Halbzeit

«Die Zeit wird wie im Flug vergehen, ohne dass es dir bewusst ist!» Genau das hat mir mein Gastvater am Anfang meines Aufenthalts oft gesagt und er hat Recht behalten, leider. Die Zeit rennt einfach an einem vorbei, sodass man ihr kaum nachsehen kann und so ist bereits nächsten Samstag die Hälfte meiner Zeit in Irland vorbei.



Halbzeit in Irland. (Bild: zvg)
Halbzeit in Irland. (Bild: zvg)

In den vergangenen Monaten habe ich unglaublich viel erlebt und gelernt, weshalb ich mich schon auf die zweite Hälfte freue, weil sie sicher genauso toll und vor allem irisch werden wird! Obwohl ich erst viereinhalb Monate in Irland bin, fühle ich mich hier zu Hause.

Zuhause und Heimat?

Und so frage ich mich in letzter Zeit immer wieder: «Was bedeutet überhaupt Zuhause und Heimat?» Für mich ist Heimat nicht unbedingt ein bestimmter Ort. Heimat und sich zu Hause fühlen verbinde ich mit Menschen, die einen festen Platz in meinem Herzen haben und von denen ich ebenso geliebt werde. Sie sind es doch, die ein Leben lebenswert machen! Da ich nun aber sozusagen zwei Leben habe, ein schweizerisches und ein irisches, finde ich nicht mehr nur in der Schweiz ein Zuhause. Meine zweite Heimat heisst «Irland».

Es mag seltsam klingen, denn schliesslich bin ich erst einige Wochen hier und doch habe ich Menschen gefunden, die mir unglaublich wichtig geworden sind, eine zweite Familie, Freunde. Doch nicht nur Menschen machen ein Zuhause aus, sondern auch die vertrauten Plätze, an denen man sich einfach wohl fühlt. Plätze, von denen ich vor einem halben Jahr nichts wusste, kenne ich heute so gut, als wäre ich nie woanders gewesen.

Wie Mahatma Gandhi einst Heimat definierte:

«Der Mensch ist dort zu Hause, wo sein Herz ist, nicht dort, wo sein Körper ist.» Der Nachteil an zwei Heimaten ist, dass man immer mindestens eine vermisst. Oft werde ich gefragt, wie ich das aushalte, ein ganzes Jahr ohne meine Familie und Freunde und wie sehr ich sie vermisse. Um ganz ehrlich zu sein, bisher hatte ich noch nie so richtig Heimweh. Es gibt manchmal diese Momente, in denen man eine gewisse Person einfach vermisst und bei sich wünscht, aber mehrheitlich fehlen mir vor allem Dinge wie die Berge und der Schnee. Doch sobald ich das wieder habe, werde ich das Meer, die Weite, die Grüne und die schönen Sonnenauf- und -untergänge vermissen, genauso wie meine Gastfamilie, die Freunde und sogar die Schule.

Ich werde mein irisches Leben wahrscheinlich mehr vermissen, als ich mein schweizerisches im Moment vermisse. Dafür gibt es einen einfachen Grund. Mein irisches Leben wird genau am 9. Juni 2012 zu Ende gehen. Ich werde nie wieder zurückgehen können, nie wieder in diesem Haus wohnen, zu dieser Schule gehen, meine Freizeit mit diesen Menschen verbringen, nicht so, wie ich es jetzt tue. In mein schweizerisches Leben könnte ich jederzeit zurück, ohne dass sich gross etwas verändert hätte.