Historisch: Glarner Landsgemeinde muss erstmals in der Neuzeit abgesagt werden

Erstmals in der 183-jährigen Geschichte der Glarner Landsgemeinde in der heutigen Form, muss die gesetzgebende Versammlung der Glarner Stimmberechtigten abgesagt werden. Verschoben oder später weitergeführt wurde die Landsgemeinde jedoch schon einige Male.



Wird erstmals seit 183 Jahren nicht aufgestellt: Der Landsgemeindering im Zaunplatz (• Foto: Landesarchiv Glarus)
Wird erstmals seit 183 Jahren nicht aufgestellt: Der Landsgemeindering im Zaunplatz (• Foto: Landesarchiv Glarus)

Sie wurde vom Frühling in den Spätsommer verschoben und es wurde ein umfangreiches Schutzkonzept ausgearbeitet; doch am Ende muss die Landsgemeinde 2020 des Kantons Glarus wegen der Coronavirus-Pandemie abgesagt werden. >>Medienmitteilung, 25. August 2020

Wenn die Glarnerinnen und Glarner jeweils am ersten Maisonntag zusammenkommen, um über Gesetzes- und Verfassungsänderungen und die Höhe des Steuerfusses zu «raten, mindern und mehren», dann ist das zwar der festlichste Tag im Jahr. Mit Polit-Folklorefirlefanz hat die Landsgemeinde aber nichts zu tun. Sie gilt viel mehr als Symbol für die direkte Demokratie. Anders als an der anderen, verbliebenen Landsgemeinde in Appenzell Innerrhoden, hat jeder berechtigte Glarner Stimmberechtigte und jede Stimmberechtigte das Recht, im Ring das Wort zu ergreifen und Abänderungsvorschläge zu stellen. Das ist der Grund, weshalb die Glarner Landsgemeinde nicht an die Urne transferiert werden kann.

Das erste Zeugnis einer Glarner Landsgemeinde stammt aus dem Jahr 1387. Der Public Newsroom www.gl.ch beschränkt sich auf eine Rückschau seit 1837.

Wetterkapriolen und lange Verhandlungen

Wer 2019 dabei war, kann sich gut daran erinnern. Ein Wintersturm peitschte durch den Zaunplatz und brachte mit seiner Kälte und Nässe alle Teilnehmenden zum Schlottern. Verschoben oder abgebrochen wurde die Landsgemeinde deshalb aber nicht. Dies geschah aber schon einige Male, seit mit der Änderung der Kantonsverfassung, die Landsgemeinde in der heutigen Form stattfindet, wie die folgenden Protokollauszüge des Landesarchivs belegen:

  • 1848: «Bei vorgerückter Zeit wurden die Verhandlungen abgebrochen und die Behandlung der noch übrigen Geschäfte auf die Octoberlandsgemeinde vertagt.»
  • 1863: «Während dieser Wahlen mussten die weiteren Verhandlungen wegen eingetretener unfreundlicher Witterung abgebrochen werden und es wurde deren Fortsetzung auf nächsten Donnerstag den 14. Mai (Auffahrtsfest), Vormittags 11 Uhr vertagt.» Bereits ein Jahr später war es wieder soweit:
  • 1864: «Bei eingetretener ungünstiger Witterung wurde für heute Schluss der Verhandlungen verfügt und erkannt, die noch übrigen Memorialsgeschäfte nächsten Sonntag zu erledigen.»
  • 1877: Wegen fortgeschrittener Zeit wurde die Landsgemeinde abgebrochen und die weiteren Traktanden an einer zweiten Landsgemeinde im September abgehalten.
  • 1935: Der Bundesrat setzte die eidg. Volksabstimmung über das Verkehrsteilungsgesetz just auf den 5. Mai – den Landsgemeindesonntag – an. Also wurde die Landsgemeinde vorverschoben auf den 28. April.
  • 1978: Vorgesehenes Datum war der 7. Mai. Wetterbedingt wurde die Landsgemeinde auf den 21. Mai verschoben. 

    Ausserordentliche Landsgemeinden

Die erste ordentliche Landsgemeinde wurde am 1. Oktober 1837 abgehalten. Ausserordentliche, zusätzliche Landsgemeinden wurden erstmals 1848 abgehalten. Einerseits musste dem Entwurf der Bundesverfassung zugestimmt werden (im August), andererseits wählte die Landsgemeinde im Oktober erstmals einen Nationalrat (Caspar Jenny) und zwei Ständeräte (Johann Jakob Blumer und Heinrich Trümpy). Für Behördenwahlen wurden in der Folge weitere ausserordentliche Landsgemeinden durchgeführt. Ausserordentlich kam das Glarner Stimmvolk für die Beschlussfassung von besonderen Geschäften zusammen, manchmal sogar zweimal in einem Jahr.

  • 1853: Konzession für den Bau der Eisenbahnstrecken Walenstadt–Ziegelbrücke und Ziegelbrücke–Glarus.
  • 1853: Hochbauprojekt Ersatz zerstörtes Gerichtshaus und Gefängnis.
  • 1861: Brand von Glarus.
  • 1873: Eisenbahnangelegenheit
  • 1874: Bundesverfassungsrevision
  • 1876: Eisenbahnwesen
  • 2007: Ausserordentliche Landsgemeinde am 25. November 2007: Gemeindestrukturreform