Fusion auf der Schönmatt

Herr Schön und Frau Gut agierten auf der Bühne des Hotels Schwert in Näfels mit erfrischendem Wortwitz, Gesang, in chaotischen Wechselbädern aller Gefühle dieser Welt, als Meisenpaar, Konsenssüchtige derart drauflos, dass die vielen Besucherinnen und Besucher mit verständlicher Neugierde auf neue Pointen und gar unerwartete Wendungen des amüsanten, zuweilen auch berechtigt zeitkritischen Geschehens warten durften.



Aufnahmen von der Aufführung in Näfels. (Bilder: p.meier)
Aufnahmen von der Aufführung in Näfels. (Bilder: p.meier)

Herr Schön und Frau Gut blödeln nicht einfach drauflos, damit sie die Lacher auf ihrer Seite wissen. Sie sind Meister von Wortspielereien, die haargenau sitzen, blitzschnell einherkommen.

Alles beginnt in idyllischer Umgebung. Meisen zwitschern, die Agneta aus Lettland, alias Frau Gut, agiert mit reizenden Kenntnissen der deutschen Sprache. Ihr gegenüber ist Herr Schön, wortgewaltiger Gemeindepräsident, der alle kennt, sich von allen grüssen lässt, mit kleinen Halbwahrheiten dann aufwartet, wenn es ihm notwendig erscheint. Er begehrt eine Frau, die ihn so zu behandeln hat, wie es ihm, und nur ihm als richtig erscheint. Aber so ein fügsames, anschmiegsames, stets verständnisvolles Wesen, das erst noch dauerreistent gegen Miesepetriges ist, muss erst mal geboren sein und dann noch aufgefunden werden. Wird es mit der Liaison auf der Schönmatt, exakt auf der Grenze zwischen Konolfingen und Grosshöchstetten gelegen, klappen? Für Herrn Schön ist die endgültige Verkoppelung lediglich eine Frage der Zeit, seinem quasi einzigartigen Werben kann keine Frau der Welt widerstehen. Er ist so erfrischend bünzlig, kleinkariert, von sich absolut überzeugt. Er lässt seinen urbanen Charme spielen, wirbt um Zuneigung, bettelt um Verständnis, erfleht liebevolles Dauer-Zusammensein. Frau Gut hält dagegen, sie ist eine schöne Portion intelligenter, abgebrühter, an Lebenserfahrungen deutlich reicher als ihr liebestoller Amtskollege, der mit seinen platten Sprüchen immer wieder aufläuft.

Man könnte eine Unmenge von Wortspielereien, Verdrehungen aufgreifen, den Versuch eines nie endenden Protokollierens von wahrlich Witzigem, Situationsgerechtem versuchen, ein Scheitern wäre vorprogrammiert. Herr Schön als Pfarrer, Metzger, Gemeindepräsident, wiehernder Gaul, Rapper, Ukulelenspieler, Meisenmännchen, Allergiker, der auf Lindenpollen ungemein heftig reagiert, unter einem temporären Bandscheibenschaden der gröberen Art leidet, einen alten Spiesser mimt – diese Vielfalt gilt es über beinahe zwei Stunden hinweg mal zu erleben. Frau Gut steht ihm in nichts nach, sie überzeugt als Gemeindepräsidentin, als resignierende politische Lokalgrösse, als Vogelweibchen, räsonierende, sich überall kratzende Alte, Kennerin des Dorfmetzgers, wartende Geliebte, saftig Kommentierende in gar vielen Lebenslagen, kurzzeitige Akkordeonistin, die wahre Heimat suchende Haushalthilfe aus Lettland.

Es entschläft die einzigartige Grossvieheinheit Ida und fällt so ungeschickt, dass ihr Körper in beide Gemeinden reinragt; anlässlich der Abstimmung über die Fusion werden sogar Fusionswürste spendiert; die noch landwirtschaftlich genutzte Schönmatt soll dereinst zum Quartier für Einfamilienhäuser werden, wobei die ersten Frischvermählten mit der finalen Abstimmung grad ein EFH erhalten; den neuen, treffenden Ortsnamen wird man wohl noch finden. Und es wird drauflosfusioniert, dass man kaum mehr nachkommt. Nach Meinung des Herrn Schön kann auch die serbelnde Dorfmetzgerei mit der Gemeindebibliothek zusammengeschlossen werden, da sieht er keine Probleme. Und so zwischendurch ist die Rede von Land, das hierzulande so grosszügig überbaut wird. Man vernimmt, dass die Landwirte immer weniger fruchtbare Flächen bewirtschaften können, dass zu viel im Ausland eingekauft und importiert werden müsse. Man verfolgt mit, was alles Angst auslöst, wie die Angst um sich greift, Verunsicherung und Ablehnung provoziert. Und schon ist man mittendrin in Politischem, Aktuellem. Die Szenerie hat urplötzlich gewechselt, hat an Heiterkeit und Leichtigkeit verloren. Aber diese Momente kommen wieder zurück, mögen kurzzeitig erlösend, befreiend wirken. Begriffe wie Schwellenland, Patriarchat, Bürgerkrieg, Rosenkrieg, Monarchie und Anarchie bleiben haften.

Und wie steht es eigentlich ums Ergebnis der Fusionsabstimmung? Ernüchternde 72% lehnen ab. Schöns Kommentar: «Dann gibt es eben eine Durchsetzungsinitiative!»

Frau Gut ist – gutbürgerlich – Anna – Katharina Rickert; Schauspielerin und Kabarettistin. Herr Schön ist Ralf Schlatter, Schriftsteller und Kabarettist, ist auch Verfasser von Büchern, Kurzgeschichten und Hörspielen. Beide stehen seit 2003 auf der Bühne. Auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus weilten sie zum zweiten Mal bei uns. Es war ein willkommenes, inhaltsstarkes Begegnen.