Homo Faber – packende Aufführung in der Aula Glarus

Max Frisch schrieb den Homo Faber. Der Stoff des Geschehens ist zu einem Teil Alltagsgeschichte. Beginnen die beschriebenen Figuren zu leben, kommen Leidenschaft, zahlreichste zwischenmenschliche Abfolgen wie Verdacht, Heftigkeit, stürmische Liebe, Abweisung, Hoffnung, Verzweiflung, Kummer. Zurückdenken, Fragen und erwarteten, erforderlichen Antworten, Flucht in Scheinwelten samt Alkoholgenuss, leichtfertiges Argumentieren, Einhertratschen und schmerzhaftes, belastendes Erinnern auf. Es ist eine zuweilen kaum greifbare, erfassbare Fülle aus dem Leben jener Menschen, die Frischs packendes, kluges Schildern auszeichnen.



(Bilder: zvg)
(Bilder: zvg)

Walter Faber ist Ingenieur und im Auftrag der UNESCO tätig. Er ist der sachlich Betrachtende und Erläuternde. Der technische Fortschritt prägt sein Leben. Er ist ein suchender Macher, einer der ans Gelingen glaubt. Man lernt ihn als einen kennen, der allein sein will. Er ist in diesem Stück unterwegs, zuerst von New York nach Mittelamerika. Wegen des Ausfalls von zwei Motoren muss das Flugzeug mitten in der Wüste notlanden. Später findet er seinen Freund im Dschungel. Er hat sich das Leben genommen. Nach seiner Rückkehr in die New Yorker Wohnung ist er willens, sich von seiner Freundin Ivy zu trennen. Er reist – diesmal per Schiff – nach Europa. Während dieser Reise lernt er eine junge Frau mit Namen Elisabeth, Faber nennt sie Sabeth, kennen. Sie ist 20, also 30 Jahre jünger als Walter Faber. Er verliebt sich in Sabeth, seine Gefühle werden erwidert. In Paris trifft er sie wieder. Er bietet ihr seine Hilfe an, Sabeth will per Autostopp nach Athen. Im Verlaufe der Reise durch Südeuropa wird die Liebe zwischen Sabeth und Faber immer heftiger. Sabeth wird an einem Strand in Griechenland von einer Schlange gebissen, stürzt und stirbt an den Folgen des Sturzes, eine packende, bewegende Tragödie hat schon längst ihren Lauf genommen.

Das Theater Zürich gastierte mit dieser Handlung in der gut besuchten Aula der Kantonsschule Glarus. Der Stoff war enorm geschickt, mitreissend und packend gefügt. Die Darstellenden bewegen sich in einem absolut funktionellen Bühnenbild, das blitzschnelles Ändern in einem wirklich wirbligen Geschehen erlaubt. Öffnungen in den schwarzen hohen Wänden gestatten das rasche Betreten und Verlassen der Bühnenfläche. Bänke stehen den Wänden entlang, mit dem geschickten Spiel des Lichts werden berührende Stimmungen geweckt.

Stühle und ein Tisch genügen. Das Übermass an alkoholischen Getränken ist in verschiedenen Momenten der Handlung Teil des wechselvollen Geschehens, das so sanft, alltagsbezogen beginnt. Stets werden auf der Rückwand Fakten projiziert, die über viele, ganz knapp gehaltene Szenen Auskunft geben, für die Betrachtenden hilfreich und willkommen sind, Fakten festzuhalten vermögen und Weiterführendes aufzeigen.

Am Flughafen werden – dies zum Anfang des Geschehens – Passformalitäten geregelt. Nicht alles verläuft für die junge Hanna Landsberg wie erwartet. Sie ist schwanger, ihr Freund Walter Faber druckst rum, redet von möglicher Heirat, Aufsuchen des Arztes, von dringender Arbeit im fernen Bagdad. Es ist 1936. Es kommen Flug und Notlandung, Sinnieren, gesundheitliche Probleme, Besäufnis, Gedankenaustausch mit Mitreisenden. Gravierend dann der Suizid des Jugendfreundes. In der New Yorker Wohnung wird man Zeuge eines riesigen Streits zwischen Faber und des enorm lebenslustigen Partygirls Ivy. Berührend dann die Rückfahrt per Schiff, die Tage mit aufwühlenden Begegnungen zwischen Faber und Sabeth, das Ausbreiten so vieler Fakten bis ins Jahr 1957. Sabeth erzählt von ihrer Mutter Hanna, von Briefwechseln, Plänen mit Besuchen im Louvre und der Weiterreise nach Athen. Faber wird zusehends irritierter, suchend, vermutend. Auf dem Schiff tauchen jene auf, die er einst sah, die im Damals starker Teil des Lebens waren. Das ist so geschickt und clever ineinander verwoben. Es ist eine unglaubliche Ereigniskette, die Fahrt aufnimmt, die unausweichlich zum dunklen Ende von Sabeths Leben, zum Wiedersehen mit Hanna, zu Fabers Spitalaufenthalt führt, die Betroffenheit und Anteilnahme auslöst.

So viel reales Leben floss mit ein, weckte Spannung, Aufmerksamkeit, einen nie in Ruhe lassendes Mitvollziehen samt mannigfachen Gefühlen. Es war eine spannende, intensive Inszenierung mit beinahe zahllos inhaltsstarken Momenten, die in verschiedensten Rollen von Stefan Lahr, Nicolas Batthyany, Anna Schinz, Andreas Storm, Wanda Wylowa, Miriam Wagner, Katharina von Bock unter Regie von Rüdiger Burbach enorm deutungsstark und intensiv gespielt wurden.