Hinter den Kulissen der Lederwerkstatt

Es ist ein unscheinbares Geschäft an der Hauptstrasse in Netstal. Die Lederwerkstatt von Karin Ochsner. Viele sind da schon vorbeigefahren und haben es womöglich auch gesehen. Aber genauso viele können sich nicht vorstellen, was sich dahinter verbirgt. Um dies zu ändern, treffe ich mich an einem Montagmorgen mit Karin Ochsner. Mich interessiert, was hinter dieser «Kulisse» steckt.



Hinter den Kulissen der Lederwerkstatt

Ich werde nicht nur von Frau Ochsner herzlich begrüsst, auch ihr Hund Benji ist über meinen Besuch hoch erfreut. Frau Ochsner nimmt mich gleich mit in die kleine Werkstatt im hinteren Teil des Ladens. Es ist eng. Viele Lederriemen in verschiedenen Grössen und Farben hängen herum oder liegen auf Regalen. Und, wen wunderts, es riecht nach Leder. Für mich ist das ein edler Geruch. Und auch ein edles Material. Aber damit zu arbeiten und es zu verzieren, wie es Karin Ochsner macht, ist nicht so einfach.

Sie zeigt mir als erstes einen Riemen, an dem sie momentan arbeitet. Beziehungsweise sie bestickt ihn. Wir alle kennen das. Die Kühe mit ihren reich verzierten Glockenriemen bei Alpabzügen. Und genau das stellt Karin Ochsner, nebst vielem anderem, her. Eine Arbeit, die viel Geschick und auch Kraft erfordert. Doch dazu später mehr. Ich möchte von Frau Ochsner wissen, wie sie zu dieser Arbeit gekommen ist: «Ursprünglich habe ich Bäckerin/Konditorin gelernt. Aber aufgrund einer Allergie musste ich diesen Beruf aufgeben. Ich habe etwas Neues gesucht. Ich arbeite gern mit den Händen, bin kreativ und mag es auch, alleine zu arbeiten. Durch meine Liebe zu Pferden, die ja auch Lederzeug benötigen, bin ich auf diesen Beruf gestossen.» Es macht ihr offensichtlich Spass. Ich spüre es, wie sie mit Begeisterung von ihrer Arbeit erzählt. Ich frage sie, ob sie nicht mal einige Stiche machen kann. Ich will zu gern wissen, wie sie das macht. Das Leder ist etwa 3 Millimeter dick. Mit einer Ahle sticht sie durch das Leder und führt nachher ein farbiges, dünnes Lederband hindurch. Es sieht einfach aus. Und deshalb möchte ich es selber versuchen. Aber wie es so ist. Was einfach aussieht, entpuppt sich als, sagen wir mal so, gar nicht so einfach. Vor allem wenn man bedenkt, wieviel Zeit es benötigt von Hand hunderte von Stichen durch ein dickes Lederband zu bohren. «Mehr als 5 Stunden kann man diese Arbeit nicht machen», meint Frau Ochsner, «und das auch nur wenn man Routine besitzt. Auch die Konzentration lässt nach. Ein falscher Stich und die Arbeit ist zerstört. Fehler kann man nicht reparieren. Leider ist mir das auch schon passiert. Das ist ärgerlich.» Ich frage sie, ob das auch maschinell hergestellt werden könnte. «Nein, das geht nicht. Es gibt keine Maschine, die diese Arbeit ersetzen könnte. Das Leder ist 3 bis 4 mm dick, da ist Handarbeit angesagt.»

Wir verlassen nun die Werkstatt und steigen in den Keller. Dort lagert das Leder und auch verschiedene Pelze, die zum Verzieren benutzt werden. Sie hebt ein Leder auf den Zuschneidetisch. Ich schätze die Grösse ca. 2 Quadratmeter. «So bekommen wir das Leder. Von jetzt an ist alles Handarbeit. Zuschneiden, Lochen, Stanzen, Nähen und natürlich das Besticken des Leders.»

Wieder zurück im Laden zeigt sie mir noch alle anderen Artikel, die sie herstellt. Es ist eine Vielfalt von Deko- und auch Gebrauchsartikeln. Klein oder auch etwas grösser. Was mir sofort auffällt, sind die grossen Kuhglocken mit den reich verzierten Riemen. Da steckt sehr viel Arbeit dahinter. Ich würde es durchaus als Kunsthandwerk bezeichnen. Und das hat auch seinen Preis. Der aber mehr als gerechtfertigt ist.

«Wir erfüllen auch sehr gerne spezielle Kundenwünsche», meint Frau Ochsner. «Besticktes Leder mit einer persönlichen Botschaft, ob Name, Datum, Hochzeit, was möglich ist, machen wir. Wir können das Leder aber auch mit einem Laser bearbeiten. Bilder, Fotos, Wappen mit dem Laser hat man noch viel mehr Möglichkeiten.»

Ich schaue mich etwas mehr im Laden um. Grosse und kleine Glocken mit herrlich bestickten Riemen. Nasenbänder für die Kühe beim Alpabzug. Ledergürtel, Baseballkappen, bestickte Hirthemden, Schlüsselanhänger, Ledergürtel und eine Vielzahl von kleinen Accessoires. Besonders gefallen mir die Schlüsselanhänger mit Glarner Motiven. «Uns fehlt fast der Platz, um alles zu zeigen, aber wir ziehen bald um. Von der Landstrasse in die Langgüetlistrasse 2 in Netstal», meint Karin Ochsner.

Ich habe heute wieder etwas gelernt. Es gibt Menschen, die mit viel Leidenschaft etwas von Hand herstellen und damit vielen anderen Freude bereiten. Und was noch dazu kommt, es ist aus der Region. Das eine oder andere gibt es bestimmt auch im Online-Handel zu kaufen. Und vielleicht auch billiger. Aber die Freude ist doch grösser, wenn der Käufer/die Käuferin oder der Beschenkte weiss, wer und wo es hergestellt wurde.

Ich kannte die Lederwerkstatt bis heute nur von aussen. Nun weiss ich aber was dahintersteckt. Ich möchte mich bei Frau Ochsner herzlich bedanken, dass sie mir einen Einblick in ihre Arbeit gewährt hat. Es war sehr interessant. Als Schlusswort möchte ich sagen: «Hinter dieser unscheinbaren Fassade steckt ein kleines Juwel.»