Hebet sie oder hebet sie nüd?

In loser Folge veröffentlicht glarus24 in nächster Zeit verschiedene Anekdoten aus dem Leben von Hans Speck. Heute eine weitere Geschichte aus seiner Jugendzeit.



Bolzen sind kleine Metallspitzen mit kleinen farbigen Federn am Ende des Bolzens. (zvg)
Bolzen sind kleine Metallspitzen mit kleinen farbigen Federn am Ende des Bolzens. (zvg)

Die nachfolgende Geschichte hat sich an einem schulfreien Mittwochnachmittag ereignet. Sie ähnelt verdächtig der Geschichte von Wilhelm Busch’s «Bubengeschichten in sieben Streichen» mit den Hauptakteuren Max und Moritz. Stattdessen heissen die Akteure in dieser Geschichte Urs, Fred, Hansjakob, Frigg und Hans. Wie üblich traf sich das muntere Quintett auf dem nördlichen Kirchenplatz bei der katholischen Kirche, genauer gesagt bei der Bäckerei-Konditorei von Rudolf Läderach. Wieder einmal war eines unserer Schützenfeste im Hinterhof beim Urs angesagt. Als Waffe benutzten wir wie immer das Bolzengewehr von Fred. Zum Einschiessen befestigten wir mit Reissnägeln kleine Zielscheiben aus Karton in der Grösse von 15 x 15 Zentimeter an die Waschküchentüre von der Mutter von Urs. Als Munition benutzten wir Bolzen. Diese dienten allerdings nur für kurze Distanzen. Bolzen sind kleine Metallspitzen mit kleinen farbigen Federn am Ende des Bolzens. Nachdem wir fünf über eine Stunde lang auf die Scheibe geballert hatten, wurde uns diese Art von Schiessen zu langweilig.

Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt zugleich ...

Die nachfolgende Geschichte sollte von eher zart besaiteten Lesern nicht unbedingt gelesen werden. Jedenfalls kann ich es im Nachhinein kaum mehr glauben, dass ein solcher Vorfall wie der nachstehend Beschriebene damals tatsächlich geschehen konnte. Heutzutage würde in einem ähnlichen Fall die Polizei mit einem Grossaufgebot auffahren, sie würde uns verhaften und in eine Jugend-Strafvollzugsanstalt einweisen. Tierschützer würden auf die Barrikaden steigen und die Medien würden mit grossen Lettern uns zu Terroristen abstempeln. Aber eben, wir waren noch Lausbuben und waren uns der Tragweite unseres Handelns überhaupt nicht bewusst. Zurück zur eingangs erwähnten, ich gebe es zu, eher traurigen Geschichte. Nach dem Munitionswechsel von Bolzen auf Bleikügeli strebten wir fünf im wahrsten Sinne des Wortes nach Höherem. Statt auf Scheiben zu schiessen, wurden Vögel unsere Opfer. Nachdem wir abgeklärt hatten, dass uns niemand in der Umgebung beobachtete, flogen schon bald die ersten Vögel statt himmelwärts bolzengerade im Sturzflug zu Boden. Die abgeschossenen Vögel wurden gleich im nahen gelegenen Garten vergraben. Schande über uns!

… dieses war der zweite Streich, doch der dritte folgt zugleich!

Nachdem die Schiesserei auf die armen Vögel abgeschlossen war, hatte einer von uns die «glanzvolle» Idee, man könnte doch einmal die Durchschlagskraft eines Bleikügelchens prüfen und schauen, ob die Lederhose unseres Kumpels Frigg das aushält. Dieser Vorschlag betrachteten wir als interessant und äusserst reizvoll. «Also, probieren wir es aus», forderte Freund Frigg in den Lederhosen uns auf. Ich nahm das Bolzengewehr, hielt es direkt auf den rechten Oberschenkel meines Freundes und zögerte vorerst mit abdrücken. «Mach endlich vorwärts», meinte der Lederhosenträger. Er hätte diesen Satz lieber bleiben lassen sollen. Ich drückte auf den Abzug, ein kurzer Klick und ein tierischer Aufschrei unseres Kumpels! Das kleine Bleikügelchen verfehlte seine Wirkung nicht. Mit einem glatten Durchschuss durch die Lederhose blieb das Projektil im Oberschenkel vom Lederhosen-Frigg stecken. Ich wusste, dass mein Kumpel ziemlich schnell auf den Füssen war, aber so schnell wie nach dem Durchschuss wird er wohl nie mehr in seinem Leben gerannt sein. Für die notwendige Flickarbeit und für mahnende Worte sorgte unser geschätzter Dr. Jaumann. Freund Frigg meinte später mit eingebundenem Oberschenkel etwas kleinlaut: «Ä sonä chliis Chügäli, das hett ich nie dänggt! Wämä dänggt, was hetti chännä passierä». Passend dazu Wilhelm Busch’s Schlusswort «Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei, mit der Übeltäterei!!»