Die Thematik des bekannten Bühnenstücks von Max Frisch ist und bleibt aktuell. Wie lange soll aufkeimendem, bedrohlichem Unrecht mehr oder weniger unkritisch begegnet werden?
Wann und wie soll man seine Stimme erheben und intervenieren? Soll geschwiegen werden, um Streit und Ungerechtigkeit aus dem Weg zu gehen? Was bringen Naivität, gespielte Unwissenheit? Und wie soll Derartiges zur Bühnenreife gelangen, gespickt mit Spielwitz, Unverfrorenheit, angekündigter Gewalt, skurrilem Festmahl mit einer Gans, Suizid eines Angestellten, Eile und Ungeduld des Geschäftsmanns mit dem mehrdeutigem Nachnamen Biedermann, warnenden Auftritten der Feuerwehrleute, die das Unheil kommen sehen und resolut agierender Haushaltshilfe samt frecher Direktheit der beiden Brandstifter?
In diesem Geflecht von Bewegendem, Erheiterndem, zuweilen alltäglichen Erlebnissen wurde über beinahe anderthalb Stunden hinweg mit stets professionellem Geschick in knappstem Bühnendekor gespielt. Weniges genügte für alles, sei das nun Küche, Salon, Dachboden mit Benzinbomben oder Vorplatz des gediegenen Hauses von Herrn Biedermann, verheiratet und Haarmittelfabrikant. Lautstark lamentierend äussert er sein Unverständnis über Brandstifter, die da und dort ihr Unwesen treiben und recht unbekümmert vorzugehen pflegen. Ausgerechnet in diesem Moment taucht Herr Schmitz auf; ehemaliger Ringer, im Moment arbeitslos, Gastfreundschaft und Mitmenschlichkeit samt Herberge überdeutlich fordernd. Gottlieb Biedermann weist ihn nicht weg, was er aus dem tiefsten Innern heraus eigentlich tun sollte. Er lässt ihn rein, akzeptiert dessen Aufdringlichkeit und Frechheit, ist dem wortreichen, charmanten Frechdachs und Lebemann in keiner Weise gewachsen. Der lümmelt sich aufs Sofa, raucht, säuft, schlägt sich den Bauch mit der offerierten Verpflegung voll, wünscht immer mehr. Der Schlafplatz ist auf dem Estrich, dort gesellt sich bald einmal Herr Eisenring – ehemaliger Kellner mit Knasterfahrung. Biedermann verfolgt mit, wie sein Haus dereinst wunderbar in Flammen aufgehen wird. Er ist zugegen, wenn die beiden absolut ungebetenen Hausgäste genüsslich Zündschnüre, Benzinvorräte und Zünder bereitmachen. Er ist sogar bereit, ihnen die noch fehlenden Zündhölzer zu schenken. Biedermann mimt Verzweiflung, Wut, Ungehaltenheit, signalisiert grosses Unverständnis und offensichtliche Hilflosigkeit, hört sich das zuweilen resignierte Ermahnen der Feuerwehrleute nicht an. Zwischendurch fertigt er die Witwe eines ehemaligen Mitarbeitenden gar barsch ab, obwohl er weiss, dass Knechtling wegen seiner harten Haltung Selbstmord begangen hat. Biedermann verstrickt sich in einem unheilen Netz von Abhängigkeiten, Zugeständnissen, falscher Gastfreundschaft, Gutmütigkeit, Unbeholfenheit, Feigheit, Abwarten und Hilflosigkeit. Das kommt nicht gut. Die beiden Brandstifter nutzen die schmerzlich spürbaren Lücken dieses Beziehungsgeflechts schamlos. berechnend und absolut zielführend aus.
So viele Momente spielen Biedermann (Runa Wehrli), Biedermanns Ehefrau Babette (Jane Dobler), das Hausmädchen Anna (Laura Kreienbühl), die beiden Brandstifter Schmitz ((Dunya Rupp) und Eisenring (Danielle Hefti), der Polizist und die Witwe Knechtling (beides gespielt von Ümmünur Armagan)und die Feuerwehrleute (Sirkka Marti, Lionel Wehrli, Terence Wezel) derart nachhaltig, dass das Geschehen zu einem beeindruckenden Ganzen gerät. Biedermann hat absolut unrecht, wenn er einmal sagt: «Man soll nicht immer das Schlimmste denken. Wo führt das hin! Ich will meine Ruhe und meinen Frieden haben, nichts weiter …»
Mit ganz, ganz viel Beifall und spürbarer Hochachtung wurden das Ensemble mit ihren Leitenden Daniela Nieden und Christoph Zürrer verabschiedet.
Hervorragendes Ensemble des Freifachs «Theater» der Kantonsschule
«Biedermann und die Brandstifter». Was Jugendliche des Freifachs «Theater» unserer Kantonsschule kürzlich auf der Bühne der Aula Glarus anboten, war in jeder Beziehung bemerkenswert. Mit spürbarer Lust am Spiel, ausdrucksreich, enorm kraftvoll und wirblig wurde agiert. Wort- und gestenreich, mit viel Geschick und Gewandtheit drücken sich alle aus. Für die vielen Zuschauer war dieses Begegnen gleichermassen bewegend, viel Anteilnahme und Bewunderung weckend.