Geldpolitische Lagebeurteilung vom 19. März 2020

Nationalbank führt ihre expansive Geldpolitik fort, erhöht den Negativzins-Freibetrag der Banken und prüft zusätzliche Massnahmen.



Medienmitteilung der Schweizerischen Nationalbank (Bild: e.huber)
Medienmitteilung der Schweizerischen Nationalbank (Bild: e.huber)

Das Coronavirus stellt Gesellschaft und Wirtschaft in der Schweiz vor aussergewöhnlich grosse Herausforderungen. Die Unsicherheit ist global erheblich angestiegen, und die Aussichten sowohl für die Weltwirtschaft als auch für die Schweiz haben sich markant eingetrübt. Der Franken ist nochmals höher bewertet, und die globalen Finanzmärkte sind unter starkem Druck. 

In dieser ausserordentlichen Situation ist die expansive Geldpolitik der Nationalbank für die Gewährleistung angemessener monetärer Bedingungen in der Schweiz nötiger denn je. Die Nationalbank belässt den SNB-Leitzins und den Zins auf Sichtguthaben bei der SNB unverändert bei −0,75%. Sie interveniert verstärkt am Devisenmarkt, um zur Stabilisierung der Lage beizutragen. Dabei betrachtet sie die gesamte Währungssituation. Negativzins und Interventionen sind notwendig, um die Attraktivität von Anlagen in Franken zu reduzieren und wirken so dem Aufwertungsdruck entgegen. 

Die Nationalbank arbeitet zudem eng mit dem Bundesrat zusammen mit dem Ziel, die Wirtschaft bestmöglich zu unterstützen. 

Das Schweizer Finanzsystem ist mit ausreichend Liquidität ausgestattet. Die Nationalbank wird bei Bedarf zusätzliche Massnahmen zur Sicherung der Liquidität treffen. Sie stellt ausserdem im Rahmen der erweiterten Swapabkommen mit anderen Zentralbanken Liquidität insbesondere in US-Dollar zur Verfügung. 

Die Handlungsweise der Banken spielt für die wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz speziell über die nächste Zeit eine zentrale Rolle. Um die Banken in dieser Rolle zu stärken, erhöht die Nationalbank per 1. April 2020 den Freibetrag, was die Negativzinsbelastung für das Bankensystem reduziert. Der sogenannte Freibetragsfaktor steigt von 25 auf 30.

Die Banken haben über die letzten Jahre substanzielle Kapital- und Liquiditätspuffer aufgebaut. Sie sind somit auch für schwierige gesamtwirtschaftliche Situationen gewappnet. Um den Spielraum der Banken zusätzlich zu vergrössern, prüft die SNB, ob der antizyklische Kapitalpuffer trotz der Risiken am Hypothekar- und Immobilienmarkt gelockert werden kann. 

In der gegenwärtigen Situation ist die Einschätzung der wirtschaftlichen Aussichten äusserst schwierig, und die Prognosen unterliegen einer unüblich grossen Unsicherheit. Dies gilt sowohl für das Wachstum als auch für die Inflation. 

Die neue bedingte Inflationsprognose liegt tiefer als im Dezember. Der Hauptgrund dafür sind tiefere Erdölpreise, deutlich schwächere Wachstumsaussichten und der stärkere Franken. Für das laufende Jahr liegt die Prognose im leicht negativen Bereich (−0,3%). Für 2021 dürfte die Inflationsrate leicht positiv ausfallen (0,3%) und dann 2022 auf 0,7% steigen. Die bedingte Inflationsprognose beruht auf der Annahme, dass der SNB-Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum bei −0,75% bleibt. 

Die Perspektiven für die Weltwirtschaft haben sich innerhalb der letzten Wochen abrupt geändert. Zum Jahreswechsel deuteten zunächst verschiedene Umfragen auf eine Aufhellung der globalen Konjunktur hin. Die Entschärfung der internationalen Handelsspannungen liess eine allmähliche Belebung der globalen Wirtschaftstätigkeit in den kommenden Monaten erwarten. Die globale Verbreitung des Coronavirus und die zur Eindämmung der Pandemie notwendigen Massnahmen haben jedoch diese positive Entwicklung gebrochen und werden wesentliche wirtschaftliche Einbussen zur Folge haben. 

In China ging die Wirtschaftsaktivität in weiten Teilen des Landes schon ab Januar stark zurück. Seit Mitte Februar breitet sich das Virus weltweit rasant aus, insbesondere auch bei den für die Schweiz wichtigen Handelspartnern in Europa und Amerika. Die Einschränkungen in der Mobilität der Bevölkerung, Unterbrüche in der Produktion, die Störungen in den Lieferketten sowie der gehemmte Konsum der Haushalte werden in allen betroffenen Ländern die Wirtschaftstätigkeit stark belasten. 

In diesem Umfeld sind die weltwirtschaftlichen Aussichten äusserst unsicher. In der ersten Jahreshälfte ist mit ausgeprägten wirtschaftlichen Einbussen zu rechnen. Wie rasch sich die Weltwirtschaft danach erholen wird, hängt entscheidend von der kombinierten Wirkung der gesundheits-, fiskal- und geldpolitischen Massnahmen ab. 

Mit der Ausbreitung des Coronavirus haben sich auch in der Schweiz die kurzfristigen Aussichten stark eingetrübt. Im Dezember hatte die Nationalbank noch mit einem Wachstum zwischen 1,5% und 2% für das Jahr 2020 gerechnet. Der Einbruch der internationalen Konjunktur sowie die Massnahmen zur Eindämmung des Virus werden jedoch auch in der Schweiz zu einem starken Rückgang der Wirtschaftsaktivität in der ersten Jahreshälfte führen. Sobald die nationalen und internationalen Eindämmungsmassnahmen aufgehoben werden können, dürfte die Wirtschaftstätigkeit zwar allmählich zur Normalität zurückkehren. Selbst unter dieser Annahme dürfte das BIP-Wachstum über das ganze Jahr gesehen aber negativ ausfallen. Die Normalisierung der Lage ab der zweiten Jahreshälfte könnte daraufhin in einem stark positiven Wachstum im Jahr 2021 zum Ausdruck kommen.