„Ich wasche meine Hände in Unschuld“

So lautet nach dem Matthäusevangelium wohl der Ausspruch von Pontius Pilatus, nachdem er Jesus zum Tode verurteilt hatte. Er tötete damit einen Menschen, erlöste aber dabei die gesamte Menschheit.



Symbolische Geste: Pontius Pilatus machte sie weltberühmt. (Bild: jhuber)
Symbolische Geste: Pontius Pilatus machte sie weltberühmt. (Bild: jhuber)

Es ist eine schwierige Situation in der sich Pontius Pilatus befindet. Hier steht vor ihm ein junger Mann, der behauptet „der König der Juden“ zu sein, auf der anderen Seite fordert der jüdische Hohe Rat dessen Tod wegen Gotteslästerung. Der Präfekt hat es nicht leicht in seiner Provinz. In Judäa brodelte es. Nur trotzig akzeptierten die Juden die Oberhoheit des Römischen Reiches und versuchten mit allen Mitteln ihre Traditionen zu wahren. An allen Ecken und Enden kämpften Rebellen gegen die Besatzer. Und religiöse und politische Anführer kämpften um Macht und Ansehen. In diesem Meer aus Konflikten musste Pilatus navigieren, um seine Hauptaufgabe war zu nehmen: Ruhe und Ordnung in der Provinz und vor allem Steuergelder nach Rom zu schicken. Und in dieser ganzen Situation taucht nun Jesus auf. Der Sohn eines Zimmermanns und ein Sektenführer. Wohl aus der pragmatischen Sicht der Römer wäre dies kaum ein Problem. Das Römische Reich war überaus tolerant in Fragen der Religion, eroberte Völker durften ihre Götter und Rituale behalten, ja teilweise wurden sie – wie die griechischen – von den Römern übernommen. Doch beim monotheistischen Glauben der Juden war dies anders. „Du sollst keine anderen Götter ausser mir haben.“ lautet eines der zehn Gebote. Ein Mann der sich selber als Gottessohn sieht, kann in diesem Umfeld auf viel Gegenwehr stossen. Und so war es auch mit Jesus. Die jüdische Priesterschaft und die Schriftgelehrten forderten deshalb den Tod von Jesus wegen Gotteslästerung. Und so kam die Sache vor den Präfekten. Da dieser auf die Unterstützung der Ankläger angewiesen war, verurteilte er Jesus zum Tode am Kreuz. Durch diese Entscheidung wird nun Pilatus zu einem Paradoxon. Denn, indem er Jesus von Nazareth ans Kreuz schlagen liess, tat er das Böse und bewirkte das Gute. Er erzeugte das Böse, indem er einen unschuldigen Menschen zu einem schändlichen Tod verurteilte. Indem er aber das Böse tat, erzeugte er wiederum das Gute, weil der Tod des schuldlosen Gottessohnes die Menschheit von Sünde und ewigem Tod erlöste. Er war somit wohl auch Gottes Werkzeug. Dass es den Mann namens Pontius Pilatus wirklich gab, dies steht fest. Der wichtigste Beleg ist ein 1961 in Caesarea Maritima, der ehemaligen Residenzstadt des Pilatus, gefundene Inschrift, die seine Rolle als Präfekt in Judäa bestätigt. Auch nach seinem Richterspruch gibt es weitere historische Belege für Pontius. So scheint es, dass er im Jahr 36 n. Chr. von seinem Amt enthoben wurde. Dies aufgrund eines Massakers an Samaritanern. Diese wollten bewaffnet mit einem Propheten auf den heiligen Berg Garizim pilgern, was Pontius unterband. Daraufhin wurde er nach Rom geschickt, um sich vor Kaiser Tiberius zu verantworten. Als der Präfekt dort ankam, war der Kaiser aber bereits Tod. Anschliessend verschwindet Pontius von der geschichtlichen Bildfläche, und nur noch Legenden und Mythen ranken sich um ihn, und vor allem seinen Tod. So wird auf der einen Seite berichtet, er hätte unter Caligula Selbstmord begehen müssen, auf der anderen Seite sei er durch Nero hingerichtet worden. Aber sogar nach seinem wie auch immer eingetretenen Tod hatte der einstige Präfekt noch keine Ruhe. Zuerst sei seine Leiche in den Tiber geworfen worden, worauf es eine furchtbare Überschwemmung gegeben habe. Dann habe man seinen Leichnam in Frankreich in der Rhône versenkt, Folge sei schrecklicher Sturm gewesen. Am Ende habe die Leiche in einem tiefen Schweizer See am Pilatus ihre letzte Heimat gefunden. Noch heute breche dort immer, wenn man etwas in den See wirft, ein Unwetter aus, und am Karfreitag hole der Teufel Pilatus aus dem See und setze ihn auf einen Thron, damit er seine Hände in Unschuld wasche.