Gastrich intensiv auseinander. Es geht um die Bedeutung der Frau in den Kriegs- und Nachkriegsjahren.