Herdenschutz bleibt eine Herausforderung

Im ersten Halbjahr 2022 wurden im Kanton Glarus 24 Nutztiere gerissen. Davon wurden 18 Tiere trotz Herdenschutz getötet. Die Abteilung Landwirtschaft möchte die öffentliche Diskussion mit Fakten versachlichen. Der Herdenschutz bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe für alle Beteiligten.



Medienmitteilung der Regierung zum Herdenschutz (zvg)
Medienmitteilung der Regierung zum Herdenschutz (zvg)

Seit der Rückkehr des Wolfs in die Schweiz wird gefordert, den Herdenschutz zu verstärken. Die Zuständigkeit ist in der eidgenössischen Jagverordnung geregelt und obliegt im Kanton Glarus der Abteilung Landwirtschaft. Das Angebot an Information und Beratung wurde stark ausgebaut und folgt im Gleichschritt mit der Entwicklung des Wolfbestandes.

Herdenschutz mit Hunden

Der Herdenschutz mit Herdenschutzhunden gilt als effektiv. Trotzdem ereignen sich immer wieder Risse bei geschützten Herden, wie dies am 16. Juni auf der Alp Saumen und am 17. Juni auf der Alp Mürtschen geschehen ist.

Wolfsangriff auf der Alp Saumen ...

Auf der Alp Saumen wurden in einer Herde mit über 500 Schafen 7 Tiere auf einer 11 Hektaren grossen Weide gerissen. Die Weide im unteren Saumen ist an den Stellen, an denen die Schafe entweichen können, mit Weidenetzen eingezäunt. Der untere Teil der Weide ist steil und unübersichtlich. Zudem ist er mit Felsköpfen durchzogen. An zwei Stellen befinden sich kleine Tobel. Auf dem oberen, flacheren Teil der Weide verbringen die meisten Schafe zusammen mit den Herdenschutzhunden die Nacht. Kleinere Gruppen übernachten im unteren Teil der Weide. Die natürlichen Barrieren bewirken, dass die Schafe auf der vorgesehenen Weidefläche bleiben. Für den Wolf sind sie kein Hindernis. Es wird vermutet, dass ein Wolf in der Nacht vom 15. auf den 16. Juni bei einem der Felsköpfe eingedrungen ist. Vermutlich haben die insgesamt 7 Herdenschutzhunde (4 ausgebildete Hunde, 3 Junghunde in Ausbildung) den Wolf aufgrund der Fallwinde nicht gewittert. 4 Schafe wurden mit Kehlbissen tot innerhalb der Weide gefunden. Ein Schaf lag tot im Netz, zwei weitere Tiere wurden im Tobel ausserhalb der Weide gefunden. Diese wurden teilweise genutzt.

Die 2021 durchgeführte Planung der Schafalpung hält fest, dass gewisse Koppeln der Alp Saumen nicht den vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) festgelegten Grössen entsprechen. Die Koppeln im Oberen Saumen, unterhalb des Guldengrates, mit Weideflächen von über 20 Hektaren sind zu gross, um sie effizient schützen zu können. Da der Alpbewirtschafter die Schafe mit mehr als der üblichen Anzahl an Schutzhunden schützt, werden die ergriffenen Herdenschutz-Massnahmen vom BAFU anerkannt. Die Alp gilt als «zumutbar geschützt». Um weitere Risse zu verhindern, wurden am 16. Juni zwei weitere Weidenetze erstellt. Damit wurde der untere, unübersichtliche Teil der Weide abgetrennt. Es wird nun versucht, die gemäss BAFU als zu gross eingestuften Koppeln im weiteren Verlauf dieses Alpsommers zu verkleinern, um sie so für die Herdenschutzhunde übersichtlicher zu machen. Dies ist mit einem deutlich erhöhten Arbeits- und Materialaufwand verbunden.

... und der Alp Mürtschen

Auf der Alp Mürtschen wurde in einer Herde mit rund 150 Schafen ein Lamm auf einer etwa 8 Hektaren grossen Weide im Steinalpli gerissen. Die Herde wurde von drei Schutzhunden bewacht. Ein knapp zehnjähriger Hund ist gesundheitlich angeschlagen und wurde nach dem Vorfall zurück auf den Heimbetrieb gebracht. Die zwei verbleibenden Herdenschutzhunde genügen für den Herdenschutz; einer hat im Frühling die erforderliche Einsatzbereitschaftsüberprüfung bestanden. Der andere gilt mit knapp 8 Jahren als erfahren. Dieser Herdenschutzhund war bereits im Jahr 2020 auf der Mürtschenalp, als mehrere Schafe dem Schiltrudel zum Opfer fielen. Diese Fakten zeigen, dass eine zuverlässige (Nach-)Zucht der Herdenschutzhunde eine wichtige und anspruchsvolle Aufgabe ist. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Tieren ist deutlich grösser als das Angebot. 

Die Schafherde ist zusätzlich eingezäunt. Der Zaun muss jedoch nicht dem Anspruch genügen, das Eindringen des Wolfes absolut verhindern zu können, da die Herde durch Hunde geschützt wird. Die Weide ist von drei Seiten mit lichtem Wald umgeben. Der obere Teil der Weide wird durch ein Felsband begrenzt. Woher der Wolf in die Weide eingedrungen ist, kann nicht festgestellt werden. Die 2021 durchgeführte Planung der Schafbealpung hält fest, dass die Mehrheit der 7 Koppeln gemäss den Kriterien des BAFU als «schützbar» gilt. Diese Kriterien beinhalten keine betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Mittelfristig muss die Zahl der gesömmerten Schafe erhöht werden, damit ein wirtschaftlicher Betrieb sichergestellt werden kann. Es wird vorgeschlagen, mittelfristig eine ständige Behirtung mit Herdenschutzhunden aufzubauen.

Herdenschutz mit Zäunen

Nicht nur beim Herdenschutz mit Schutzhunden zeigt sich, dass − trotz den vom BAFU empfohlenen und von der kantonalen Herdenschutz-Beratung aufgezeigten Möglichkeiten und den Alpbewirtschaftern vor Ort umgesetzten Massnahmen – die Schafe nicht genügend geschützt werden können. Ebenso kann der Herdenschutz mit geschlossenen Zäunen keinen vollständigen Schutz garantieren, wie sich bei einem Wolfsangriff in Matt am 16. Mai 2022 gezeigt hat. Der Zaun wurde einwandfrei aufgestellt. 

Festzuhalten ist, dass trotz grossen Bemühungen die Schäden durch den Wolf zunehmen. Festzuhalten ist aber auch, dass Herdenschutz-Massnahmen eine Wirkung zeigen. Es sind folgende Lehren zu ziehen:

  • Die Zusammenarbeit der Wildhut und der Landwirtschaft muss im Bereich Herdenschutz weiter verstärkt werden.
  • Der Herdenschutz darf seitens der Landwirtschaft nicht vernachlässigt werden und ist im Rahmen der bekannten Massnahmen auf den Alpen und Betrieben konsequent umzusetzen. Wölfe sind lernfähig und passen sich den Gegebenheiten an. Die Landwirte versuchen sich zusammen mit der Herdenschutzberatung dieser Dynamik zu stellen, um ihren Beitrag zur geforderten Koexistenz zwischen Grossraubtieren und Nutztierhaltung zu leisten.

Es bleibt zu hoffen, dass der auf nationaler Ebene gefundene Kompromiss zur Revision des eidgenössischen Jagdgesetzes baldmöglichst im National- und Ständerat beraten und verabschiedet wird, damit eine massvolle Regulierung der Wolfspopulation durch die Wildhut spätestens auf den Sommer 2023 erfolgen kann.