Hellvetia – die einig einsame Schweiz

Im Güterschuppen Glarus wickelten sich am vergangenen Samstagabend eine beinahe erdrückende Fülle von klar fordernden Einsichten und Ansichten ab. Wortreich und mit hoher Bühnenpräsenz angeboten war das von Anja Rüegg und Giorgina Hämmerli, basierend auf Recherchen des Theatermachers Livio Beyeler. Er hatte sich auf fünf Schweizer Alpbetrieben, unter anderem auch im Glarnerland, aufgehalten, sich rumgehört, recherchiert, eigene Erfahrungen gewonnen.



Anja Rüegg und Giorgina Hämmerli in der Aufführung "Hellvetia" im Güterschuppen in Glarus (Bilder: p.meier)
Anja Rüegg und Giorgina Hämmerli in der Aufführung "Hellvetia" im Güterschuppen in Glarus (Bilder: p.meier)

Und was da alles zusammengetragen worden war, kam einer geballten Ladung von Erkenntnissen, Feststellungen, Wünschen, Beurteilungen und Kommentaren gleich. Für die aufmerksam Hinhörenden gab es einiges zu vernehmen, in sich aufzunehmen und zuweilen in Windeseile zur Kenntnis zu nehmen.

Die erste Begrüssung erfolgte im Vorraum. Die beiden Damen meldeten sich mit Schellentönen, Urchiges ansingend, sich mit dem Inhalt des Alpsegens einstimmend. So war man denn bald einmal auf irgendeiner Alp inmitten einer umgebungsbezogen stimmigen Gegend. Das war der äussere Rahmen.

Zum Betreten des Theaterraums war man anschliessend eingeladen, man sah sich rasch den klug und szenenwirksam konstruierten Requisiten gegenüber – einem übergrossen leuchtenden Ring, einem multifunktionalen Kasten, Tablaren, die sich als Tischfläche eigneten, Kisten als Podien, Kastenoberfläche als erhöhte Bühne, Tücher, Stangen, gitterartige Rückwand. Und alles war Spielfläche, war Stätte fürs Klagen, Feststellen, Fragen, Vermuten, Vergleichen mit Grenznahmen, aber ausserhalb Existierendem. Alles bot Raum für Lob, Gesang, für verschiedenartige Statements inmitten der wilden Natur, die keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten der beiden Älplerinnen nimmt, die sich so wirblig, stimmig und nuancenreich bewegen, sich irgendwelchen Geschichten hingeben, einander erzählen, wissend, dass es den leuchtenden Ring zu verlassen gilt, wenn Grenzen zu sprengen sind.

Es rufen das Tal und der Berg, es lebt die Tradition, die durch dringend Neues, weit Fassenderes zu ergänzen ist. Mit dem angesungenen «Heil dir Hel(l)vetia» und dem tüchtigen Schnupf ist es da nicht getan. Überdeutlich und lange ist angespielt, was trotz kühlem, störendem Sturmwind zu geschehen hat, damit die Hel(l)vetia wieder in ihrer angestammten Schreibweise existieren kann. Globale Problematiken sind hinlänglich bekannt, bergen die Erkenntnis, dass nur gemeinsam angepackt und gelöst werden kann, was ansteht.
Dass die Älplerinnen grosse Bedenken haben, aus der intakten Zweisamkeit auf der Alp wieder in den quirligen Alltag im Tal zurückzukehren, ist absolut nachvollziehbar.
Und wer sich mit den Gegebenheiten des politischen und gesellschaftlichen Alltags, mit Umweltproblematik, Verurteilen und nervigem Kommentieren befasst, war in diesen ganz speziellen «Alpsommer» schnell integriert.
Schnell nahm man von der doppelbödige Schreib- und Bedeutungsweise dieser «Hellvetia» Kenntnis. Sie gastierte auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus im Hauptort.

Die künstlerische Leitung hat Livio Beyeler, Elo Göldi und er schrieben die Texte. Für Bühne und Kostüm zeichnet Julie Stehen Nielsen, für die Musik Elia Aregger und die Technik Nehemia Bertschi verantwortlich.

Es ist der Hellvetia zu wünschen, dass ihre gesammelten Erkenntnisse auch anderswo gehört und erhört werden, dass die Recherchen zur «einzig einsamen Schweiz» wie Samenkörner sind, die aufblühen und eine farbig-friedliche vielsprachige Einheit werden.