Glarner Senioren befassen sich mit der Textilindustrie

Der glarnerische Seniorenverband wird von alt Regierungsrat Kaspar Zimmermann präsidiert. Ihm und dem vielseitig aktiven Vorstand gelingt es immer wieder, zu interessanten Begegnungen einzuladen und versiert Referierende zu verpflichten. Unlängst war das der Fall, als sich Professor Dr. Hans Jakob Streiff aus Glarus bereit erklärte, seine Gedanken über die industrielle Revolution um 1800 im Glarnerland im «Gesellschaftshaus» Ennenda – dem gewohnten Treffpunkt des Verbandes – darzulegen.



Professor Dr. Hans Jakob Streiff. (Bild: ehuber)
Professor Dr. Hans Jakob Streiff. (Bild: ehuber)

Es erfüllte die gegen 80 Besucherinnen und Besucher mit Bewunderung und Erstaunen, als sie erfuhren, wie weitsichtig damals geplant und realisiert worden war. Streiff kam aus zeitlichen Gründen nicht auf den Niedergang der textilen Industrie, die immense Arbeitslosigkeit, den unbarmherzigen Konkurrenzkampf, die schlechte Entlöhnung und die manchmal unmenschlichen Arbeitsbedingungen oder die blühende Handelstätigkeit in Teilen Europas zu reden.

Einleitend definierte er den Begriff «Revolution» und bezog sich dabei auf die Industriegeschichte, die mit Bevölkerungswachstum, rasanter technischer Entwicklung, Verbesserung von Technologien, Ausbau und – schon damals – Fusionen eng verbunden ist. Um 1720 wurde erstmals mit Baumwolle gearbeitet, um 1800/1850 waren die Handelbeziehungen gross. Schwerpunktmässig befasste sich der Referent mit drei damals bedeutenden Industrieherren, die aus Arbeiterkreisen stammten und Kenntnisse im Drucken und Weben einbrachten. Es handelte sich beispielsweise um Bartholome Jenny-Becker (1770–1836), Fridolin Jenny-Heer (1784–1857) und Mathias Legler-Kundert (1819–1866). Sie erbauten ihre Anlagen in verschiedenen Teilen unseres Bergkantons. Weil genügend Wasser vorhanden war, konnten die sogenannten Wasserrechte problemlos erworben werden.

Probleme wie Kinderarbeit, Arbeitszeit, Verbesserungen am Arbeitsplatz und soziale Leistungen wurden tatkräftig angepackt und mit dem Landsgemeindeentscheid von 1864 einer allseits stark beachteten Lösung entgegengeführt. Ein Arzt nahm seine Arbeit als Fabrikinspektor im Bergkanton auf und führte sie später auf Bundesebene weiter. Er hatte viel zu tun in den 17 Webereinen, 22 Druckereien und 18 Spinnereien, in denen rund 10 000 Leute, also beinahe ein Drittel der damaligen Bevölkerung, tätig war. Interessiert wurde wahrgenommen, dass durch die Familien Legler neben Diesbach in Bergamo (Ponte San Pietro) eine schweizerische Kolonie mit 2500 Beschäftigten heranwuchs oder dass nach dem Niedergang dieses Industriezweiges viele Gebäude umgenutzt und von anderen Industrieunternehmen bezogen wurden. Als Beispiele erwähnte er das Mühle-Areal in Schwanden, den Wiggis Park Netstal und das Jenny-Areal in Ziegelbrücke. Sachkundig und in lebendiger Weise schildernd kam Streiff auch auf die Nutzung der Wasserkraft und die vielen Kleinkraftwerke und die Grossbaustelle Linth-Limmern zu reden. Er ist überzeugt, dass das Entwicklungspotenzial unseres Kantons noch nicht ausgereizt ist und dass sich bei einer sorgfältigen Vermarktung Neuzuzüger einfinden werden.

Kaspar Zimmermann verdankte die weit führenden Äusserungen und machte auf die kommende Mitgliederversammlung im Februar und einen Vortrag über das «Abenteuer Südamerika» mit Walter Meli, dies im März, aufmerksam.