Helvetismen – was man nur in der Schweiz versteht

Es gibt sie effektiv – die Begriffe, die standortgebunden sind, die man nur an diesen Orten braucht. Das tönt beim ersten Hinhören leicht dramatisch. Und wenn dieses scheinbare sprachliche Wirrwarr zudem im Freulerpalast in Näfels in Ordnung gebracht werden soll, wird es reichlich konfus.



Helvetismen – was man nur in der Schweiz versteht

Die Besucherinnen und Besucher dieser bis zum 9. August dauernden «Sprachspezialitätenschau» werden die Ausstellungsräume mit einigem «Aha» und «Jäso» verlassen und erleichtert feststellen, dass alles bloss mit einigen ganz spezifischen Begriffen zu tun hat. Helvetismen beschränken sich nicht nur auf die glarnerische Mundart, die in den vier Regionen zum kleinen Teil teilweise ungleich aufklingt, in dem durchaus reizvoll singenden Tonfall. Und nimmt man sich die – durchaus lohnenswerte Mühe – sich mit diesen Besonderheiten vertraut zu machen, kann man ein gewisses Schmunzeln nicht verkneifen und um alsbald festzustellen, dass man einiges vielleicht vergessen hat; um zu erkennen, dass es Derartiges auch in weiteren Teilen der Schweiz gibt. Angefügt seien die französische Sprache in der Romandie oder das Italienische, wie es im Tessin gepflegt wird. Unerwähnt bleibt – leider – das Romanische.

Bei der Ausstellung im Museum des Landes Glarus handelt es sich um eine Wanderausstellung des Centre Dürrenmatt aus Neuenburg mit dem Forum Helveticum mit Beiträgen aus den drei Landesteilen. Sie ist geschickt konzipiert, es wird die liebenswerte Vielfalt so entflochten, dass bald einmal Ruhe und Übersicht bestehen. Mittels begrüssenswert kurzen TV-Sequenzen wird im ersten der drei Ausstellungsräume auf die Vielsprachigkeit eingegangen, es sind Voten von Politikern aus dem Bundeshaus zu vernehmen. Und wenig später ist man mit den «Spoken words» und Kurzlesungen konfrontiert, erkennend, wie unerschöpflich die Vielfalt an Gehörtem und Niedergeschriebenem ist, Dies gilt auch auch bezüglich Tonfall mit Fragen, Rufen, Klatsch und Tratsch, Verweisen, Lob, Wortwiederholungen, Schroffheiten, Lautstärke und anderem. Sprache, egal wo sie herkommt, ist wesentlicher Teil unserer Kultur, unseres Alltags.

Wendet man sich einzelnen Begriffen und den jeweiligen Erläuterungen zu, merkt man unschwer, wie schwierig sinnrichtiges Übertragen ins Hochdeutsche zuweilen ist. Es ist durchaus möglich, dass ein Teil der Eigenart verloren geht, dass ein Begriff durchaus verschiedene Bedeutungen haben kann. Gedacht sei an «Schnuderi» als Erkältungssymptom und kleiner, leicht frecher Kerl, «Gschtell» als Hochgewachsener und Regal, «Billett» als Fahrausweis oder Fahrkarte – das liesse sich fortsetzen …

Dann wieder gibt es Begriffe, die nur im glarnerischen Dialekt vorkommen; Beispiele seien «Bliili» und «Wäiä». Und fragt man sich dazu, woher diese Begriffe eigentlich kämen, steigt unter Umständen der Grad des Staunens. Da gehören Potchamberli, Faszenettli, Bagaschi, Quelerettli dazu. Teilweise hat das damit zu tun, dass einst Mädchen als Haushalthilfen in der Westschweiz tätig waren und Rudimentäres im eigenen Bagaschi heimnahmen. So fiel man beim gepflegten Konversieren mit jeder Garantie auf. Die Angaben in dieser munter einherkommenden Präsentation erlauben Quervergleiche, weisen auf Übersetztes hin; wie Cervelat als Brühwurst in Deutschland, Rüebli und Karotten, Randen oder Rote Bete, Peperoni und Paprika oder Eierschwämmli und Pfifferlinge.

Und wer sich als überzeugter Fan zu outen gedenkt, kann sogar das ganz persönliche Lieblingswort eingeben. Das angebotene Auseinandersetzen mit der Vielzahl an Eigenheiten ist reizvoll, wird einige Zeit beanspruchen, wird unter Umständen zur Erkenntnis führen, dass das Bewahren spezifischer Wörter angesichts der enormen Mobilität und der englischen «Meisterkreationen» unglaublich schwierig bis unmöglich ist. Und das ist dann alles andere als «cool».

Der gepflegten Sprache muss ganz nachhaltig und bewusst Sorge getragen werden, sonst geht einfach zu viel verloren. Während der Dauer der Ausstellung sind in der Landesbibliothek Glarus ausgewählte Werke von Friedrich Dürrenmatt aufgelegt. In Näfels sind verschiedene Führungen, eine Stubete der Academia Glaronensis und eine Nachlese angeboten. Buchungen für Führungen werden unter Telefon 055 612 13 78 oder [email protected] entgegengenommen.