Glarus/Biebrich: Freundschaft in Stein gemeisselt

Eine grosse freundschaftliche Verbundenheit war zu spüren an der Einweihung der Partnerschaftsstele Wiesbaden-Biebrich/Glarus vom Samstagnachmittag. Die Feier in Glarus bot Raum für viele wertvolle Begegnungen.



Freundschaft besiegelt (von links): Kuno Hahn
Freundschaft besiegelt (von links): Kuno Hahn

Was vor 50 Jahren mit dem Männerchor Glarus und dem Kalle’schen Gesangsverein begonnen hat, steht heute auf festen Füssen: die Städtepartnerschaft und Freundschaft zwischen den Menschen, Vereinen und Institutionen von Glarus und Wiesbaden-Biebrich. Die Freundschaft zwischen Rhein und Linth ist gar in Kalksandstein gemeisselt: Nach der Errichtung einer Skulptur in Biebrich vor eineinhalb Jahren konnte am vergangenen Samstagnachmittag eine Zwillingsstele im Volksgarten Glarus eingeweiht werden. Sie besteht aus zwei Säulen, die in der Mitte verbunden sind. Auf der einen Säule befinden sich oben das Glarner Wappen sowie weiter unten symbolische Berggipfel, auf der andern das Biebricher Wappen mit Wellen als Symbol für den Rhein. Geschaffen hat die zwei Meter hohe Skulptur die deutsche Künstlerin Fanny Keller.

Viele Freundschaften entstanden

Zur Einweihungsfeier in Glarus war auch eine grosse Delegation aus Biebrich angereist. Da Petrus leider wieder einmal die Schleusen öffnete, kam das Schlechtwetterprogramm zum Zug. Die Enthüllung der Partnerschaftsstele im Volksgarten durch Gemeindepräsident Christian Marti, Paul Bättig sowie die deutschen Vertreter Sven Gerich, Kuno Hahn und Frank Hennig dauerte nur kurz – Regentropfen kündigten bereits das nachfolgende starke Gewitter an. So dislozierten die Glarner und Biebricher Gäste nach dem kurzen offiziellen Akt schnell in den «Glarnerhof», um den von Katrin Egger moderierten Ansprachen im Trockenen zu lauschen.

Christian Marti ging «an diesem geschichtsträchtigen Tag» kurz auf die Abstimmung in Grossbritannien ein und hoffte, «dass die historischen Verdienste der EU als Friedenswerk durch den Brexit nicht zu stark in den Hintergrund geraten. Vor allem aber möge Europa, und damit auch Grossbritannien und die Schweiz, eine Wertegemeinschaft bleiben, die Friede, Wohlstand und Gleichheit unter den Völkern verpflichtet ist.»

Der Gemeindepräsident blickte auf die 50-jährigen vielseitigen Beziehungen zwischen Glarus und Biebrich zurück, die 1990 zur beurkundeten europäischen Städtefreundschaft und 2009 zur Partnerschaft ausgebaut werden konnten. «Dieses feste Fundament bietet einen faszinierenden Raum, um die freundschaftliche Verbindung stetig weiter zu stärken und die Begegnungen der Menschen, Vereinen und Institutionen beider Kommunen zu fördern.» Es seien viele Freundschaften zwischen Vereinen und Menschen beider Orte sowie zahlreiche private, gesellschaftliche und kirchliche Kontakte entstanden. «Dies – und nicht nur die Kontakte zwischen den Rathäusern – macht den wahren Wert von Städtepartnerschaften aus», sagte Christian Marti.

Der Ort der Stele vis-à-vis vom Bahnhof sei bewusst gewählt worden, um die Bedeutung der Partnerschaft zu unterstreichen: «Er steht symbolisch für Reisen, Aufbruch, Abschied, Ankommen, Wiedersehen und Zusammensein.» Viele dieser Werte seien für die Glarnerinnen und Glarner von besonderer Bedeutung. Wir stünden ein für Partnerschaft, Zusammenleben, Freundschaft, Voneinander-Lernen, Toleranz und Rücksichtnahme. Minderheiten könnten angstfrei mitten unter uns leben. «Diese Tatsache ist unter anderem Grundlage dafür, dass unsere Kinder und Kindeskinder eine von Offenheit und sozial verträglichem Verhalten geprägte Zukunft antreten und solche Partnerschaften wie mit Wiesbaden-Biebrich weiterhin erfolgreich gepflegt werden können. Eben auch von Generation zu Generation», so der Gemeindepräsident.

«Eine Art kommunaler Aussenpolitik»

Der Glarner Ansprache schlossen sich drei deutsche Grussworte an. Sven Gerich, Oberbürgermeister von Wiesbaden, sagte, er komme «als Erstes als Freund und als Zweites als Oberbürgermeister». Er sei schon als Bub des Öfteren in Glarus gewesen: «Hier ist es einfach schön.» Städtepartnerschaftliche Begegnungen bedeuteten auch heute noch «das Eintauchen in andere Gesellschaften, in andere Kulturen, mitunter das Kennenlernen eines anderen religiösen Verständnisses und länderspezifischer Bräuche und Traditionen». Dieses gegenseitige Interesse, die Wissbegierde, das Verständnis, aber vor allem der Respekt vor dem Andersartigen seien die elementarsten Bausteine für unser demokratisches Verständnis.

«Städtepartnerschaften sind auch heute ein unverzichtbares Instrument der Zusammenarbeit in Europa und der Welt», sagte Sven Gerich: «Sie verkörpern eine Art kommunaler Aussenpolitik.» Dass schon die Kleinsten einbezogen würden, fand er «ganz prima». Deshalb sein Appell zum Schluss: «Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass unsere wunderbare Freundschaft noch viele, viele Jahre bestehen bleibt.»

Kuno Hahn, Ortsvorsteher von Wiesbaden-Biebrich, ging in seinem Grusswort auf die Stele ein: «Der Stein als Material steht für Dauer und Haltbarkeit bei allen Witterungen.» Die Skulptur solle aber kein Gedenkstein, auch kein Grundstein im Sinne eines Bauvorhabens und ebenfalls kein Edelstein sein, den man nur an besonderen Feiertagen verwende. «Die Stele soll ein Orientierungs- und Erinnerungsstein sein. Sie soll uns daran erinnern, dass es keinen Ersatz für direkten menschlichen Kontakt gibt, für die Pflege von Freunden und Bekannten und Miteinander und Gemeinsamkeit und menschliche Kommunikation. Und sie soll Orientierungshilfe leisten, wo dies zu finden ist. Nämlich dort, wo die Zwillingsstele steht», betonte Kuno Hahn.

«Ich bin einfach nur stolz», sagte Frank Hennig, 1. Vorsitzender des Partnerschaftsvereins aus Wiesbaden-Biebrich: Stolz auf die langjährige Partnerschaft und Freundschaft, auf die vielen privaten Kontakte, die sich daraus ergeben hätten – «noch in diesem Jahr wird es die erste, zumindest offiziell bekannte Geburt eines Kindes mit Biebricher und Glarner Wurzeln geben» –, stolz auch auf die vielen neuen Impulse zur Weiterentwicklung und Festigung der Partnerschaft. Besonders stolz sei er zudem, «dass sich seit sechs Jahren regelmässig Kinder beider Partnergemeinden begegnen». Stolz sei er weiter auf die grosse positive Resonanz, auf welche die Partnerschaftsstele in Biebrich gestossen sei, und dass nun in Glarus ein Zwillingsexemplar eingeweiht werden könne. Und schliesslich zeigte er sich stolz, dass er mit einer so grossen Gruppe aus Biebrich und Wiesbaden in Glarus sein und dabei so viele Freunde wiedersehen könne.

Die Feier im «Glarnerhof» wurde musikalisch durch die Glarner Inspirational Singers bereichert. Sie begeisterten die Anwesenden mit ihren Gospelsongs restlos – selbst mit «Oh Happy Day», das sie fast gleichzeitig mit dem EM-Ausscheiden der Schweizer Fussballnationalmannschaft darboten. Aber für die Glarner und Biebricher war es ja dank der Besiegelung ihrer Freundschaft ein glücklicher Tag!