«Hinter diesen blauen Bergen» – Milena Moser las in Glarus

Die Piazza der Landesbibliothek – gibt es einen stimmigeren Raum für Lesungen – war bis auf den letzten Platz besetzt, als Gaby Ferndriger von der Buchhandlung Baeschlin alle begrüssen konnte, die sich zusammengefunden hatten, um Milena Moser und ihren Ausführungen aus dem neuesten Werk «Hinter diesen blauen Bergen» zuzuhören.



«Hinter diesen blauen Bergen» – Milena Moser las in Glarus

Gaby Ferndriger zog gewisse Parallelen zum Glarnerland als einstigem Auswandererkanton und dem Entscheid von Milena Moser, sich in den USA rumzubewegen, sich an einem neuen und doch vertrauten Ort mit vielen Bekannten aus dem Einst und neuen Personen aus dem Heute niederzulassen. Milena Moser, so Gaby Ferndriger – zugleich zuständig für Baeschlin littéraire – sei eine Erfolgsautorin, die 20 Buchtitel auf den Markt gebracht habe, die sich durch selbstkritische Offenheit, Ehrlichkeit und ehemals verlegerische Kompetenz auszeichne. Milena Moser ist keineswegs publikumsscheu. Sie ist selbstbewusst, wortgewandt, vermag sehr bildhaft zu schildern, Stimmungen aufzunehmen, recht kritisch und zuweilen deutlich wertend zu reflektieren, bedeutsam zu vermuten, Erfahrungen einzubringen. Das macht ihre Geschichten lesenswert. Man ist bald einmal mitten in einem Geschehen, das den Interessierten ohne grosses Wenn und Aber, ohne Philosophisches oder stark Kopflastiges verweilen lässt. Milena Moser ist auf willkommene Weise neugierig forschend, entschlusskräftig, zupackend. Direkt Betroffene, im präsentierten Geschehen vorkommende Personen, werden das zuweilen als gar direkt erleben. Moser schildert schnörkellos, mit grosser Aufrichtigkeit, mit einer Direktheit, die aufhorchen lässt, mitreisst, viele Gefühle zu wecken vermag. Nicht nur, weil das Amerika – genauer die USA – ist, sondern auch Fragen aufwirft. Weshalb tut man sich Derartiges an, warum diese Abkehr, das Hineinleben und zuweilen echt nervige Auseinandersetzen mit absolut Neuem, das stark herausfordert, gelöst sein muss, weil das Scheitern und Resignieren einer echten Niederlage gleichkämen?

Milena Moser zeigte auf, weshalb aus ihrer unstillbaren Lesesucht der Drang zum Schreiben gewachsen sei. Sie outet sich als Mädchen, das Pferde einst heiss liebte, sich diesem Ausleben voll und ganz verschrieb, durch nichts zu bremsen war. Ein Unfall führte zu Änderungen, führte zum Erfinden und späteren Niederschreiben vieler Geschehnisse.

In ihrem neuen Buch wird man sehr schnell und ohne Umwege in ein auch für Moser neue Umgebung eingeführt, entführt. Es sind Santa Fe und Ende Juli 2014; Zeit und Ort mit einem neuen Zuhause, mit neuen Freunden, Gewohnheiten, Kulturformen, mit einer Umgebung, die man liebgewinnen kann. Moser entführt die Hinhörenden mit grosser Eleganz in die Jahre ihrer Trennung von ihrem Mann, ins neue Orientieren, lässt einen an innigsten Wünschen und Hoffnungen teilhaben – mit entwaffnender Ehrlichkeit. Es ist irgendwie ein Wechselbad mit zuweilen unruhigstem Wellengang. Und irgendwie fragt man sich nach jedem Innehalten der Buchautorin, wie es wohl weitergehen werde. Und man atmet auf; auch unselige Ereignisse nehmen ungeahnte Wendungen. Jener so oft auftauchende Victor dominiert das Geschehen, passt aber bestens ins quirlige Durcheinander, das zuweilen eine gewisse Ruhe bräuchte. Man vernimmt vom neuen Häuschen mit seinen 55 Quadratmetern, erfährt einiges über Santa Fe als Einwandererstadt, über das fordernde Auswandern im Allgemeinen (das nun mal nichts für Mimosen ist), die Allmacht und Schwerfälligkeit der US-Administration, die Bedeutung von Dokumenten, die gar wilde Auslegung vieler Paragraphen, das Reisen mit bekifften Engeln, sehr gefühlsbetonten Ausbrüchen – man ist mitten drin.

Abrupt endet die Lesung. Noch befasst man sich mit Ausführungen zu Yoga, Hexenschuss und anderem, sinniert über Umgang mit Geld in den fernen Vereinigten Staaten, die urplötzlich eine gehörige Portion bekannter geworden, näher gerückt sind und landet unwillkürlich bei Fragen, die auch Milena Moser in den Raum gestellt hat. Sie könnten so lauten: Wo ist den nun das Glück? Was heisst es Kinder zu haben, Bücher zu schreiben, einen neuen Mann zu lieben? Was will man eigentlich – beides, alles, nur etwas? Was steht mir wirklich zu?

Antworten hätten sich auch nicht nach einer Diskussion ergeben. So liess man sich das erworbene Buch signieren, wechselte wenige Worte mit der Autorin, verabschiedete sich und tauchte spätestens beim Lesen in den eigenen vier Wänden nochmals in diese Welt ein, die für kurze Zeit im Glarnerland Gastrecht genossen hatte – dank der 1963 in Zürich geborenen Autorin, die sich auch als Schauspielerin – mit der Musikerin Sibylle Aeberli – einen Namen gemacht hat, ab 1998 bis 2006 in San Francisco, dann im Kanton Aargau und seit 2015 wieder in den USA lebt und ein bewegtes in ihren Büchern oft thematisiertes Familienleben kennt.