Haydn und Mozart entgrenzten die Stadtkirche

)) Obwohl die Stadtkirche in Glarus ein sehr grosser Raum ist, stehen seine Wände als feste Grenzen da. Denkt man. Doch das zauberhaft leichte Klassik-Konzert, das hier am Sonntag unter der Leitung von Christoph Kobelt erklang, vermochte diese Grenzen für die Augenblicke der Musik aufzuheben.



Etwas verschmitzt nimmt Dirigent Christoph Kobelt die Ovationen entgegen (bilder; fjakober)
Etwas verschmitzt nimmt Dirigent Christoph Kobelt die Ovationen entgegen (bilder; fjakober)

Zusammen sind der Kammerchor Kobelt und der Glarner Singverein ein grosses und vor allem stimmgewaltiges Ensemble – gerade richtig für Joseph Hadyns gewaltige «Missa in tempore belli», die vom Kammerorchester Michael Kobelt unter der Leitung von Christoph Kobelt instrumental begleitet wurde. Das Hauptwerk des Abends verwendet zwar den traditionellen Text der lateinischen Messe, ist aber ein derart farbiges und vielfältiges Werk, dass es sich kaum zur Untermalung eines Gottesdienstes eignet.

Zu Beginn des Abends – das Licht fiel noch hell durch die hohen Fenster – erklang die Symphonie Nr. 24 in D-Dur. Ein frühes Werk Haydns, das seine Meisterschaft und seine Freude am Spiel mit der Form zeigt. Im zweiten und dritten Satz wird dabei die Traversflöte (die Vorgängerin der Querflöte) als Soloinstrument verwendet. Oskar Peter verzauberte mit seinem samtenen, eleganten Spiel das Publikum und zog es in die Musik hinein. Beim «Ave verum», einer kurzen Komposition von W.A. Mozart, zeigten der grosse Chor und das Orchester, dass sie einfach, klar und ausgewogen miteinander spielen konnten. Ganz im Gegensatz zur Schlichtheit dieses Werks, war die nun folgende Motette «Exsultate jubilate» für Solosopran und Orchester ein Stück, das die Virtuosität der Sängerin forderte, mit einigen von Mozarts schönsten und einfachsten Melodien, aber auch mit tückischen Sechzehntel-Passagen. Die norwegische Sängerin Gunhild Lang-Alsvik war in diesem Stück schlicht der Knaller – sie sang mit einer Leichtigkeit und Kraft, die Mozarts Unbekümmertheit und Freude direkt transportierten. Ihr Forte im 1. Teil brachte das Glas des Windfangs zum Zittern.

Nach Mozarts «Veni, Sancte Spiritus», also «Komm, Heiliger Geist», das er im Alter von 12 Jahren schrieb und das eine unglaubliche Reife zeigt, liess Christoph Kobelt die «Missa in tempore belli» entstehen – auf eine Weise, wie sie erst die neuere Interpretation von klassischen Werken möglich macht. Chor, Instrumente und Solisten sind von Hadyn in immer neuen Kombinationen eingesetzt, und obwohl die Besetzung – im Vergleich zu Werken der Romantik – noch fast bescheiden erscheint, schafft er einen Reichtum an Klängen, die das Werk zu einem der grossen Stücke klassischer Konzertliteratur machen. Christoph Kobelt gelang es, diese Farben hervorzuholen, sie nebeneinander, nacheinander, übereinander entstehen zu lassen. Denn obwohl es vor allem die Pauken sind, welche mit ihren Wirbeln die französische Armee ankündigen, so passiert eben noch viel mehr in dieser Musik, Neues, Unglaubliches, Subtiles. Es straft das Vorurteil Lügen, das Haydn immer noch als einen technisch guten, aber etwas langweiligen Viel-Komponisten anschaut, der sich sein Leben lang von Fürsten aushalten liess. Kobelt gab mit seinen Top-Musikern und -SängerInnen Haydns Werken jene Frische, Leichtigkeit und Farbe, die sie verdienen und die sie einzigartig machen. Er entfernte den Firniss der Zeit und es kam ein Bild hervor, das dem Publikum schlicht den Atem raubte.