Hochgeachtete Frau Landesstatthalter
Hochvertraute liebe Mitlandleute
Liebe Gäste
Im Namen der Regierung begrüsse ich Sie herzlich zur diesjährigen Näfelser Fahrt.
Es freut und ehrt mich, in diesem feierlichen Moment vor Ihnen stehen zu dürfen und mit Ihnen meine Gedanken zu unserer stolzen Vergangenheit, aber auch zu unserer Gegenwart zu teilen.
Vor über 600 Jahren geschah an dieser Stelle Entscheidendes – entscheidend für unseren Kanton, schlussendlich entscheidend für unsere gesamte Eidgenossenschaft.
Am 9. April 1388 versammelte sich ein mächtiger Feind mit 600 Mann zu Pferd und 6000 Mann zu Fuss vor den Toren des Glarnerlands. Auf Glarner Seite standen diesem grossen österreichischen Heer einzig 200 Glarner entgegen. Erst durch Sturmgeläut sind dann weitere Mannen dazugestossen – schlussendlich waren es zwischen 600 und 700 Freiheitskämpfer, die sich dieser riesigen feindlichen Übermacht stellten.
Auch wenn die Situation fast ausweglos schien, stürzten sich die tapferen Mannen in die Schlacht und erkämpften sich einen Sieg über die 10-fache, bestens ausgerüstete Übermacht – unter dem Einsatz ihres Lebens, für die Freiheit unseres Kantons!
Am heutigen Tag pflegen wir aus diesem Grund mit Stolz das Geschichtsbewusstsein – etwas, das in der heutigen Welt, in der Börsenkurse dominieren und die Medien uns tagtäglich aufs Neue mit reisserischen Schlagzeilen bombardieren, leider eher untergeht.
Der Mensch braucht Halt! Wir besinnen uns auf Beständiges, Berechenbares, Verbindliches, Tradition – je kühler draussen der Wind der Globalisierung pfeift, desto mehr sehnen wir uns nach dem heimischen Herd, nach der Geschichte, die uns eint.
Geniessen wir also zusammen den heutigen Tag!
Geschichtsbewusstsein pflegen heisst dabei i.Ü. nicht einfach sich ein idealisiertes Bild der Geschichte zusammenzuschustern. Geschichtsbewusstsein soll eine wichtige Basis für Zusammengehörigkeit, Zusammenhalt, Pflege der Gemeinsamkeiten bilden – und die Möglichkeit bieten, begangene Fehler nicht zu wiederholen.
Unser Wissen über die Geschichte kann uns aber auch die Vorteile erkennen lassen, die wir in der Schweiz des 21. Jahrhunderts haben.
«Früher war alles besser» – heisst es so schön. Wie viel Unruhe und Unsicherheit herrschten im 14. Jahrhundert, wie wenig war gar ein Menschenleben wert? Sich in dieser Zeit die Freiheit zu erkämpfen, bedeutete, sich alleine behaupten zu müssen. In einer Welt, in der Menschenrechte kein Thema waren und der ständige Kampf um Sicherheit und Nahrung im Vordergrund stand.
So betrachtet, sind wir heute in der Schweiz doch herrlich privilegiert.
Nahrung besitzen wir im Überfluss, sodass sogar ein beträchtlicher Teil wieder in den Abfall wandert. Wir haben die Wahl zwischen «ich weiss nicht wie vielen» verschiedenen Joghurtssorten – quasi die Qual der Wahl, was wiederum zeigt, dass ein Zuviel an Freiheit recht anstrengend sein kann!
Unser Bildungsangebot ist weltweit wohl einmalig und eröffnet für alle eine vielfältige Berufswahl – wenn sie denn wollen!
Wir können unsere Meinung frei äussern – etwas, das bereits im nicht allzu weit entfernten Ausland nicht überall möglich ist. Wir können Initiativen und Referenden ergreifen, Leserbriefe schreiben oder der Regierung die Meinung mailen.
Wir haben die Möglichkeit, in die Welt hinauszufahren, wann und wohin wir wollen. Das kommt so weit, dass wir für ein Weihnachts-Shopping kurz über den Atlantik fliegen. Wir sind so mobil, dass die vielen Staus und übervollen Züge im Agglomerationsraum bereits zur Belastung werden.
Wir können uns im Internet in einer Welt bewegen, die so wenige Barrikaden hat, dass man sich vor der ganzen Freiheit schon wieder fürchtet.
Und wir leben – im Gegensatz zu unseren Freiheitskämpfern anno 1388 – in einem sicheren Land!
Was für Privilegien! Seien wir uns dessen bewusst!
Gerade die Sicherheit stellt eines der ureigensten Grundbedürfnisse des Menschen dar und bildet die Grundlage der ausgezeichneten Lebensqualität, die wir hier und heute in der Schweiz geniessen dürfen.
So ist es denn wichtig, dass der Staat seine schützende Hand über seine Bürgerinnen und Bürger hält.
Aber! Je mehr der Staat uns schützt, desto unfreier werden wir.
Wir richten uns als Verbotsgesellschaft ein, stillen unsere Sicherheitssehnsucht mit Mitteln des Strafrechts, kontrollieren, reglementieren, registrieren – überwachen scheint gesellschaftlich akzeptiert zu sein: Frei nach dem Motto: «Der Staat weiss, was gut für Dich ist!» – dies widerspricht aber einem freiheitlichen Gedankengut. Und sich Gedanken über die Freiheit zu machen, ist gerade am heutigen Tag angebracht!
Verstehen Sie mich richtig – ich rede da nicht von Sachverhalten, die notwendigerweise geregelt werden müssen:
Finanzdelikte, Kriminaltouristen, Schläger und Raser, Drogenkriminalität, internationaler Terrorismus und einiges mehr – da gibt es kein Pardon! Dagegen brauchen wir strenge Gesetze und Gesetzeshüter.
Wir schaffen aber zusätzlich jedes Jahr tonnenweise neue Gesetze, Verordnungen, Reglemente und Richtlinien.
Findet man ein Joghurt mit überschrittenem Ablaufdatum in einem Regal, führt dies ein halbes Jahr später zu einer Revison des Lebensmittelgesetzes.
Da gibt es in der Schweiz tatsächlich gesetzliche Grundlagen, die die Höchstgeschwindigkeit eines Modellautos auf 15 km/h beschränken.
Ein weiteres Beispiel (von vielen – von allzu vielen!) betrifft die Winterbewilligung für Gartenwirtschaften. Für das Aufstellen eines mobilen Aschenbechers mit Ständer ist eine Bewilligung zwingend. Möchte der Wirt dies nicht, hat er auch die Möglichkeit, einen Aschenbecher mit Wandhalterung anzubringen. Hierfür braucht er gemäss Vorgaben der Stadtverwaltung aber sogar eine Baubewilligung!
Wollen wir, dass uns der Staat mit Ampeln und Stopptafeln im Supermarkt davor schützt, einander umzufahren?
Der franz. Schriftsteller und Philisoph Montesqieu brachte es auf den Punkt:
«Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.»
Und vergessen wir nicht: Mehr Gesetze bedeuten auch mehr Gesetzeshüter und jedes Mal weniger Eigenverantwortung!
An dieser Stelle will ich einen Appell an den gesunden Menschenverstand richten– nur die Freiheit des menschlichen Denkens hat uns Menschen dahin gebracht, wo wir heute stehen: Freies Denken hat uns den heutigen Stand der Technik, der Wissenschaft und unseren Lebensstandard ermöglicht – und nicht grosse Berge von Dokumenten.
Es gibt nichts Bequemeres als das Handeln und die Denkweise der grossen Mehrheit anzunehmen.
Wer nicht selber denken mag, lässt sich mittreiben, handelt und urteilt wie alle anderen. Was die anderen gut oder schlecht finden, findet auch er recht oder schlecht!
Kommt also in uns Schadenfreude auf, sobald andere mit neuen Ideen scheitern? Ahnden wir den kleinsten Fehler und erheben schnell den Mahnfinger?
Gerade damit hindern wir aber einander, den Kopf frei genug zu haben, um kreativ und innovativ zu sein!
Das lehren uns unsere Vorfahren, die für die Freiheit kämpften: Nur wer etwas wagt, gewinnt. Im Wagnis aber liegt immer das Risiko des Scheiterns.
Wir sollten einander den Rücken stärken und uns nicht gegenseitig in den Rücken fallen, wenn einer etwas wagt.
Hochvertraute liebe Mitlandleute
Freiheit bedeutet nicht nur Freiraum erhalten, sondern auch Verantwortung übernehmen.
Freiheit bedeutet nicht nur die Freiheit des Habens und Brauchens, Freiheit nimmt einen auch in die Pflicht.
Ein freier Mensch trägt Verantwortung und braucht Mut, denn ein ängstlicher Mitläufer kann niemals frei sein.
Darum fordere ich Sie auf: Ballen Sie nicht die Faust im Sack! Wettern Sie nicht über politische Entscheide!
Sondern bringen Sie sich in Gremien und Institutionen ein, gehen Sie an die Urne, engagieren Sie sich in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen und stehen so ein für unsere Freiheit, leben Sie unsere demokratische Freiheit!
Bei meiner letzten Fahrtsrede habe ich den Dienst an der Gemeinschaft in den Vordergrund gestellt.
Lassen Sie mich heute einen Appell an den gesunden Menschenverstand, Mut und Eigenverantwortung richten!
Für unseren Kanton, für unsere Schweiz!
In diesem Sinne bitte ich für Land und Volk von Glarus um den Machtschutz Gottes!



























































