In 80 Tagen um die Welt – Familienmusical in Glarus

Es war im September 1872 ein gewiss kühnes Unterfangen, darauf zu wetten, in exakt 115 000 Minuten die Welt zu umrunden, ganz ohne Flugzeuge und blitzschnelle Verbindungen mit London als Start- und Zielort. Phileas Fogg pokerte mit 20 000 Pfund Wetteinsatz, seinem gesamten Vermögen, recht hoch – wobei er das Geld in einer simplen Reisetasche mit gar auffälligem Karomuster mitführte.



(Bilder: pmeier)
(Bilder: pmeier)

Zum Glück kam der unmittelbar vor Reisebeginn angestellte Diener Jean Passepartout mit. Und dass mitten auf der abenteuerlichen Reise die junge, sehr charmante parsische Prinzessin Aouda auftauchte und sich dem abenteuerlustigen Duo anschloss, war so etwas wie das berühmte Tüpfelchen auf dem i. Der nach eigener, nicht unbescheidenen Ansicht enorm clevere Topgeheimagent Fix – auf die Klärung des spektakulären, aus Sicht der Räuber sehr erfolgreichen Überfalls auf die Bank von London – am exakt 29. September 1872 – angesetzt, war Mitreisender. Er war sich riesig sicher, den Bankräuber erkannt zu haben und ihn ganz gediegen dingfest zu machen.

Die Ausgangslage eines spannenden Geschehens, von Jules Verne einst geschrieben, als Fortsetzungsroman 1872 in «Le Temps» publiziert, könnte farbiger und unterhaltsamer nicht sein. Auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus gastierte das 1998 gegründete «Theater mit Horizont» mit dem Familienmusical in der Aula Glarus. Altersmässig war das erwartungsfreudige Publikum riesig durchmischt. Und es sei vorweggenommen, dass – vielleicht mit Ausnahme der ganz kleinen Gäste – gar niemand sein Kommen zu bereuen hatte. Das Bühnenbild war derart geschickt, dass diese ganz besondere, auf viele Kontinente und durch verschiedenste Landschaften führende Weltreise ohne Umbauten gespielt werden konnte. Schiff und Bahn in einem – das muss man zuerst mal gesehen haben. Im Zentrum war eine Leinwand, auf die alle Stationen der doch fordernden Reise projiziert werden konnten. Recht bescheiden stand der Big Ben an der Seite, unübersehbar waren Uhr und Kalender, auf denen die noch verbleibenden Tage aufgesetzt werden konnten. Da liess der quirlige Diener Passepartout die Kinder rechnen – bevor er die genau richtige Zahl platzieren konnte.

Aber jetzt der Reihe nach. Jean Passepartout, in London Arbeit suchend, parliert munter einher. Ihn muss man einfach liebgewinnen, sein Charme ist so einnehmend. Er wird von Phileas Fogg, dem kauzigen, wortarmen, spröden und spleenigen Gentleman als Diener angestellt und schon mal mit der bevorstehenden Reise um die Welt – wie erwähnt in exakt achtzig Tagen, besser etwas weniger lang – vertraut gemacht. Da ist eine genaue Zeitkontrolle unabdingbar. Phileas Fogg lebt das knallhart vor. Dass genau in diesen Tagen die Bank of London um ganz viele tausend Pfund erleichtert worden ist, passt bestens zum zusehends kunterbunter werdenden Geschehen. Es ist die Gelegenheit für den meisterhaft agierenden und kombinierenden Spitzendetektiv Fix, der untrüglichen Fährte zu folgen, auf britischem Hoheitsgebiet den Haftbefehl einzufordern und den fiesen Bankräuber dingfest zu machen. Zwar fehlt ihm der letzte Beweis, aber das wird sich – so Fix – problemlos ergeben. Er geht behutsam, fintenreich, zielorientiert vor, will Passepartout zum Komplizen machen – auf dass die Verhaftung erfolgen könne.

Dann geht es via Brindisi nach Suez, die ersten sechs Tage sind vorbei. Die Weiterreise führt nach Kalkutta. Dank stilvollen Projektionen, gut gesetzten Tanzeinlagen, gesungenen Botschaften und Sprechtheater sind alle gleichermassen intensiv eingebunden. Das Ensemble pflegt eine kindgerechte Sprache, auf knallige Showeinlagen wird in kluger Weise verzichtet. Natürlich serviert der Diener den Tee auch im Urwald, der vier Tonnen schwere Elefant stört gar nicht, er wird sogar ein klein bisschen verwöhnt und bekommt mit, wie gut alle tanzen und singen können. Und gerade in diesem Moment taucht die von ihren Verfolgern arg bedrohte Prinzessin Aouda auf, sie will zu Verwandten – die leider unauffindbar sind. So reist sie mit, als bereitwillig aufgenommener Gast. Kalkutta, Hongkong, weiter Ferner Osten. Dann 22 lange Tage Seefahrt bis Amerika. Die Zeit fliesst alles andere als träge dahin. Aber ein echter englischer Gentleman übt sich in Gelassenheit, regt sich einfach nie auf und sagt seinem Diener ganz klar, was nun zu geschehen hat. Der wirbelt, dass es einem fast schwindlig wird. Irgendwann einmal fordert Fogg den lästigen Fix auf, sich bei der Prinzessin für einiges Ungemach zu entschuldigen. Der weigert sich. Man misst sich im Duell. Der Zug kann die Prärie wenig später nicht problemfrei durchfahren. Indianer tauchen ganz kurz auf, farbenreich projiziert, Passepartout muss aus sehr ungemütlicher Lage befreit werden. Kein Problem für Fogg und seiner Kavallerie, die lediglich aus einem blitzblank polierten, unüberhörbar lauten Posthorn besteht. Und dann setzt die Bahn aus technischen Gründen aus. Mit Windsegel und Schienentraktor und Schlitten geht es weiter. Aber New York wird eindeutig zu spät erreicht. Das Schiff hat den Hafen 45 Minuten vor dem Eintreffen des Trios verlassen.

Es bleiben neun Tage. Phileas Fogg kauft kurzentschlossen einen Frachtdampfer, der leicht klapprig, aber durchaus seefahrtstauglich ist. Alles wird eingefeuert, es wird aufs Tempo gedrückt. Es bahnt sich – wie willkommen in der herrschenden Hektik – ein reizendes Happyend an. Fogg zeigt Gefühle, ist der holden Aouda sehr zugetan, der Heirat steht rein gar nichts im Weg. Die Verhaftung durch den unermüdlich agierenden Fix ist ein Flop erster Güte. Sein Ruf als absolut unfehlbarer Topdetektiv ist bös im Eimer.

Und weil das abenteuerlustige Duo, später Trio, alles einfach goldrichtig gemacht, allen Gefahren getrotzt hat, endet die Sache genau so, wie es die spürbar begeisterten, oft mitklatschenden, seltener mitsingenden Kinder mit ihrer Begleitung erwartet und verdient haben.

Der Applaus war herzlich, stark, verdient. Und wer das Erlebte zu Hause nochmals aufleben lassen wollte, erwarb sich am Ausgang eine ErinnerungArtikel.